Wir von der AfD haben uns der Opfer angenommen. Wir forderten zum Beispiel die Landesregierung auf, im Bundesrat einen Gesetzentwurf einzubringen, um den Opfern schwerster Straftaten die psychosoziale Prozessbegleitung von Amts wegen zukommen zu lassen. Wir forderten die Ausweitung der Nebenklage, damit Opfern schwerster Straftaten von Amts wegen ein Rechtsbeistand zur Verfügung gestellt wird. Vergessen wir außerdem nicht – wir haben heute ein bisschen was davon gehört – unseren Antrag zum Schutz der Kinder vor häuslicher Gewalt. Wir wollten in Frauenhäusern vermehrt Wohneinheiten zur Verfügung stellen, damit dort Mütter mit ihren Söhnen problemlos unterkommen können.
Das waren vernünftige Anträge, die von Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen der Altparteien, nicht angenommen wurden.
Dazu haben Sie Folgendes gesagt – und da waren Sie sich allesamt auf einmal wieder einig –, und ich zitiere hier verschiedene Aussagen einfach einmal exemplarisch:
Herr Engstfeld von den Grünen sagte, die Antragstellung sei vor allem, aber auch nicht nur vom Zeitpunkt her verwunderlich, sondern inhaltlich überhaupt nicht weiterführend, und deswegen sei der Antrag am Ende des Tages einfach überflüssig. – Herr Engstfeld, Sie treten als OB-Kandidat für Düsseldorf an. Wann ist denn nach Ihrer Meinung der richtige Zeitpunkt gekommen, etwas für die Opfer schwerster Straftaten zu tun? Nachdem Sie den Autoverkehr aus Düsseldorf verbannt haben oder doch noch kurz davor?
Herr Körfges von der SPD unterstellte uns, die Gewaltenteilung nicht begriffen zu haben. – So etwas Dummes kommentiere ich nicht.
Herr Mangen von der FDP hingegen hatte am 18.12.2019 einen Geistesblitz. Er stellte die Frage nach den Kosten – wörtlich –: Wer soll das bezahlen? – Das ist wenigstens ehrlich, Herr Mangen, offenbart allerdings schonungslos, dass die Altparteien derart abgewirtschaftet haben, dass keine finanziellen Mittel für weiteren Opferschutz vorhanden sind.
Nun ist etwas Zeit vergangen, das Geld ist noch knapper geworden, aber die Kommunalwahlen stehen vor der Tür. Und da ist es für die Regierungspar
teien offenbar Zeit, sich nicht nur um verbesserte Bedingungen für die Täter zu kümmern, sondern sich kurzfristig der Opfer Ihrer verfehlten Politik zu erinnern.
Aber was tun Sie? – Wir sollen darüber abstimmen, dass Opfer von Straftaten ein Recht auf Schutz, auf Anerkennung und Unterstützung haben. Es soll eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, dies zu organisieren und zu optimieren. Wir sollen ferner darüber abstimmen, dass staatliche Einrichtungen in der Pflicht sind, Betroffenen von Straftaten die notwendige Hilfe und Unterstützung zu ermöglichen. Zudem brauche Opferschutz das Miteinander von Staat, Verbänden, Organisationen und Ehrenamt.
Meine Damen und Herren Kollegen, ja, die Erde ist keine Scheibe, sie ist rund, und das wissen wir seit einigen Hundert Jahren. Was Sie hier und heute von uns fordern, das sind alles Selbstverständlichkeiten in einem demokratischen Rechtsstaat. Es beschämt mich geradezu, über solche Selbstverständlichkeiten heute abstimmen zu müssen. Ihre Feststellungsanträge sind reine Lippenbekenntnisse. Die sich anschließenden Forderungen gehen längst nicht weit genug. Sie sind Stückwerk.
Und trotzdem werden wir dem Antrag zustimmen. Wir tun dies in dem Bewusstsein, dass Sie den von uns vorgegebenen richtigen Weg endlich beschreiten. Wir sind nämlich nicht die Blockadepartei, wir von der AfD reichen den Opfern die Hand und zeigen den Tätern dort die Faust, wo es notwendig ist. – Guten Tag.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Röckemann. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Biesenbach das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als wir vor etwas über einem Jahr an dieser Stelle über den gemeinsamen Antrag der Regierungsfraktionen zur Weiterentwicklung des Opferschutzes in NordrheinWestfalen diskutiert haben, habe ich betont, dass die Landesregierung nicht haltmachen wird beim Ausbau des Opferschutzes und zudem selbstverständlich alles, was dazu im Koalitionsvertrag steht, umsetzen wird.
