Protokoll der Sitzung vom 28.05.2020

Ach nein, Sie saßen so versteckt. Also: Ich habe festgestellt, dass Sie dagegen sind.

Wer enthält sich? – Habe ich etwas übersehen? – Wer stimmt für diesen Antrag? – SPD und Grüne. Entschuldigung, das habe ich eben nicht gesehen; man muss da genau sein. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und AfD. Enthaltungen gibt es keine. Die Mehrheit hat den Antrag Drucksache 17/9346 abgelehnt.

Ich rufe auf:

11 Stärkungspakt Individualverkehr – Motorisier

ten Individualverkehr schützen und bedarfsgerecht fördern

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/9377

Es spricht für die AfD-Fraktion Herr Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind verwirrende Zeiten. Zuerst hieß es, Corona sei eine harmlose Grippe, dann war es der globale Killervirus.

Es hieß, die Masken würden überhaupt nicht helfen und seien sogar gesundheitsgefährdend, dann hatten wir die Maskenpflicht.

Es hieß, Aerosole könnten es über die Luft verbreiten oder man könne es über die Augen bekommen, Kinder seien eine Risikogruppe oder Kinder steckten sich nicht so häufig an.

Man fragt sich, ob es wirklich eine Überraschung ist, dass die Leute total verunsichert sind und den Pkw als in diesen Zeiten sicherstes Verkehrsmittel wiederentdeckt haben.

Man sollte einen weiteren Aspekt beleuchten: Durch die Coronakrise und den Shutdown läuft eigentlich der größte Feldversuch in der Geschichte des Automobils. Während dieses Shutdowns ist nämlich das innerstädtische Verkehrsaufkommen um 50 %, 70 % und noch weiter gesunken. Trotzdem waren die Messwerte an den Stationen nahezu konstant.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch!)

Es gab allerdings auch ein paar Ausscherer nach oben, obwohl kaum Autos gefahren sind und wir auf einmal ein Vielfaches der Messwerte hatten. Svenja Schulze erzählte uns, das habe etwas mit den Saharawinden zu tun. Das sorgte für Irritationen. Herzlichen Glückwunsch: Das höre ich seit zwei Jahren.

Es gibt noch viele weitere Aspekte, bei denen es Irritationen gibt, wenn beispielsweise die Luftzirkulation nicht gewährleistet ist wie an der Corneliusstraße und an vielen anderen Orten, wenn eine Müllverbrennungsanlage in der Nähe ist oder wie in Köln ein solches Messgerät zwischen einer vierspurigen Straße und dem Rhein mit den Dieselschiffen steht. Überall gibt es Irritationen.

Dabei ist hochinteressant, dass die lächerlich kleinen Werte, die uns die EU vorgegeben hat, wie die Zehn Gebote in Stein gemeißelt sind. Wenn die Werte ein paar Mal überschritten werden, wird so mancher Bürgermeister auf einmal kreativ.

Dann gibt es Umweltzonen und Umweltspuren. Wo der Verkehr in den Hauptverkehrszeiten ehemals noch einigermaßen flüssig lief, haben wir jetzt Stopand-go, eine halbe Stunde Stau. Gute Luft geht anders, Herr Geisel.

Es gibt noch sehr viele andere Aspekte, die man beleuchten könnte. Man sollte doch all diese Sachen mal auf den Prüfstand stellen. Schildbürgerstreiche wie Pförtnerampeln gehören wirklich abgeschafft; die Luft wird dadurch nicht besser.

Ich beleuchte noch einen anderen Punkt: die sogenannten Parken-und-Reisen-, neudeutsch: Parkand-ride-Anlagen. Ich bin ein Düsseldorfer Jung und komme mit dem Fahrrad oder der Bummelbahn zur Arbeit.

Hätte ich in Düsseldorf einen anderen Job und würde 100 km auswärts mit bescheidenster ÖPNV-Anbindung wohnen, dann würde ich mich in den Wagen setzen, bis zur Peripherie zu einer dieser P+R-Anlagen fahren, könnte dort bequem meinen Wagen

parken, hätte keinen Stress und keine Parkplatzsuche und könnte die letzte Meile mit der Bahn zurücklegen. Utopia!

Ein paar Zahlen: Hier in der Landeshauptstadt haben wir 313.000 Einpendler, also Leute, die hierhin zur Arbeit kommen. Denen stehen aber nur 3.210 kostenfreie Parkplätze gegenüber. Das heißt: Wenn nur jeder Hundertste auf die Idee kommt, eine dieser Anlagen zu nutzen, war es das; dann sind die alle schon belegt. Das werden die Leute nach dem dritten Versuch nicht mehr wagen. In Köln gibt es 345.000 Einpendler und immerhin 5.739 Parkplätze, und in Bonn 140.000 Einpendler und 2.600 Parkplätze.

Das bedeutet im Endeffekt doch, dass sich da ein ganz klarer Unterschied zwischen unserer und linksgrüner Verbotspolitik zeigt: Wir würden nämlich erst einmal die Infrastruktur schaffen und die Leute durch Qualität und Praktikabilität dazu animieren, es freiwillig auszuprobieren – wenn es funktioniert.

