Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Es ist absolut richtig: Wir haben Testkapazitäten ausgebaut. Trotzdem ist es richtig und wichtig, dass wir auch weiterhin dafür sorgen, dass getestet wird und dass jeder getestet werden kann, der das für notwendig hält. Es muss tatsächlich die Möglichkeit geben, diese klaren Regelungen, die wir jetzt formal in einigen Bereichen haben, umsetzen zu können.

Die Bürgerinnen und Bürger haben in diesem Land zum ganz überwiegenden Teil tolle und gute Arbeit geleistet. Sie haben sich solidarisch gezeigt, achten aufeinander und nehmen zum Teil auch starke Einschränkungen hin, um uns alle zu schützen.

Diese Bereitschaft besteht aber nur weiter, wenn wir ihnen die Rahmenbedingungen dafür geben. Wer einen Verdacht auf Corona hat, muss alle Informationen für eine Testung beim ersten Anruf bekommen. Ein Laufen von A nach B und das Finden des Passierscheins A38 wie bei Asterix und Obelix ist nicht zuzumuten.

Kommen wir noch einmal zu dem Vorwurf „Aktionismus“, der absolut unverschämt ist; denn es handelt sich um konkrete Maßnahmen, die helfen. Wenn Sie sich vor Ort mit den Menschen, die in den Kommunen tätig sind, unterhalten, werden die Ihnen bestätigen, dass das notwendig ist.

Wir brauchen mobile Testzentren, die Kitas, Schulen und Altenheime direkt anfahren können. Wir brauchen flächendeckende Drive-in-Schalter, um die Arztpraxen zu entlasten, wie wir es im Übrigen ja auch schon hatten. Wir brauchen die Erlaubnis für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, ihre Mitarbeiter selbst vor Ort zu testen. Wir brauchen ein Einbeziehen der Industrie, damit wir auch Betriebslabore für Coronatests nutzen können.

Die Frage hierbei lautet: Ist das machbar? – Sie haben gerade die Kosten angesprochen. – Die Antwortet lautet: Ja; denn es ist alles nichts Neues. Diese Pandemie ist neu, aber nur noch verhältnismäßig. Denn wenn man die Bürgerinnen und Bürger fragt, werden Ihnen alle sagen, dass wir schon viel zu lange in dieser Pandemie stecken.

Dann haben Sie eben von den Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft gesprochen, auf die Sie hören, und nicht auf die Politik. Einige Mitglieder Ihres Expertenrates, Herr Laschet, sagen – ich zitiere

mit Erlaubnis der Präsidentin Professorin Dr. Christiane Woopen, die das am 29.07.2020 im WDR sagte –: Mit konsequenten Tests wären wir das Virus schon los. – Bitte, dann hören Sie nur auf Ihre Experten! Das wäre uns auch schon viel wert. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kapteinat. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Preuß.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vieles ist schon gesagt worden. Ich möchte auf einige Aspekte noch einmal hinweisen.

Die diffusen Forderungen, mehr zu testen, also flächendeckend zu testen, erzeugt ein Sicherheitsgefühl, das es durch die Testungen objektiv nicht gibt und nicht geben kann und damit eine noch viel größere Unsicherheit und letztlich auch Inakzeptanz der Pandemiebekämpfungsmaßnahmen erzeugt. Deshalb ist diese Forderung nicht die richtige, die können wir so nicht akzeptieren.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer guten Lage auch im Vergleich zu anderen Ländern. Wir haben beispielsweise keine Zunahme von Infektionen in Krankenhäusern. Die Lage ist beherrschbar und gut im Griff. Das soll auch so bleiben, und wir werden mit dem Virus leben müssen. Entscheidend sind nicht die Testungen, sondern das Einhalten von Regeln nach Maßgabe der Vernunft eines jeden Einzelnen, und soweit Regeln gelten, müssen diese auch konsequent durchgesetzt werden.

Zweitens. Es hilft nichts, in der Pandemie eine Strukturdebatte zu führen und Zuständigkeiten etwa der Gesundheitsämter infrage zu stellen. Diese Diskussion, diese Debatte muss geschehen, wenn die Pandemie vorbei ist und wir Schlüsse aus den Erfahrungen, die wir in der Pandemie gesammelt haben, ziehen können.