So ist in diesem vereinbart, dass eine an Opferbelangen ausgerichtete Aus- und Weiterbildung für die Strafverfolgungsorgane sichergestellt werden soll. Die Landesregierung hat hierzu bereits vieles auf den Weg gebracht. Das Programm der Justizakademie des Landes Nordrhein-Westfalen gewährleistet schon jetzt eine auf die Belange von Opfern
ausgerichtete Fortbildung und wurde im vergangenen Jahr im Vergleich zu den Vorjahren deutlich erweitert.
Wir bleiben dabei aber nicht stehen, sondern nehmen das vorhandene Angebot noch einmal in den Blick, um die bedarfsgerechte Gestaltung zu sichern. Eine Verlagerung der Fortbildung zu mehr Inhouseschulungen kann dabei ein sinnvoller Weg sein, um möglichst vielen Bediensteten eine Teilnahme zu ermöglichen.
Im Koalitionsvertrag ist zudem weiter vereinbart worden, dass die Vernehmung eines Opfers zu schambesetzten Sachverhalten – das können neben Sexualstraftaten zum Beispiel Fälle häuslicher Gewalt sein – bereits im Ermittlungsverfahren möglichst durch eine Person gleichen Geschlechts durchgeführt werden soll, wenn das Opfer dies möchte.
Mir ist wichtig zu betonen, dass die männlichen wie weiblichen Bediensteten von Polizei und Justiz in Nordrhein-Westfalen bereits heute verpflichtet sind, Opfer schonend zu vernehmen.
Es Opfern bei bestimmten Sachverhalten zu ermöglichen, sich bei Polizei oder Staatsanwaltschaft von einer Person gleichen Geschlechts vernehmen lassen zu können, ist aber ein weiteres wichtiges Signal und geeignet, etwaige Hemmschwellen gegenüber einer Anzeigenerstattung abzubauen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag greift zudem drei Vorschläge auf, die die Sachverständigen in der Anhörung zu dem Antrag der Regierungsfraktionen zur Weiterentwicklung des Opferschutzes in Nordrhein-Westfalen im Januar dieses Jahres gemacht hat.
So können die mit dem Antrag geforderten Koordinatorinnen und Koordinatoren eine wichtige Rolle bei der von der Landesregierung intensiv geförderten Vernetzung der vielfältigen Einrichtung des Opferschutzes und der Opferhilfe in Nordrhein-Westfalen spielen. Sie können insbesondere die Einbindung der Justiz in lokale Netzwerke stärken, denen große Bedeutung zukommt. Die Landesregierung pilotiert das Modell der Koordinatorinnen und Koordinatoren zurzeit bereits bei mehreren Staatsanwaltschaften, Amts- und Landgerichten in unserem Land. – Zum Jahresende werden uns erste Ergebnisse vorliegen, auf denen wir dann gemeinsam aufbauen können.
Wenn mit dem Antrag zudem die Bereitstellung von kind- und jugendgerechten Warteräumen für Opferzeugen gefordert wird, ist dies ein Anliegen, dass die Landesregierung ebenfalls uneingeschränkt teilt. Wir haben mit dem erneuerten Musterraumbedarfsplan bereits dafür Sorge getragen, dass entsprechende Räume bei der Errichtung von Neubauten und der baulichen Erweiterung von Bestandsbauten einzurichten sind. Etwas schwieriger ist die Lage natürlich bei bestehenden Gebäuden, aber auch dort sollen im
Der Landesregierung ist schließlich auch die mit dem Antrag geforderte regelmäßige Benachrichtigungspflicht gegenüber Verletzten über den Ausgang des Verfahrens wichtig. Wir alle wissen, dass eine hohe Transparenz des Strafverfahrens für Opfer große Bedeutung hat. Ihrem berechtigten Interesse nach Informationen müssen und wollen wir nachkommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Opferschutz und Opferhilfe werden auch in Zukunft ein Schwerpunkt dieser Landesregierung bleiben. Der vor der Sommerpause verabschiedete Antrag zum zehnten Jahrestag der Loveparade-Katastrophe hat hier im Plenum fraktionsübergreifende Zustimmung gefunden. Dem vorliegenden Antrag ist ein solcher Konsens ebenfalls zu wünschen.
Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2.
Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Inhalt des Antrags Drucksache 17/9872 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Das ist die SPDFraktion. Damit ist der Antrag Drucksache 17/9872 mit dem soeben festgestellten Abstimmungsergebnis angenommen.
Heimat braucht Handel – vitale Innenstädte für die Zukunft des Einzelhandels in NordrheinWestfalen erhalten, den stationären Handel bei seinem Weg ins digitale Zeitalter unterstützen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Seit März dieses Jahres ist vieles anders. Corona hat dieses Land zeitweise lahmgelegt. Der Einzelhandel hat sehr darunter zu leiden, ebenso wie die Gastronomie, die Veranstaltungsbranche und viele mehr.
