Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende SPD-Fraktion Herr Kollege Schmeltzer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In den letzten Wochen wurde zu Recht viel über Hilfen und Rettungsschirme diskutiert. Im Laufe der Zeit werden auch immer wieder neue Probleme deutlich und Betroffenengruppen erkennbar. Auf betroffene Branchen, die keinerlei Möglichkeiten haben, entgangene Umsätze geschweige
Ein Auto kann später gekauft werden, Möbel oder eine Küche können später gekauft werden. Textilien, die in den vergangenen Wochen nicht gekauft wurden, werden, so wie wir das nun beobachten, jetzt angeschafft.
Aber die ausgefallene Messe mit ihren Ausstellern, Messebauern und Ausrüstern, die vielen Kreativ- und Eventveranstaltungen – Fragezeichen.
Dazu zählen auch nicht zuletzt die von vielen Menschen alljährlich herbeigesehnten Volksfeste, Kirmessen und Jahrmärkte. Wir haben unter Tagesordnungspunkt 4 gehört, dass Minister Laumann ein großer Fan der Volksfeste ist, und ich glaube, das ist der Grund, warum er diesem Tagesordnungspunkt beiwohnt. Sie werden alle regelmäßig in unseren Städten veranstaltet. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sind sie fester Bestandteil der Kulturkalender unserer Städte, und auch Einzelhändler und Gastronomie profitieren davon. Hauptakteure sind die Schausteller, meist Schaustellerfamilien mit jahrhundertelanger Tradition, über 5.000 Schaustellerunternehmen mit rund 55.000 Beschäftigten bundesweit.
Die Volksfeste sind wesentliches Kulturgut und als solches von der Bundesregierung und der Europäischen Union als schützenswert anerkannt. Sie sind in der Bundesrepublik für alle sozialen Schichten ein wichtiger Bestandteil der Freizeitgestaltung, erfüllen eine wichtige soziale Ausgleichsfunktion für alle Altersklassen sowie eine Integrationsfunktion für ausländische Mitbürger, wahren regionaltypisches
Brauchtum und Tradition und stärken das Heimatbewusstsein. – So der Text eines Antrags aus dem Jahre 2000 aus der Mitte des Deutschen Bundestages, der breite Unterstützung der Fraktionen erfahren hat.
Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich bis heute nichts geändert, außer: Die fehlende Unterstützung zu Zeiten von Corona würde diese Kultur gefährden.
Wir alle wissen: Die uns allen bekannten Volksfeste, Jahrmärkte und Kirmessen in unseren Städten können nicht verschoben werden; sie sind zu bestimmten Zeitpunkten ein fester Bestandteil in den kommunalen Kalendern. Die letzten Einnahmen von Schaustellern stammen aus den Weihnachtsmärkten 2019; ihre Saison startet in der Regel ab März, aber dass seitdem keine Veranstaltungen dieser Art stattfinden, wissen wir alle.
Wir wissen ebenfalls, dass Großveranstaltungen bis zum 31. August untersagt sind. Auch die Zeit danach ist derzeit eher ungewiss – siehe Oktoberfest München. Im Übrigen wäre es auch hilfreich, wenn in Bezug auf den 31. August der Begriff der Großveran
Die bislang gewährten Maßnahmen waren durchaus erfreulich. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus, um die vollständigen Einnahmeausfälle ab März 2020 auszugleichen; denn die ständig anfallenden Unterhaltungskosten für Fahr- und Verkaufsgeschäfte, deren Lagerung, laufende Fixkosten aus Versicherungen und Wartungsverträgen, Kredite und viele weitere Lasten können aus den aktuellen Sofortmaßnahmen nicht bedient werden.
Alleine die bundesweiten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Nahezu 190 Millionen Besucher auf den fast 10.000 Volksfesten und damit ein jährlicher Bruttoumsatz von fast acht Milliarden Euro zeigen, dass dieser Umfang der wegbrechenden Einnahmen nicht mit Sofortmaßnahmen handelbar ist.
Somit – in Richtung Oliver Keymis – kann die von den Grünen mit dem heutigen Entschließungsantrag beantragte Verlängerung der Soforthilfen allenfalls ergänzend hilfreich sein; sie helfen diesen Unternehmen aber nicht annähernd, um zu überleben.
