Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

Das muss man auch einmal betonen. Denn das Bild, das die AfD skizziert, ist nicht richtig. Sie behaupten, man hole junge straffällige Männer ohne Schutzstatus ins Land. Die Kollegin der AfD hat mit keinem Wort erwähnt, dass es hier um Menschen geht, die dort bereits einen Schutzstatus haben. Das heißt, dass sie wirklich den Anspruch haben, nach Europa zu kommen und verteilt zu werden.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Wir sprechen von vulnerablen Gruppen, von kranken Kindern und von alleinstehenden Frauen. Aber das passt nicht in Ihre Ideologie.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Dieses Bild wollen Sie nicht skizzieren. – Sie können ruhig reinrufen.

Es braucht eine klare Position. Was muss die Bundesregierung gemeinsam mit der Europäischen Union also tun? Was hätte man schon viel früher tun müssen? Es bedarf der Evakuierung besonders schutzbedürftiger Personen, der Herstellung der hygienischen Standards vor Ort auf den Inseln, mehr Personal bei der Durchführung von Asylverfahren sowie einer zügigen Verteilung der Anerkannten, gleichzeitig aber auch einer zügigen Rückführung der abgelehnten Schutzsuchenden.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Passiert ist nichts. Die Katastrophe geschah am 9. September 2020. Sie war lange vorhersehbar.

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auch noch einige wenige Worte zu den Anträgen von Rot und Grün sagen. Dass die

Forderung nach einem Landesprogramm nicht Teil der Lösung sein kann, lässt sich sehr leicht erklären. Der Prozess der Aufnahme von Geflüchteten erfordert doch nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine organisatorische und politische Koordination durch den Bund. Letztendlich ist der Bundesinnenminister gefordert, sich hier mit den Ländern abzustimmen.

Wir als NRW-Koalition von FDP und CDU stehen für die Aufnahme schutzbedürftiger Menschen bereit. Aber NRW – das gehört zur Ehrlichkeit dazu – kann die Probleme nicht alleine lösen. Wir brauchen ein abgestimmtes Vorgehen von Bund, Ländern und europäischer Ebene. – In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Dr. Stamp das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Moria ist natürlich ein humanitäres Desaster.

Das war es auch bereits vor dem Brand. Deswegen sind Ministerpräsident Armin Laschet und ich auch dorthin gefahren, um uns vor Ort über die Situation zu informieren. Wir sind aber nicht nur dorthin gefahren, um uns vor Ort über die Situation in Moria zu informieren, sondern auch, um in Gesprächen mit der griechischen Regierung gemeinsam nach Lösungen zu suchen; denn es ist nicht allein ein griechisches Problem, sondern ein Problem der gesamten Europäischen Union.

Bereits vor dem Brand – das habe ich mehrfach öffentlich gemacht – haben wir einen Vorschlag unterbreitet, aktiv zu werden. Vor allem Nordrhein-Westfalen hat schon vor dem Brand angeboten, besonders Gefährdete hier zu evakuieren. Ich habe vorgeschlagen, im Rahmen einer europäischen Lösung zu versuchen, 5.000 Menschen in der EU zu verteilen, 2.000 bis 2.500 davon in Deutschland, sowie weitere 5.000 Menschen auf dem griechischen Festland aufzunehmen und dort mit unserer logistischen Hilfe für diese Menschen ein neues Camp zu errichten.

Für weitere 5.000 Menschen sollte über IOM, die Internationale Organisation für Migration, unter dem Dach der Vereinten Nationen die freiwillige Rückkehr in die Heimatländer organisiert werden. Es gibt entsprechende Programme, die im Übrigen schon vor dem Brand zunehmend in Anspruch genommen wurden.

Es gehört aber auch dazu, dass man diejenigen, die hier keinerlei Anstrengungen zeigen, zurückführen muss.

Wir haben im Rahmen unserer Aufnahmeprogramme erlebt – der Bund hat 220 Plätze von uns in Anspruch genommen –, wie schleppend das Ganze läuft.

