Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal grundsätzlich: Den ersten Coronafall in Deutschland gab es am 27. Januar dieses Jahres. Seitdem sind 180 Tage mit vielfältigen Anstrengungen vergangen, dieser Pandemie zu begegnen – bei unfassbar vielen offenen Fragen und unfassbar wenigen Antworten.
Alle Bundesländer und die Bundesregierung haben sich damit gleichermaßen beschäftigt; egal, welche politische Farbe: So ziemlich alle waren dabei. Wir waren uns einig: Wir wollten erreichen, dass wir das
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat dabei immer besonnen gehandelt – nicht so überheblich wie die Kollegen in Bayern. Diese Überheblichkeit hat sie irgendwann ja auch eingeholt. Die NRWKoalition, lieber Bodo Löttgen, hat sich immer für eine maßvolle Öffnungsstrategie starkgemacht.
Es ist immer gut, dass wir uns in diesem Hohen Hause mit Lösungsansätzen für die Probleme der Coronakrise beschäftigen. Wir erleben auch in dieser Debatte heute wieder: Die Regierung, die wir gleich hören, und die Koalition sind diejenigen, die handeln. Die Opposition hingegen kritisiert.
Kein vernünftiger Vorschlag, pauschale Kritik und keine Ideen, wie man wirklich aus dieser Krise herauskommen und vor allem die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen kann.
Es gibt viele Menschen, die Angst haben und sich davon leiten lassen. Es gibt aber auch viele Menschen, die bereit sind, ein Risiko einzugehen und sich von dieser These leiten zu lassen.
Genauso ist es auch in der Politik: Es gibt diejenigen, die ein bisschen ängstlich handeln, und jene, die bereit sind, ein bisschen mehr Risiko zu übernehmen.
Ich fand die Rede von Professor Streeck im Dom zu Münster sehr bemerkenswert – ich möchte einmal kurz daraus zitieren – : Aus einer Gefahr ist nun aber ein Risiko geworden, was sich einordnen lässt, ein beständiges Risiko, das leider Teil unseres Lebens geworden ist. Den größten Fehler, den wir als Gesellschaft jetzt eingehen können, ist der, kein Risiko einzugehen und uns von der Angst leiten zu lassen, die unseren Mut zum Handeln untergräbt.
Ich finde, er trifft ziemlich genau den Punkt. Bei allen Entscheidungen, die wir innerhalb der FDP-Landtagsfraktion treffen müssen, steht die Vernunft im Vordergrund, und zwar absolut die Vernunft und nicht die Angst.
Wir als FDP-Landtagsfraktion und auch als NRWKoalition sind natürlich bereit – denn es ist notwendig; Professor Streeck hat es gesagt –, Risiken einzugehen, aber keinesfalls, leichtsinnig zu werden. Mut statt Angst ist hier unsere Parole.
Unsere Aufgabe ist es, den Bürgerinnen und Bürgern, der Gesellschaft insgesamt, der Wirtschaft, dem Mittelstand und auch dem Handel wieder Perspektiven aufzuzeigen.
Die Bundesregierung hat sich gestern auch mit dieser Frage beschäftigt; eine extreme Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist da die Lösung. Wir halten diesen langen Weg mit dieser Methode für falsch.
Entlastungseffekte wären der bessere Weg gewesen, aber das hat der Bund entschieden; das entscheiden nicht wir.
Wir als FDP-Fraktion sagen klar: Neben Mut und Risikobereitschaft brauchen wir auch hier bei uns in Nordrhein-Westfalen und auch in Deutschland wieder ein anderes Denken.
Wie können wir dem Virus mit neuen Ideen, neuer Innovation oder auch mit technischen Lösungen begegnen? – Durch neue Behandlungsmethoden, die uns vorgestellt werden und die man untersuchen muss, durch neue Testmöglichkeiten, die die Kapazitäten erheblich erhöhen, durch innovative Hygienekonzepte und vor allem durch neue Luftfiltertechniken, damit man Indoorveranstaltungen vielleicht anders und entsprechend einer Gesundheitspolitik, die unser Ziel erreicht, durchführen kann.
