Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Zur Gleichberechtigung: Sind gleiche Chancen für Onlinehandel und stationären Handel gewahrt? Hat der stationäre Handel genau die gleichen Chancen wie der Onlinehandel?

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung müssen wir intensiv darüber sprechen, ob es eine Chancengleichheit in diesen Fällen gibt oder ob es möglicherweise Änderungen bedarf.

Letztlich entscheiden die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten darüber, welche Gesichter die Marktplätze des 21. Jahrhunderts haben, ob sie reine Kunst-, Kultur- und Eventstätten und -orte sind oder hier schließlich das stattfindet, was Kerngedanke, Ursprung jeder Stadt, jeder Gemeinde, jedes Dorfes in Nordrhein-Westfalen ist, ob dort zukünftig noch entsprechend Handel stattfindet.

Einen Aspekt hat der Abgeordnete Kehrl angesprochen, nämlich den großflächigen Einzelhandel. Wir haben derzeit über die Baunutzungsverordnung als Bundesvorschrift richterlich ausgelöst die 800-Quadratmeter-Regelung für den großflächigen Einzelhandel.

Im Zusammenhang mit der Novelle des Baugesetzbuchs auf Bundesebene hat sich die Landesregierung dafür eingesetzt, diese Grenze bis zu einer Verkaufsfläche von 1.200 m² anzuheben, weil die Anforderungen an Geschäfte höher geworden sind – Stichwort: Barrierefreiheit. Es ist wohl unbestritten, dass wir mehr Gemeinflächen brauchen. Entscheidend ist auch, wie umsatzrentabel der jeweilige Einzelhandel ist.

Möglichkeiten gibt es. Die Landesregierung ist durchaus schon aktiv geworden, denn 1.200 m² Verkaufsfläche würde viele Möglichkeiten für kleinere wie für große Städte in Nordrhein-Westfalen bedeuten, insbesondere was Zentrenkonzepte angeht, höhere Flexibilität erzeugen, Frequenzen zurückbringen und zugleich dazu beitragen, die wohnortnahe Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern auch in den kleineren Städten und Gemeinden für die Zukunft dauerhaft abzusichern, wenn man es klug aufsetzt.

Ob und inwieweit die Bundesregierung die Anregung aus Nordrhein-Westfalen für die Baunutzungsverordnung im Rahmen der Änderung des Baugesetzbuchs aufgreift, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen; wir warten noch auf das Verfahren.

Insofern freue ich mich auf die anschließenden Diskussionen im Fachausschuss. Es liegt an uns, was wir aus den Marktplätzen des 21. Jahrhunderts machen. Viele Kommunen packen es richtigerweise an und legen darauf klare Prioritäten. Ich bin mir sicher, dass wir die Kommunen, die es noch nicht machen, in der nächsten Zeit auch dazu bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Scharrenbach. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Schrumpf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Remmel, wir stellen heute also erneut fest: Für Sie sind Heimatförderung und die Unterstützung Tausender ehrenamtlich Engagierter lediglich – Zitat – Girlandenpolitik.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Auch wenn die Opposition versucht, durch müde Angriffe oder reine Verfahrensdebatten davon abzulenken, bleiben die Botschaft dieser Debatte und unsere Antragsinitiative völlig klar: Wir lassen unsere Kommunen nicht im Regen stehen. Wir greifen den von Leerstand und Schließung in Handel und Gastronomie betroffenen Städten und Gemeinden unter die Arme.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Norwich Rüße [GRÜNE])

Sie, sehr geehrte Frau Kollegin Philipp, fordern dagegen ein eher simples „Höher, Schneller, Weiter“, und zwar ohne klipp und klar deutlich zu machen, wer das am Ende zu bezahlen hat.

Wir hingegen setzen weiterhin auf eine Politik von Maß und Mitte. Wir unterstützen unsere Kommunen mit allen Kräften und verlieren dabei nicht unser Leitbild einer verantwortungsvollen und soliden Haushalts- und Finanzpolitik aus den Augen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Ist das ein Gelaber!)

