Protokoll der Sitzung vom 28.05.2020

Herr Keith, die Frage, die Sie in den Raum gestellt haben, wie wertschätzend der öffentliche Arbeitgeber WestSpiel in den 20 Jahren mit seinem Personal umgegangen ist, kann man ansprechen.

Genauso kann man die Frage stellen, die wir hier diskutiert haben: Wie kommt es eigentlich, was ja völlig untypisch für ein öffentliches Unternehmen ist – der Konzernbetriebsratsvorsitzende hat es hier vorgetragen –, dass in zehn Jahren dort zehn Geschäftsführer tätig waren? Die Fluktuation, die da stattgefunden haben muss, ist ja völlig irre für ein öffentliches Unternehmen.

Ihre Frage zeigt, dass es sehr berechtigt ist, mal bei WestSpiel hinter die Kulissen zu gucken, wie Dinge organisiert waren.

Aber ich möchte gerne antworten, indem ich das wiedergebe, was der frühere Finanzminister Norbert Walter-Borjans gesagt hat. Ich stehe nicht im Verdacht, automatisch mit ihm immer einer Meinung gewesen zu sein.

(Heiterkeit von der FDP)

An der Stelle waren wir aber tatsächlich einer Meinung, nämlich: Wenn ein öffentliches Unternehmen kurz vor der Insolvenz steht und international die Schlagzeilen bestimmt durch Warhol-Notverkäufe bei Christie’s in New York, dann muss der äußere Rahmen für Betriebsveranstaltungen – gerade angesichts der wirtschaftlichen Situation – auch öffentlich vermittelbar sein.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie dann im „WestSpiel Newsflash“, dem Mitarbeiterrundbrief von WestSpiel, nachgelesen haben, wie dort beschrieben wurde, was das für ein Gelage war, dann hat uns das alle und die breite Medienöffentlichkeit sehr irritiert, wie man nachher ein solches Ereignis in diesen Zeiten kommuniziert, in denen man gerade notdürftig die Existenz des Unternehmens gesichert hat. Am Totensonntag dann eine solche Sause zu feiern, ist nicht angemessen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und Arne Moritz [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat die Abgeordnete Frau Düker das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir doch mal wieder zur Sache zurück, Herr Witzel: Was ist denn Ziel dieses Spielbankgesetzes, das wir heute beraten? – Das Ziel des Spielbankgesetzes ist es erstens, Spielsucht zu bekämpfen und Spielerschutz zu gewährleisten, und zweitens, durch ein begrenztes Glücksspielangebot den Spielbetrieb in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken. Das ist der sogenannte öffentliche Kanalisierungsauftrag.

Dieser öffentliche Auftrag, Herr Witzel – ich glaube, das haben Sie bis heute nicht verstanden –, beinhaltet eben nicht das Ziel, privaten Betreibern Geld in die Kasse zu spülen und eine Gewinnmaximierung zu ermöglichen.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Dieser öffentliche Auftrag, Herr Witzel, war Ihnen heute keinen einzigen Satz in der Debatte wert. Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind und welche Ziele Sie hier verfolgen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Denn diesem Anspruch in § 1 wird das Gesetz nachweislich selber nicht gerecht. Es dient vor allem dem Ziel, den Interessenten an einem Verkauf von WestSpiel möglichst hohe Gewinne zu verschaffen.

Das Gesetz erfüllt das Versprechen des Ministers nicht. Herr Lienenkämper, ich muss Sie leider persönlich ansprechen. Ihr Versprechen war eindeutig, dass sich durch eine Privatisierung von WestSpiel nichts verändern würde. – Denn eine Privatisierung, Herr Witzel, ist kein Selbstzweck.

Ich zitiere den Finanzminister aus dem HFAProtokoll vom 17.01.2019 – darin werden Sie, Herr Lienenkämper, in indirekter Rede so wiedergegeben –:

„Er habe immer gesagt, dass er ein hohes Interesse an einer mindestens gleichwertigen oder sogar besseren Suchtprävention und Spieler

schutz habe. Dass berechtigte Interessen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau wie alle anderen berechtigten Interessen der Standortkommunen, der Eigentümer, des Landes berücksichtigt werden müssten, sei klar.“

Dieses Gesetz, Herr Lienenkämper, straft diese Aussagen Lügen. Das ist nachweislich so.

(Beifall von den GRÜNEN – Jochen Klenner [CDU]: Wo sind die Nachweise?)

Ich komme zum Faktencheck, um das zu belegen.

Erstens: Suchtprävention/Spielerschutz. Bei der Anhörung hat die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht unmissverständlich festgestellt, dass die Möglichkeit zweier neuer Standorte aus suchtpräventiver Perspektive keinen Sinn macht.

Ich muss schnell durch die Punkte durchgehen. Es ist so viel an Faktencheck.

