Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Wir haben dann, so wie wir es ursprünglich einmal verabredet hatten, am 10. Juli, also während der sitzungsfreien Zeit, im Haushalts- und Finanzausschuss nach Erarbeitung mit der Veranstaltungsbranche und der Schaustellerbranche einen Antrag mit dem Titel „Ergänzung der bestehenden Bundesprogramme und Erstattung von Einnahmeausfällen im Schaustellergewerbe, dem Veranstaltungs- und Eventbereich sowie der Gastronomie und der Reisebüros“ erörtert. Nach Rücksprache mit den entsprechenden Verbänden haben wir das Volumen auf 750 Millionen Euro beziffert.

Herr Kollege Rehbaum, Sie haben heute Mittag den Veranstaltern gesagt, dass es sich hierbei um Regierungshandeln handeln würde. Das ist natürlich nicht der Fall; denn solche Anträge gehen in das Parlament. Sie gehen in den jeweiligen Ausschuss, und wir, die Parlamentarier, entscheiden darüber. In diesem Fall haben Sie immer negativ entschieden – negativ für diese Branchen. Sie schieben sie immer weiter in die Richtung hinein, dass ihre Existenz bis hin zu dem Punkt gefährdet wird, dass schließlich der Konkurs vor der Tür steht.

Heute haben wir einen neuen Antrag eingebracht. Wir werden aber dieses Mal nicht auf diese politischen Spielchen eingehen, indem wir den Antrag zur direkten Abstimmung stellen, sondern werden ihn überweisen. Wir haben heute auch von der Veranstaltungsbranche gehört, dass man sehr gerne mit uns ins Gespräch kommen würde. Deswegen werden wir beantragen, den Antrag in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, und werden im Wirtschaftsausschuss schnellstmöglich darauf drängen, dass es zu einem Sachverständigengespräch kommt, bei dem wir die Schaustellerverbände mit Albert Ritter und Patrick Arens am Tisch haben, aber auch die Veranstaltungsbranche. Heute haben wir konkrete Kontakte geknüpft, sodass wir die Adressen im Vorfeld haben, damit wir dieses Sachverständigengespräch schnell führen können.

Als letzten Punkt will ich etwas ansprechen, was auf der Demonstration heute Thema war und kurioserweise auch heute Morgen in der Aktuellen Stunde, in der es eigentlich um Testungen ging, schon Thema war. Es geht nämlich darum, welche veränderten Veranstaltungsformen es überhaupt geben kann.

Durch die lokalen temporären Freizeitmärkte in verschiedenen Städten wie funDOmio in Dortmund haben wir gemerkt, dass es funktioniert. Schausteller und Veranstalter wissen, worüber sie reden. Sie sind die Fachleute in ihrer jeweiligen Branche. Sie können etwas organisieren. Ich habe noch an keiner anderen Stelle so viele Handdesinfektionsmittelspender, so viele Abstandsregelungen und so viele organisatorische Maßnahmen zum Besetzen von Karussells, Autoscootern und Riesenrädern wie bei funDOmio

gesehen. Sie haben bewiesen, dass sie das Knowhow dafür haben.

Herr Rasche hat heute Morgen gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:

„Perspektiven müssen wir auch für Schausteller schaffen, die aktuell unter der Pandemie leiden; das gilt auch mit Blick auf die Weihnachtsmärkte. Die regionalen Freizeitparks in Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus, deren ganz hervorragende Konzepte getragen haben, sind wahrscheinlich die Grundlage, um auch Weihnachtsmärkte organisieren zu können.

Wir müssen die Konzepte für Weihnachtsmärkte konkretisieren, …“

Das sagen die Verbände schon seit Wochen und Monaten. Warum müssen Sie erst in der Sommerpause einmal Riesenrad fahren, um das zu begreifen?

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich fordere Sie auf: Kommen Sie endlich zu einer ordentlichen Auseinandersetzung, und sperren Sie sich nicht. Bringen Sie diese Branchen nicht an den Rand des Ruins. Dann haben wir nämlich keine Tradition der Kirmessen hier in Deutschland mehr. Und das wollen wir alle nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU spricht nun der Abgeordnete Herr Rehbaum.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Konzerten, Sportveranstaltungen, Messebau und Schaustellern ist die Veranstaltungsbranche hart von Corona betroffen. Zusätzlich hängen Gastronomie und Tourismus mit in der Kette.

Die ersten Gespräche, die wir von der CDU nach dem Lockdown im März geführt haben, haben natürlich mit Vertretern der Veranstaltungsbranche stattgefunden.

Das große Problem ist: null Umsatz bei diesen Betrieben. Veranstaltungen kann man nicht lagern. Man kann sie nur bedingt nachholen. Das Geld fehlt einfach in der Kasse. Auch ein gewisser Kostenblock bleibt und drückt auf das Ergebnis.

Zu Beginn der Krise, im März, als der Lockdown kam, gab es im Grunde eine einzige Frage in der Politik: Wie halten wir die Unternehmen im Notbetrieb am Leben? Ganz schnell wurden die Instrumente Kurzarbeit, Insolvenzrecht und Hilfsangebote der

NRW.BANK und der KfW sowie die Soforthilfe ins Leben gerufen.