Vom Grundsatz her – das hat auch die Politik in Nordrhein-Westfalen und die der Regierung bestätigt – gilt: Dezentrale, also lokale, aber auch konsequente Lösungen sind der richtige Weg.
Wo es Probleme gibt, muss konsequent gehandelt werden. Wir dürfen aber nicht ganz Deutschland, ein ganzes Bundesland oder auch ganze Kreise stilllegen, nur weil sich in ein oder zwei Orten – womöglich nur vorübergehende – Probleme ergeben haben.
Eine Verallgemeinerung, so wie sie teilweise aus Süddeutschland vorgeschlagen wird, darf es nicht geben.
Das trifft dann auch die Vereinheitlichung von Richtgrößen für Feiern. In Nordrhein-Westfalen gilt bei Veranstaltungen aus besonderem Anlass aktuell eine Richtgröße von 150 Personen.
Diese Größe muss sich natürlich danach richten, wie groß die Anzahl der Infizierten bezogen auf die Einwohnerzahl in den einzelnen Bundesländern ist. Sie ist in Nordrhein-Westfalen, was die Entwicklung angeht, positiv; dementsprechend werden wir auch entscheiden.
Perspektiven müssen wir auch für Schausteller schaffen, die aktuell unter der Pandemie leiden; das gilt auch mit Blick auf die Weihnachtsmärkte.
Die regionalen Freizeitparks in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus, deren ganz hervorragende Konzepte getragen haben, sind wahrscheinlich die Grundlage, um auch Weihnachtsmärkte organisieren zu können.
Wir müssen die Konzepte für Weihnachtsmärkte konkretisieren, aber es scheint eine Möglichkeit zu sein. Kreative Köpfe wie Albert Ritter, August
Schneider und Markus Köster haben ihre Ideen umgesetzt und wurden für ihre Arbeit am Ende auch belohnt.
So wollen wir Freie Demokraten das Leben in den Innenstädten und den Handel stärken. Wir wollen Sonntagsöffnungen gerade in dieser Krise, in der es um Arbeitsplätze im Handel geht, ermöglichen.
Die Verweigerungshaltung der Gewerkschaften verstehen wir überhaupt nicht und würden uns freuen, wenn die SPD auf diesen Teil der Gesellschaft Einfluss nehmen würde, damit wir in den Städten und Gemeinden Arbeitsplätze im Handel erhalten können.
Wir müssen mutig sein im Denken. Wir müssen risikobereit sein, aber nicht leichtsinnig. Wir müssen handeln mit Vernunft, aber ohne Angst. Nutzen wir neue Ideen, Konzepte und Technologien. Geben wir den Menschen in Nordrhein-Westfalen wieder Mut und Perspektive. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der AfD hat nun Herr Abgeordneter Dr. Vincentz das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Kritik direkt vorwegstellen, denn ich glaube, das ist einer der wichtigsten Punkte, die man kritisieren muss.
Wir stellen hier im Plenum, aber auch in der Gesellschaft fest, dass die Krise nicht etwa dazu geführt hat, dass die Menschen mehr zusammengefunden haben, wie es beschworen wird. Vielmehr haben wir auch hier erlebt – ich glaube, viele erleben es in der Gesellschaft alltäglich –, dass uns diese Krise in vielen Teilen sehr gespalten hat.
Damit meine ich nicht nur die Parteien, die untereinander gespalten sind, sondern ich stelle fest, dass es selbst in den Parteien zu Spaltungen gekommen ist. So sind sich sicherlich die Grünen in vielen Punkten nicht einig, so ist sich die AfD in vielen Punkte nicht einig. Das wird bei jedem von Ihnen ähnlich sein.