Die Grünen arbeiten mit den ganzen Verboten immer mehr daran, die Innenstädte autofrei zu bekommen. Dann stehen Sie aber auf einmal vor dem Dilemma, dass Sie noch nicht einmal einen Bruchteil der Nachfrage befriedigen können.

Ich frage mich manchmal, ob dieser Verkehrsinfarkt gewollt ist; er ist doch programmiert. Es wird weder Gewinner noch irgendeinen Nutzen geben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Danke schön, Herr Vogel. – Es spricht Herr Blöming für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Lesen dieses Antrags erlebte ich ein Déjà-vu. Ich hatte das Gefühl, diese fadenscheinige Argumentation schon einmal gehört zu haben. Tatsächlich: Erst vor einem halben Jahr hat die AfD zum gleichen Thema einen ähnlichen Antrag gestellt.

(Nic Peter Vogel [AfD]: In einem halben Jahr machen wir das wieder!)

Man könnte meinen, dass so langsam die Ideen ausgehen: Neben reichlich Polemik bietet dieser Antrag nämlich nichts wirklich Konstruktives.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Der YouTube-Stream muss doch bedient werden!)

Natürlich ist und bleibt der Individualverkehr ein wesentlicher Bestandteil des Verkehrslebens. Er besteht aber nicht nur aus Pkw, die durch fossile Brennstoffe betrieben werden. Alternativ betriebene Fahrzeuge – zum Beispiel elektrisch oder durch Wasserstoff – gehören genauso dazu. Außerdem sind die Zweiräder ebenso wie Sharing-Angebote zu nennen.

Die Nordrhein-Westfalen-Koalition stellt den Menschen frei, wie sie ihren Mobilitätsbedürfnissen nachkommen. Das war vor Corona so, und es wird auch weiterhin so bleiben.

Die in der Coronakrise besonders stark beanspruchten Berufszweige erhalten dabei unsere größtmögliche Unterstützung. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Akutkliniken hat das Verkehrsministerium beispielsweise das Sonderprogramm „Klinikpersonal bleibt mobil“ aufgelegt. Hierbei werden dem medizinischen Personal kostenlos Mietfahrzeuge für die Fahrt zur Arbeit gestellt. Die Idee war so gut, dass der Bund sie direkt übernommen hat.

Das Land hat den öffentlichen Personennahverkehr in Absprache mit den Verkehrsverbünden und unter Einhaltung der Hygienebestimmungen zeitnah wieder hochgefahren.

Die Menschen haben sich zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem PKW, dem Bus, der Bahn – oder wie auch immer sie es wollten – fortbewegt. Ein Verbot eines Verkehrsmittels hat es nicht gegeben.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Aber ganz starke Ein- schränkungen!)

Ich verweise hierzu noch einmal auf alle unsere Anträge der letzten drei Jahre: Die Verkehrspolitik der Nordrhein-Westfalen-Koalition steht unter der Prämisse der Ideologiefreiheit, der Nutzerorientierung und der Technologieoffenheit.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Keinem Bürger soll vorgeschrieben werden, wie, wann und vor allem womit er seinen Weg zurücklegt.

Über die individuellen Mobilitätspräferenzen entscheidet allein der jeweilige Nutzer. Eine staatlich vorgegebene Bewertungshierarchie lehnen wir strikt ab. Unterschiedliche Verkehrsträger sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden; vielmehr sollen sie ihre Stärken kombinieren.

Wir setzen auf Nutzungsanreize und einen konsequenten Einsatz intelligenter Verkehrsleitsysteme. Die verschiedenen Verkehrsträger müssen zukünftig so vernetzt werden, dass jede Nutzerin und jeder Nutzer zwischen vielen Alternativen wählen kann. Das schließt eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Verkehrsträger aus.

Während sich der vorliegende Antrag einseitig auf den Individualverkehr fokussiert, verfolgen wir von der Nordrhein-Westfalen-Koalition eine bedarfsgerechte Verkehrspolitik mit Maß und Mitte.

Anreize statt Verbote – das ist unsere Strategie. Das macht eine moderne und auch lebensnahe Mobilität aus. Außerdem ist das gut für unser Klima.

Diesbezüglich möchte ich auf einen Punkt besonders eingehen: Trotz des coronabedingt geringeren Verkehrs wurden an bestimmten Messstationen erhöhte

Stickoxidbelastungen gemessen. Daher müssen wir in Zukunft noch viel intensiver an sinnvollen Gesamtlösungen arbeiten.

(Zuruf von Nic Peter Vogel [AfD])

Fahrverbote können also nicht die alleinige Lösung sein.

(Nic Peter Vogel [AfD]: Na, also!)

Insgesamt gingen aber die Stickoxidwerte in Nordrhein-Westfalen zurück; das zeigen die Messwerte des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz. Die Stickoxidbelastung in vielen Städten NRWs verringerte sich im Zeitraum vom 16. März bis 14. April 2020 im Vergleich zum Vorjahr um etwa 20 %.

Losgelöst von möglichen Coronaeffekten müssen die Maßnahmen zur Luftreinhaltung daher weiter ambitioniert fortgesetzt werden. Das hat auch unsere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser bekräftigt.