Dabei gilt es auch die Branchen nicht zu vergessen, die direkt von den nicht stattfindenden Veranstaltungen betroffen sind. Da gibt es die Elektrikfirmen, die ausschließlich für Volksfeste arbeiten, die Sicherheitsunternehmen und natürlich auch die örtlichen Stadtwerke. Es sind aber auch die Kommunen betroffen, die alleine bundesweit rund 340 Millionen Euro an Einnahmen durch Standgebühren zu verzeichnen haben bzw. in diesem Fall hätten.
Es werden dringend direkte finanzielle Hilfen benötigt, um zu verhindern, dass die Betriebe der Kreativwirtschaft und insbesondere der Schausteller sterben. Damit würden die Garanten für das Kulturgut „Volksfeste“ einschließlich der Weihnachtsmärkte sterben; denn Volksfeste gehören zu den Kulturgütern, die sich vollumfänglich eigenständig finanzieren und keinerlei öffentliche Subventionen erhalten. Darauf waren und sind die Schausteller bis heute stolz.
Wir alle kennen die Veranstaltungen: Eröffnung der Kirmes mit Rundgang. Das alljährliche Volksfest mit Empfang, zum Beispiel die Cranger Kirmes, die Rheinkirmes, Libori, Pützchens Markt in Bonn, die Fronleichnamskirmes in Sterkrade, die Allerheiligenkirmes, bei mir in Lünen die Himmelfahrtskirmes. Es ist aber auch die traditionelle Veranstaltung der Schaustellerverbände in Nordrhein-Westfalen mit der Verleihung des Goldenen Karussellpferdes – zuletzt im Landtag, hier in diesem Raum, am 28. Februar, bei der alle Fraktionen anwesend waren.
In der Vergangenheit waren wir uns hier im Haus fraktionsübergreifend im Sinne der Schausteller bei entsprechend notwendiger Unterstützung einig; ich denke dabei unter anderem an die Problematik der
sogenannten fliegenden Bauten. Die CDU-Bundestagsabgeordneten Groden-Kranich und Löbel, die baden-württembergische FDP und ihre Bundestagsabgeordnete Skudelny sehen diese notwendigen direkten Hilfen genauso.
Ja. – Ein Post in den sozialen Medien zu diesem Thema in den letzten Tagen, der nicht beworben wurde, zeigt, dass diese Forderung alleine rund 140 Mal geteilt wurde und annähernd 14.000 Personen damit erreicht wurden.
Papst Franziskus sagte anlässlich einer Schaustelleraudienz: Schausteller sind diejenigen, die ein Licht in das Dunkel der Welt bringen. – Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, dass dieses Licht auch nach Corona nicht ausgeht und wir unseren Enkeln nicht von den damaligen Kirmessen erzählen müssen. Deshalb brauchen wir hier direkte Hilfen.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Plonsker jetzt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronapandemie trifft uns in vielen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Bereichen, und da stimme ich Ihrer Analyse zu, Herr Schmeltzer: Wir müssen die verschiedenen Akteure in den Blick nehmen. Es gibt nicht für alle die Allgemeinlösung; wir müssen uns jeden Bereich besonders anschauen.
Trotzdem möchte ich vorwegschicken, dass wir den Antrag ablehnen werden. Das möchte ich auch begründen.
Ich möchte zunächst auf die Kultur- und Kreativwirtschaft zu sprechen kommen, die Sie in Ihrem Antrag auch erwähnen, und denen ein großes Kompliment machen; denn sie gehen, wie ihr Name es schon sagt, mit den Einschränkungen innovativ und kreativ um.
Ich möchte als Beispiel das große und tolle Konzert von Brings nennen, das im Autokino in Köln-Porz stattgefunden hat. Ein weiteres Beispiel ist die Kommune Elsdorf – das ist eine kleine Kommune in meinem Wahlkreis. Sie hat mit 30 Kulturangeboten vor allem mit Künstlern aus Elsdorf oder der Umgebung von Elsdorf über 100.000 Aufrufe erreichen können. Natürlich wurden die Künstler vergütet, sodass es ein Geben und Nehmen ist: Man kann der Bevölkerung etwas zurückgeben, und die Künstler können partizipieren.