Jedenfalls darf ich hier feststellen, dass die Gesundheitsämter unseres Landes alles tun, was möglich ist. Bei aller enormer Belastung der einzelnen Gesundheitsämter und auch der Arztpraxen bleibt festzustellen, dass alles Erdenkliche getan wird, das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen, natürlich unter Berücksichtigung der situationsbedingten Gegebenheiten in den einzelnen Fällen vor Ort. Ich meine, da sollten wir auch einmal Danke sagen.

Meine Damen und Herren, zur Teststrategie: Herr Karl-Josef Laumann hat darauf hingewiesen, dass es eine Teststrategie gibt, nämlich die nationale Teststrategie.

Die Empfehlungen des RKI sind selbstverständlich einzuhalten. Es wird ja auch umfänglich getestet. Tests sind unzweifelhaft ein Mittel, Klarheit über das Infektionsgeschehen zu bekommen. Sie sind für diejenigen, die täglich mit Menschen zu tun haben, zum Beispiel in der Pflege oder in Krankenhäusern, eine Möglichkeit zu klären, ob sie infiziert sind und deshalb den Kontakt unterlassen müssen. Sie bieten aber keine Gewähr dafür – das muss man sich klar vor Augen führen –, selbst nicht angesteckt zu werden, selbst wenn sie negativ getestet wurden. Auch das ist von meinen Vorrednern mehrfach dargestellt worden.

In der Tat sind Tests laut RKI ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden Pandemiebekämpfungsstrategie, jedoch – das ist das Entscheidende – ist bei der Durchführung von Tests eine zielgerichtete Vorgehensweise wichtig, eine zielgerichtete und nicht eine flächendeckende. Denn – auch das ist mehrfach schon gesagt worden – Massentests ohne Anlass können nicht nur für das Risiko falsch-positiver Ergebnisse eine kontraproduktive Wirkung haben, sie belasten eben auch die Testkapazitäten, die wir dafür brauchen, wo vordringlich getestet werden muss.

So weist auch das RKI ausdrücklich darauf hin, dass Tests ohne Anlass zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen und im Übrigen eine Momentaufnahme darstellen, was nicht dazu führen darf, dass Hygiene- und Schutzmaßnahmen vernachlässigt werden. „Momentaufnahme“ heißt im Übrigen auch, dass die Tests in Abständen wiederholt werden müssen. Es zeigen sich sogar Fälle, bei denen erkrankte Menschen wieder genesen sind, dann aber erneut an COVID erkranken.

Sinnvoll ist natürlich die Testung von fest definierten Personengruppen, wobei da auch die Empfehlungen des RKI einzubeziehen sind. Aus Sicht der CDULandtagsfraktion ist wilder Aktionismus schlichtweg fehl am Platz. Testen um des Testens willen bringt gar nichts.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Beer.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Die richtigen Prioritäten setzen“, so heißt es im Antrag von CDU und FDP zu dieser Aktuellen Stunde, und wenn man das tut, dann muss man auch miteinander über Bildung und Gesundheit reden. Das ist ein ganz wesentlicher Bereich.

„Lehrkräfte verzweifeln an ihrer Dienstherrin“. So war vom VBE vor den Sommerferien zu hören. Nach den Sommerferien bescheinigt nun die Schulleitungsvereinigung NRW durch ihren offenen Brief an den Ministerpräsidenten, dass die Verzweiflung über die Praxisferne der Ministerin offensichtlich gewaltig ist. Es ist nicht nur die Schulleitungsvereinigung, es sind auch zwölf Elternverbände, die sich gemeinsam an den Schulausschuss des Landtags gewandt haben und dringend alternative Konzepte einfordern.

Das Abschieben von Verantwortung auf die Schulleitungen und der Eindruck, dass es nach den Sommerferien so weitergeht, wie es in die Sommerferien hineinging, ist sehr deutlich und löst massiven Frust aus.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schulleitungen fühlen sich nicht ernst genommen und sollen vor allen Dingen die Fiktion eines Regelunterrichts aufrechterhalten, der keiner sein kann.