Der NRW-Koalition ist bewusst, dass es NordrheinWestfalen dauerhaft nur gut gehen kann, wenn es auch unseren Städten und Gemeinden gut geht. Deshalb haben wir seit Regierungsübernahme im Jahr 2017 bereits vor Ausbruch der Coronapandemie zahlreiche Initiativen und Programme auf den Weg gebracht, um Projekte vor Ort gezielt zu fördern, die Haushalte zu entlasten und so die finanzielle Situation der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Sie sind auch in dem vorliegenden Entschließungsantrag noch einmal sehr pointiert zusammengefasst.

(Christian Dahm [SPD]: Das stimmt nicht – sehr pointiert!)

In Ergänzung zu unserem Antrag „Heimat braucht Handel“ vom 2. Juli 2019 legen wir Ihnen heute zudem einen Änderungsantrag vor, der insbesondere die Entwicklungen aufgreift, die durch die Coronapandemie noch einmal deutlich verstärkt oder beschleunigt worden sind.

(Sarah Philipp [SPD]: Das ist Ihnen jetzt ein- gefallen?)

Daran wird auch deutlich, dass wir der Situation angemessen nachsteuern.

Der Situation entsprechend angemessen reagiert, angemessen nachgesteuert hat auch unsere Ministerin Ina Scharrenbach, indem sie, wie sie es gerade

ausführlich dargestellt hat, in einem im Übrigen bemerkenswerten Tempo das Sonderprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020 mit einem Fördervolumen von 70 Millionen Euro auf den Weg gebracht hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit unserer Antragsinitiative wollen wir nun den Rahmen setzen, innerhalb dessen die Kommunen die richtigen Antworten und die bestmöglichen Lösungen für den Strukturwandel im Einzelhandel für ein ausreichendes und bezahlbares Wohnraumangebot, die Nachnutzung von Brachflächen, aber auch gegen die drohende Verwahrlosung öffentlicher Räume finden können.

(Zuruf von Christian Dahm [SPD])

In vielen Städten gibt es bereits spannende Projektideen, die leere Ladenlokale wieder nutzbar machen und dadurch auch dem jeweiligen Ort neues Leben einhauchen.

In meiner Heimatstadt Essen beispielsweise ist die Stadt ganz bewusst dabei, auch mit Unterstützung des Landes ungenutzte zentrale Immobilien, die strategisch wichtig sind, zu erwerben, um Räume für Start-ups und Existenzgründer zu schaffen und so Impulse über die Immobilie hinaus für das gesamte Umfeld zu setzen.

Bitte gestatten Sie mir, kurz bei meiner Heimatstadt zu bleiben. Das Thema „GALERIA Karstadt Kaufhof“ ist mehrfach angesprochen worden. Dank des Einsatzes der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch dank des großen Engagements unseres Ministerpräsidenten Armin Laschet und unseres Essener Oberbürgermeisters Thomas Kufen ist es gelungen,

(Beifall von der CDU – Christian Dahm [SPD]: Ja, das glaube ich auch!)

dass das Kaufhaus am Limbecker Platz sowie die Karstadt-Zentrale mit vielen Arbeitsplätzen am Standort erhalten bleiben.

(Christian Dahm [SPD]: In Bielefeld war es Pit Clausen, Herr Kollege!)

Das ist ein enorm wichtiges Signal für die Stadt Essen. Es zeigt, dass sich großer gemeinsamer Einsatz vor Ort auszahlt.

(Beifall von der CDU)

Doch am Beispiel Karstadt wird auch deutlich, dass es künftig zwingend notwendig ist, verstärkt mit den Eigentümern von Einzelhandelsimmobilien in den Innenstädten in den Dialog über die dort verlangten Mieten zu treten. Denn diese sind oftmals schlichtweg – so muss man es deutlich sagen – aus der Zeit gefallen.