Man muss an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Zuerst haben wir den kleinen Unternehmen geholfen und danach den großen. 430.000-mal wurde die Soforthilfe an kleine und mittlere Unternehmen ausgezahlt; 4,3 Milliarden Euro wurden unbürokratisch und schnell überwiesen.

Die SPD verschweigt in ihrem Antrag, dass es Probleme rund um die Frage, ob Solo-Selbstständige ihre Lebenshaltung aus der Soforthilfe bestreiten können, gab. Da Olaf Scholz und Hubertus Heil darauf bestanden, dass die private Lebenshaltung von SoloUnternehmern nicht aus der Soforthilfe, sondern aus Hartz IV bestritten werden soll, sind wir als Land Nordrhein-Westfalen eingesprungen

(Zuruf von Nadja Lüders [SPD])

und haben Unternehmen, die im guten Glauben diese Hilfen beantragt haben, 2.000 Euro aus der Landeskasse bereitgestellt.

(Christian Dahm [SPD]: Das ist Ihr Wirt- schaftsminister hier im Land!)

Viele Unternehmen,

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

die die Coronasoforthilfe beantragt hatten, waren dann bei der Spitzabrechnung überrascht, dass der Bundesfinanzminister Personalkosten, die selbst im Notbetrieb von Unternehmen noch anfallen, nicht als abzugsfähig zulässt.

Auch wir von der NRW-Koalition waren unzufrieden mit der Spitzabrechnung. Wir haben das Verfahren angehalten und versucht, das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen.

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach zwei Zwischenfragen.

Die möchte ich gerne ablehnen. Wir können nachher noch darüber sprechen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann machen wir eine Kurzintervention!)

Wir haben Druck auf den Bundesfinanzminister gemacht, und er hat eingelenkt. Man muss den Bundesfinanzminister an dieser Stelle stets zum Jagen tragen.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Ihr habt keine Ahnung!)

Es fehlt offenbar das Verständnis für praktische Sorgen kleiner Unternehmen, gerade in dieser schwierigen Zeit.

(Christian Dahm [SPD]: Aber der Bundesfi- nanzminister ist nicht für den Rettungsschirm zuständig!)

Es zeigte sich schnell, dass die Soforthilfe von 9.000 Euro, 12.000 Euro oder 25.000 Euro

(Christian Dahm [SPD]: 25 Milliarden Euro!)

nicht reichte. Für die ganz krass betroffenen Branchen mit hohen Fixkostenblöcken und wenig Umsatz wird die Luft dünn.

(Zuruf von der SPD: Hier auch!)

Wochenlang haben wir beim Bund für ein kraftvolles Rettungsprogramm getrommelt.

Mit der Überbrückungshilfe des Bundes steht nun ein hervorragendes Instrument für schwer betroffene Unternehmen und Branchen zur Verfügung.

Leider hat die SPD nicht aus den Fehlern der Soforthilfe gelernt. Das Land NRW hat mit der „Überbrückungshilfe Plus“ aber einen fiktiven Unternehmerlohn eingeführt und ist hier wieder in die Bresche gesprungen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie den An- trag überhaupt mal gelesen?)

Auch das Ergebnis des gestrigen Koalitionsausschusses auf Bundesebene zeigt: Die SPD hat es nicht verstanden und setzt weiterhin auf Blockade.

Die Union hatte den fiktiven Unternehmerlohn als Bundesförderung wieder auf den Tisch gelegt. Die SPD hat an Hartz IV festgehalten. Auch wenn es nun zu weiteren Verbesserungen für Solo-Selbstständige beim Schonvermögen kommen soll, ist das doch nicht zufriedenstellend.

Die Antragsfrist für die Direkthilfe läuft aus, die Krise nicht. Deshalb haben wir von der CDU-Landtagsfraktion den Bundeswirtschaftsminister unterstützt

(Lachen von Nadja Lüders [SPD])

und fordern die Verlängerung bis Ende dieses Jahres. Das ist zentral. Es ist gut, dass das gestern so beschlossen worden ist. Damit werden Insolvenzen verhindert. Dieses Ergebnis der Koalitionsrunde ist deshalb zu begrüßen.

Das Gleiche gilt für das Kurzarbeitergeld. Auch da ist es richtig, dass es verlängert wird.

Geld ist nicht alles. Wir haben mit großen, kleinen und mittleren Unternehmern gesprochen. Die zentrale Botschaft ist immer wieder: Auf Dauer helfen nicht Staatsgelder, sondern Eintrittsgelder.

Der Grat ist hier sehr schmal. Die Politik hat eine schwierige Aufgabe, um die uns draußen keiner beneidet. Wir müssen gleichzeitig aufpassen, dass es zu keinem Neuausbruch kommt. Durch eine zweite Welle würde alles zunichtegemacht. Wir müssen aber auch eine schrittweise Öffnung mit guten Konzepten möglich machen.