Die Erwartung an den Ministerpräsidenten ist sehr klar: Sie sollen dafür sorgen, dass in Ruhe vor Ort gearbeitet werden kann, dass die Bedingungen von Gesundheitsschutz und bester Bildung wirklich gegeben sind und die Verantwortung nicht auf die Kommunen, auf die Schulleitungen, auf die Gesundheitsämter heruntergeschoben wird.

Es ist schon ein Ding, Herr Laumann, dass Sie sich nicht dazu geäußert haben, dass die Gesundheitsämter in Nordrhein-Westfalen ganz unterschiedlich agieren, auch was die Frage des Umgangs mit Verdachtsfällen angeht.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ob Kinder in Quarantäne gesteckt werden, ob Kollegen und Kolleginnen in Quarantäne gehen, wer betrachtet wird – dazu haben Sie leider nicht einen Satz übrig gehabt.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht seine Auf- gabe!)

Die Ministerin erklärte gestern Abend in der Aktuellen Stunde: Die Maskenpflicht musste sein, weil extremes Infektionsgeschehen zu verzeichnen war. Jetzt sei die Lage aber eine andere, die Tendenz in NRW gut. – Dabei sind die Werte heute deutlich höher als am 3. August. Wie es unter diesen Bedingungen weitergeht – Fehlanzeige. Entschieden werde Ende der Woche. Die Schulen freuen sich schon auf die Freitag- oder Samstagabend-Mail.

(Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung: Oh, nein! – Armin Laschet, Minister- präsident: Das ist doch nicht Ihr Ernst!)

Dabei hat der Ministerpräsident schon am letzten Wochenende gesagt, dass es auf Dauer so nicht weitergehen kann. Aber auch er ist die alternativen Konzepte schuldig geblieben. Die Maskenpflicht war in der Tat das letzte Mittel, um das Märchen vom

Regelunterricht aufrechtzuerhalten, um zu verdecken, dass es eben keinen Plan B im Schulministerium gibt.

(Beifall von den GRÜNEN)

In vielen Schulen sind Schulleitungen und Lehrkräfte mehr mit Organisation, Aufsicht, Kontrolle und Betreuung beschäftigt, als zu unterrichten. Gegenüber Eltern wird ein Anspruch verkündet, der nicht einzuhalten ist. Vor Ort müssen die Schulleitungen mit den realen Bedingungen kämpfen, vor allem im Ganztag. Verantwortung wird systematisch nach unten durchgereicht, und die notwendige Unterstützung ist nicht da.

(Josef Hovenjürgen [CDU] Es gibt keine Ver- antwortung!)

So darf es nicht weitergehen: stundenlang eng nebeneinanderzusitzen in einer vollen Klasse ohne Abstand bei eingeschränkter Lüftung. Das Virus wird sich davon nicht beindrucken lassen.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Wieder keine Ver- antwortung!)

Die Maske bleibt als Schutzschild der Ministerin für einen vermeintlichen Regelunterricht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es gibt keine wirksamen Maßnahmen, um zu Alternativen zu kommen. Unterstützungspersonal breit und systematisch für die in den Schulen notwendigen Aufgaben zu gewinnen, Verträge mit Lehramtsstudierenden, Einsatz der Praxissemester, zivilgesellschaftliche Kräfte einzubinden wie zum Beispiel „Teach First“ oder „Balu und Du“ – das sind nur Beispiele von vielen, die mitmachen würden, aber dazu gibt es überhaupt keine Ansätze und keine Initiativen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjür- gen [CDU]: Von Ihrer Rede auch nicht!)

Wir brauchen Menschen, die Kinder in Phasen von Fernunterricht auch individuell begleiten können. Einen Bildungspakt zu schmieden, der klarmacht, Kinder, Jugendliche und Familien kommen an die erste Stelle – dabei würden wir gern mithelfen. Aber alle Angebote sind bislang abgelehnt worden.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir müssen jetzt alles zusammenbinden, andere Lernräume nutzen, Räume akquirieren, kleine stabile Lerngruppen bilden, Infektionsrisiko minimieren und individuelle Förderung möglich machen.