Ob das Thema „Steuerrecht“ an dieser Stelle die richtigen Ansätze schafft, darüber müssen wir sicherlich sehr intensiv diskutieren.

Die Ministerin hat skizziert, wie wir uns darüber hinaus auf Bundesebene einsetzen müssen, wie wir das Baurecht verändern können.

Auf Landesebene ist das Stichwort „LEP“ gefallen.

Aber ich gehe noch weiter, auch auf die europäische Ebene; denn wir müssen uns insbesondere die Frage stellen, ob die Fernabsatzrichtlinie und das Widerrufsrecht, das ich als Verbraucher habe, wirklich optimal sind. Wenn ich 20 Paar Schuhe bestelle, um mir davon vielleicht eins auszusuchen, 19 Paar zurückschicken kann, ohne dafür einen Euro bezahlen zu müssen, dann stellt sich die Frage: Ist das im Verhältnis zu den Entwicklungen im stationären Einzelhandel wirklich richtig?

Doch auch kreative Lösungskonzepte der Händler sind gefragt. Wenn wir uns zum Beispiel hier in Düsseldorf umsehen, wo reine Abholmärkte entstehen oder Discounter wie ALDI und Lidl ihr Lebensmittelsortiment auf modernen, kundenfreundlichen Verkaufsflächen in 1aLagen mitten in der Innenstadt anbieten, so kann dies auch in Sachen „Erreichbarkeit“, „Nachhaltigkeit“ und „Effizienz“ wegweisend für andere Innenstädte sein.

Schließlich bleiben auch Sicherheit und Sauberkeit unzweifelhaft entscheidende Voraussetzungen für die Lebens- und Aufenthaltsqualität in den Stadtzentren. Um das zu gewährleisten, sollen die Städte unter anderem auf einen personell und materiell gut ausgestatteten kommunalen Ordnungsdienst zurückgreifen können. Genau dafür haben wir uns erst jüngst vor der Sommerpause mit unserem Antrag starkgemacht.

(Beifall von der CDU)

Wir müssen also die Weiterentwicklung unserer Städte als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen. Denn wir – jeder Einzelne – können mit unserem Handeln heute entscheiden, wie unsere Städte von morgen aussehen werden. Dazu müssen wir offen für neue Ideen und konstruktive Diskussionen sein.

Die NRW-Koalition leistet ihren Beitrag zur Unterstützung lebendiger Innenstädte und Ortskerne und begreift die Herausforderungen als Zukunftschancen. Lassen Sie uns diese Zukunftschancen heute gemeinsam ergreifen und stimmen Sie unseren Anträgen zu! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Schrumpf. – Jetzt spricht Herr Dahm für die SPDFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP! Ja, ich nehme Ihnen das wirklich ab. Ich nehme Ihnen wirklich ab, dass Ihnen die Innenstädte am Herzen liegen.

Wir sind insbesondere, Kollege Kehrl – ich sehe Sie jetzt gar nicht, es spiegelt so; ich weiß gar nicht, wo er sitzt –, bei vielen Dingen, die Sie hier ausgesprochen und ausgeführt haben, inhaltlich, glaube ich, sehr nah beieinander. Ich hätte mir sehr gewünscht, auch für unsere Fraktion, dass wir diese Debatte so intensiv, wie wir es heute tun, auch im Ausschuss geführt hätten, beispielsweise in der Sitzung in der letzten Woche.

(Beifall von der SPD)

Ich glaube Ihnen auch, dass Sie diesen Antrag nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben haben – wobei ich gar nicht sicher bin, von welchem Antrag Sie heute gesprochen haben, von dem Änderungsantrag oder dem Ursprungsantrag; dazu komme ich gleich noch. Denn leider – das sage ich ganz deutlich – ist gut gemeint noch nicht gut gemacht.