Ich habe aus der Ferne eine dieser Coronademonstrationen inspiziert und konnte ein buntes Fahnenmeer von Menschen sehen, die daran teilgenommen haben; das spricht für sehr unterschiedliche politische Hintergründe, die sich auseinanderdividiert sehen.
Das ist sehr schade, denn es hört nicht im interkollegialen, im politischen Raum auf, sondern wird wieder einmal bis tief in die Familien hineingetragen. Ich
habe zum Beispiel gehört, dass es selbst am Abendbrottisch Streitigkeiten über die richtige Strategie gibt, wann man eine Maske zu tragen bzw. nicht zu tragen hat. Vieles Weitere entspinnt sich aus solchen Streitigkeiten.
Das ist die zentrale Kritik, die ich üben möchte, denn insbesondere die Regierung in Berlin hat es wieder einmal nicht geschafft, die Bevölkerung so zusammenzuhalten, dass wir uns an der Stelle nicht wieder zerstreiten, dass wir uns nicht in Diskussionen verlieren, die eigentlich gar nicht sein müssten.
Schließlich wird das Virus nicht am Abendbrottisch besiegt, und die verschiedenen Meinungen, die dort geteilt werden, sind im Prinzip nur ein Ausdruck der Informationslosigkeit, der Ratlosigkeit der Personen, der von einer Politik hinterlassen werden, die es leider wieder einmal nicht geschafft hat, eine der entscheidenden Herausforderungen, die in den letzten Legislaturperioden auf sie zugekommen sind, befriedigend zu bewältigen.
In dieser Situation ist es sehr schwierig, das Thema neutral anzugehen, denn sobald man etwas sagt, wird jeder Satz, den man äußert, jede Idee, die man in den Raum wirft, genutzt, um jemanden irgendwo zu verorten: Sie sind dann entweder der Coronaleugner oder das Schlafschaf.
Ich könnte noch viele weitere Beschimpfungen anführen; diese wären allerdings unparlamentarisch. Ich möchte es trotzdem versuchen, auch wenn ich mir bewusst bin, dass ich wieder eine ganze Reihe von Beschimpfungsmails erhalten werde.
Mit etwas Distanz betrachtet müssen wir doch erst einmal kühl reflektieren, worum es überhaupt geht: Wir haben heute Morgen Redner gehört, die gesagt haben, wir würden zu wenig testen, wir hätten die Testkapazität nicht erhöht, wir seien immer noch blind.
Dann lassen Sie uns doch einmal hinschauen: Wir hatten in den ersten Wochen des Frühjahrs eine Testkapazität von rund 100.000 Tests pro Kalenderwoche. Mittlerweile führen wir 850.000 Tests pro Kalenderwoche durch. Die Labore ächzen geradezu und sagen, das sei das absolute Maximum, das aktuell noch zu bewältigen sei.
Stellen Sie sich einmal vor, was das übersetzt bedeutet: Rund 1 % der bundesdeutschen Bevölkerung wird pro Woche getestet. Jetzt schauen Sie sich den Test an sich an.
Der Test an sich – ich zitiere hier den Bundesminister für Gesundheit – hat so seine Risiken, denn – das ist paradox; man muss um die Ecke denken – wenn Sie besonders viel testen, werden Sie auch eine Menge positiver Ergebnisse erhalten; dieser Test führt zu einem gewissen Bruchteil auch zu falsch-positiven Ergebnissen.
Dann gibt es eine Marge, insbesondere wenn Sie Personen ohne großes Risiko, ohne deutliche Symptome testen, die als positiv wahrgenommen wird. Wenn wir 1.000 Personen testen und 500 positiv sind, sind das ziemlich viele. Wenn wir in der nächsten Woche 1.000 Positive haben, aber 4.000 getestet haben: Ist das für Sie dann eine Verdoppelung oder eine Halbierung der Positiven?