Das öffentliche Leben kam zum Erliegen und ist bis heute für uns alle eingeschränkt. Dass alles das, was die Leute in unsere Städte zieht, um einzukaufen, aber auch, um etwas Schönes zu erleben, um zu bummeln, um eine gute Zeit zu haben, so nicht mehr möglich ist, hat unsere Innenstädte in den letzten Monaten besonders hart getroffen.
Aber – das wissen wir seit Langem – nicht erst durch die coronabedingten Schließungen von Ladenlokalen sehen sich die Innenstädte großen Umwälzungen und großen Herausforderungen gegenübergestellt. Der jüngste Rückschlag in einer langen Reihe schwieriger Entwicklungen war die Ankündigung von Galeria Karstadt Kaufhof, mehrere Standorte auch in nordrhein-westfälischen Innenstädten zu schließen.
Die „Zeit“ schrieb vor einigen Tagen zur Bedeutung eines Kaufhauses für die Innenstädte: „Was früher einmal das Gravitationsfeld jedes Stadtzentrums war, ist heute oft nur noch verwaltete Leere.“
Verändert haben sich nicht nur das Konsumverhalten der Leute, sondern auch die städtebaulichen Herausforderungen, was eine Innenstadtaufstellung angeht. Das kann man oft auch vor der eigenen Haustür beobachten. In meiner Heimatstadt Duisburg erstreckte sich die Hauptachse der Einkaufsstraße früher weit über einen Kilometer. Da gab es das alte KarstadtKaufhaus; heute steht dort ein Einkaufszentrum. Es gab diverse Bekleidungsanbieter: Sinn, Boecker, C&A, Peek & Cloppenburg; teilweise gibt es sie heute gar nicht mehr. Es gab viele Bankfilialen und zahlreiche weitere Dienstleister, die hier zu finden waren. Sie alle haben es lohnenswert gemacht, in die Innenstadt zu fahren.
„In die Stadt fahren“ ist ein geflügeltes Wort. Das zu tun, bot früher viele Möglichkeiten, alles, was man brauchte, zu bekommen und zu erledigen – voller Besatz vom Kaufhaus bis zum inhabergeführten Einzelhandel; richtig viel Leben auf der Straße.
Die Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof – diese Debatte beschäftigt uns jetzt seit mehreren Wochen auch hier in Nordrhein-Westfalen – stehen dabei traditionell für das, was Innenstädte – nicht selten sogar für die gesamte Stadt oder auch für einzelne Stadtteile und für Nebenzentren – ausmacht oder früher ausgemacht hat. Pulsierende Innenstädte sind das Herz einer Stadt – auch als Arbeitgeber. Sie bringen Leben, Innovation, Frequenz an Leuten, eine florierende Wirtschaft und Attraktivität mit sich.
Das war gut. Das hat lange Zeit funktioniert. Das war bekannt. Aber wir müssen auch klar und ehrlich sagen: Das wird so nicht wiederkommen. Und genau da müssen wir ansetzen.
Deswegen soll das hier heute kein nostalgischer Rückblick nach dem Motto „Früher war alles besser“ oder „Früher war Einkaufen in der Stadt viel schöner“ werden. Es geht darum, heute anzuerkennen, dass sich diese Welt in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Bezug auf den Handel und die Innenstadtentwicklung weiterentwickelt hat. Die Menschen fahren schon lange nicht mehr in die Innenstadt, um sich ein paar Schuhe zu kaufen, wenn sie überhaupt noch in die Innenstadt fahren, um etwas zu kaufen. Genau das sind die Punkte, über die wir uns Gedanken machen müssen. Wir müssen nach vorne einen Weg aufzeigen, wie das Ganze weitergehen soll.
Diese Entwicklung wird anhand ganz aktueller Zahlen sehr deutlich. Wenn man sieht, dass der Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen auch im Juni 2020 ein kräftiges Wachstum zu verzeichnen hat – das kann man seit vergangener Woche beim Statistischen Landesamt nachlesen –, denkt man auf den ersten Blick: gute Neuigkeiten. Denn insgesamt stiegen die Umsätze um 6,9 %. Das Problem wird aber deutlich, wenn man sich diese Zahlen im Detail anschaut.
Überdurchschnittlich stark legte dabei mit einem Plus von über 37 % der Versand- und Internethandel zu. Dagegen brachen die Umsätze im Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen beispielsweise um 13 % ein. Betroffen ist also alles das, was sich üblicherweise in den Zentren findet, sowohl bei Filialisten als auch in Fachgeschäften. Das ist ein bekannter Trend, der sich in den letzten Monaten durch Corona weiter verschärft hat.