Nichtsdestoweniger müssen wir uns genau ansehen, welche Bereiche und Akteure auch über den 31. Mai hinaus Unterstützung brauchen. Erste Aufschlüsse darüber wird mit Sicherheit die morgen stattfindende Abstimmung zwischen Bund und Ländern geben.
Ich bin mir auch sicher, dass es dort zu einer bundeseinheitlichen Definition von Großveranstaltungen kommt, weil eine Großveranstaltung in Nordrhein-Westfalen eben auch die gleiche Großveranstaltung wie in anderen Bundesländern sein sollte.
Schauen wir auf die Gastronomie. Hier hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits angedeutet, dass er die weitere Entwicklung sehr wohl auf dem Schirm hat. Ich zitiere, Frau Präsidentin:
„Sollte es wider Erwarten noch lange dauern, bis eine volle Öffnung möglich ist, dann müssen wir bei den Hilfen auch nachlegen, dann brauchen wir so etwas wie einen Rettungsfonds auch für die Gastronomie.“
Das Gleiche gilt für die Reise- und Tourismusbranche. Dies ist ebenfalls ein Bundesthema, denn Lösungen für Reisende, Reiseanbieter, Hoteliers und dort Beschäftigte sind nur bundeseinheitlich sinnvoll.
Für die Bereiche Tourismuswirtschaft, Gastronomie und Hotellerie hat Wirtschaftsminister Professor Dr. Andreas Pinkwart bereits mit den anderen Bundesländern ein Konzept für die Wirtschaftsministerkonferenz ausgearbeitet. Das ist uns heute auch zugegangen.
Wir müssen aber ehrlich sagen, dass die weitere Entwicklung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich auch von der Entwicklung der Infektionszahlen abhängt. Daher kann die Ausweitung der NRWSoforthilfe nur schrittweise ermöglicht werden.
Eines ist mir besonders wichtig: Wir agieren mit den Steuergeldern, die die Unternehmen und die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes hart erwirtschaftet haben. Die Kredite betreffen vor allem die nächsten Generationen. Wir müssen daher mit der Aufstockung und der Erarbeitung von Programmen behutsam, verantwortungsvoll und auch generationengerecht umgehen.
Erst wenn Bundesprogramme bestimmte Gruppen nicht berücksichtigen, können und sollten wir als Land agieren – so, wie die Landesregierung und Ministerpräsident Armin Laschet es mit den aktuell geltenden Programmen bereits getan haben.
Es sind aber nicht nur die Unternehmen und Anbieter von Großveranstaltungen, die wir in den Blick nehmen müssen, sondern auch die vielen Vereine und die Kirmessen – Sie haben sie aufgezählt –, Volksfeste, Schützenfeste, die im Sofortprogramm bisher nicht enthalten sind. Daher freue ich mich, dass die NRW-Koalition dazu einen Antrag gestellt hat, den wir morgen diskutieren werden. Ich werbe um die
Ich fasse zusammen: Die in Ihrem Antrag geforderten Maßnahmen sind entweder falsch adressiert, weil der Bund zuständig ist, oder es ist für eine Entscheidung unseres Erachtens aktuell zu früh, da die weitere Entwicklung abgewartet werden sollte, oder sie wurden von der Landesregierung längst berücksichtigt. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Herr Schmeltzer, ich kann Ihrer Rede in weiten Teilen – insbesondere hinsichtlich Ihrer Äußerungen zu den Schaustellern – durchaus zustimmen. Das Einzige, was mich an Ihrer Rede ein wenig gestört hat, war, dass ich den Eindruck hatte, dass Ihr Antrag über die in Ihrer Rede genannten Inhalte in gewissem Maße hinausgeht. Das macht die von Ihnen genannten Aspekte aber nicht weniger richtig.
So sehr ich Ihnen in der Sache soweit zustimmen kann, muss ich dennoch betonen, dass viele der von Ihnen genannten Aspekte – insbesondere im Zusammenhang mit Großveranstaltungen sowie mit Engagements von Vereinen und anderen Seiten – weit über die reine Schaustellerszene hinausgehen, sodass von dieser Krise leider weitaus mehr Menschen und Unternehmen betroffen sind.