Zweitens: Beispiel Interessen der Beschäftigten. Ver.di und andere bilanzieren zu Recht, dass Beschäftigungsgarantie und Tarifbindung nicht verbindlich geregelt sind.

Herr Witzel, Sie hatten Anschreiben von den Beschäftigten vorliegen, und Sie haben sie nicht beantwortet.

(Beifall von der SPD)

Sie hatten Gesprächsanfragen. Das ist nachweislich so. Wissen Sie eigentlich, wie sich die Beschäftigten hier fühlen, wenn Sie ununterbrochen seit Jahren auf ihrem Rücken eine Diffamierung betreiben, die wirklich jeder Beschreibung spottet? Wie können Sie hier so einseitig die Beschäftigten diffamieren, ohne überhaupt einmal mit ihnen zu reden, um ihnen Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen?

(Beifall von den GRÜNEN)

Drittens: Spielbankenabgabe. Unter anderem die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hält es für nicht nachvollziehbar, warum eine Spielbankenabgabe bei Neugründungen reduziert werden kann. Auch das widerspricht dem öffentlichen Auftrag in § 1 und fördert dagegen Privatunternehmen.

Viertens. Die Interessen der Standortkommunen, die Sie ja sichern wollten, haben auch etwas mit der Spielbankenabgabe zu tun. Das sehen alle vier Standortkommunen komplett anders, Herr Lienenkämper, als Sie es ihnen versprochen haben. Denn sie weisen zu Recht darauf hin, dass es neben der fehlenden Absicherung der Spielbankenabgabe keine Standortgarantie gibt.

Fünftens. Herr Reul, leider muss ich Sie noch mal ansprechen; Beispiel: Folge- und Begleitkriminalität und Geldwäscheprävention. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter, namentlich Herr Fiedler – Sie kennen ihn, und Sie schätzen ihn hoffentlich genauso

wie wir –, sieht gravierende Mängel. Zitat aus der Stellungnahme des Bundes Deutscher Kriminalbeamter zum Gesetzentwurf:

„Er verfehlt seine eigenen Ziele, indem er insbesondere bezogen auf Folge- und Begleitkriminalität sowie die Geldwäscheprävention unzureichende Vorkehrungen trifft.“

Herr Minister, wo bleibt hier Ihre Zero-ToleranceStrategie? Gilt die nicht mehr? Wird sie dem Privatisierungswahn der FDP untergeordnet?

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Spätestens hier hätten doch bei Ihnen die Alarmglocken läuten müssen, und Sie hätten Korrekturbedarf anmelden müssen.

Herr Witzel, wir Grüne – das bitte ich zu akzeptieren und noch mal nachzulesen – sind von Anfang an offen in diese Debatte gegangen.

(Lachen und Zuruf von Ralf Witzel [FDP]: Ach so!)

Wir haben gesagt, dass Privatisierung kein Selbstzweck sei, genauso wenig wie eine öffentliche Trägerschaft gottgegeben sein müsse. Wir haben gebeten, uns zu begründen, warum eine Privatisierung besser sei. – Diesen Begründungsanspruch haben Sie mit diesem Gesetzentwurf nicht erfüllt – das ist einfach so –, und damit ist diese Privatisierung zum Selbstzweck verkommen. Das machen wir nicht mit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie, Herr Minister, haben Ihr Versprechen, dass mit der Privatisierung alle Standards mindestens gleich blieben, wenn nicht besser würden, nicht erfüllt. Ich finde es bedauerlich, dass diese nachweislich einseitige Interessensvertretung durch die FDP von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, so einfach durchgewunken wird. Das ist eine ideologiegesteuerte Politik.

Sie sind auf einem Kreuzzug, Herr Witzel,

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

der zulasten der Beschäftigten, des Spielerschutzes, der Kommunen und der Kriminalitätsbekämpfung geht.

Auch die Wirtschaftlichkeit können Sie nicht ernsthaft begründen. Sie sehen doch, wie sich die Bruttospielerträge nachweislich nach oben entwickeln. Noch nicht einmal das nehmen Sie in Ihrer ideologiegesteuerten Haltung gegenüber diesem Gesetzentwurf zur Kenntnis.

Es macht mich wirklich zornig – das merken Sie auch –, und ich bin selten so fassungslos gewesen. Trotz dieses Gesetzgebungsverfahrens und dieser Anhörung mit einer so breiten Kritik und so vielen

Änderungsvorschlägen machen Sie nichts – es gibt keinerlei Änderungen. Das Einzige, das Sie berücksichtigen – und da werden wir natürlich mitmachen –, ist von der Stiftung Wohlfahrtspflege gekommen. Aber in den relevanten Punkten hatten Sie null Bereitschaft, etwas zu ändern.

Das finde ich nicht nur bedauerlich, sondern richtig schäbig gegenüber allen, die unter diesem Gesetz und unter dieser Privatisierung zukünftig leiden werden. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und Sven Wolf [SPD])