Meine Damen und Herren, natürlich befinden wir uns in einer pandemischen Lage, die die Situation zusätzlich erschwert. Wir haben aber auch erlebt, dass die Europäische Kommission und die griechischen Behörden sehr schleppend arbeiten. Deswegen habe ich vorgeschlagen, dass es sinnvoll sein könnte, einen EU-Sonderbeauftragten einzusetzen, damit einer den Hut aufhat und die Sache entsprechend koordiniert.

Das heißt: Schon vor dem Brand haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht, wie man mit dieser Situation umgehen kann.

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es zunächst einmal um Soforthilfe. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen überhaupt ein Dach über dem Kopf bekommen. Wir haben der griechischen Regierung alle Hilfe angeboten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des THW sind vor Ort. Wir helfen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch ausdrücklich für die zivilgesellschaftliche Unterstützung bedanken, die dort geleistet wird, beispielsweise von „Solingen hilft e. V.“, einer kleineren NGO aus Nordrhein-Westfalen, der wir eine Spende haben zukommen lassen, weil sie sich unmittelbar um die Medikamentenversorgung vor Ort kümmert. Was Herr Dr. Zenses und seine Mitarbeiter dort leisten, ist vorbildlich, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Es geht darüber hinaus aber auch um die Evakuierung der Schwächsten. Deswegen haben wir dem Bund gegenüber auch noch einmal unsere Bereitschaft erklärt, in Nordrhein-Westfalen bis zu 1.000 Personen, und zwar kleine Kinder mit ihren engsten Angehörigen, Kranke und Frauen ohne Angehörige, sofort unterzubringen. – Dieses Angebot haben wir dem Bund vorgetragen.

Ich sage an dieser Stelle aber auch, Frau Kollegin Düker: Wir werden die Flüchtlingspolitik in Deutschland nicht kommunalisieren können, und wir werden sie auch nicht regionalisieren können. Natürlich muss der Bund am Ende die Koordination übernehmen.

Bei dem, was alles so schleppend läuft, wie ich eben beschrieben habe, auch bei den griechischen Behörden, glauben Sie doch nicht im Ernst, dass Thüringen oder gar die Spitzenverwaltung in Berlin in der Lage wäre, mit den griechischen Behörden ein

entsprechendes Programm unter pandemischen Bedingungen abzuwickeln. Ohne das Auswärtige Amt und ohne das Bundesinnenministerium werden sie das nicht schaffen. Deswegen brauchen wir hier eine gemeinsame Linie.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir brauchen auch eine gemeinsame europäische Lösung.

Ich füge auch ganz ehrlich hinzu – da wiederhole ich meine Kritik –: Hier kommt vom Bundesinnenminister und im Übrigen auch vom Bundesaußenminister – wir haben schließlich die deutsche Ratspräsidentschaft – einfach viel zu wenig.

(Beifall von der FDP)

Ich habe in der vergangenen Woche die Unterstützung der Länder noch einmal schriftlich im Bundesinnenministerium hinterlegt. Wir arbeiten auf Fachebene natürlich weiter mit dem Bundesinnenministerium zusammen und haben auch jetzt noch einmal den Kontakt bezüglich der konkreten Abwicklung des gestrigen Angebots gesucht. Selbstverständlich werden wir uns da entsprechend einbringen.

Aber was eine europäische Lösung angeht, kann es nicht der Anspruch der EU-Ratspräsidentschaft sein, dass man mal ein paar Abteilungsleiter in anderen Ländern antelefoniert und fragt, ob es dort Bereitschaft gibt. Dann muss ich in die Länder fahren und das konkret einfordern. Da kommt mir von Horst Seehofer leider zu wenig.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich finde, dass man am Ende einer Karriere ein Bundesinnenministerium auch nicht in Teilzeit führen kann.

Aber, meine Damen und Herren – und da spreche ich insbesondere die Fraktion der Grünen an –, man kann es sich auch nicht so leicht machen und durch Europaabgeordnete, die Bundestagsfraktion und hier im Landtag sagen, dann müsse Deutschland eben alleine voranschreiten. Was ist denn mit Ihrer Regierungsbeteiligung in Österreich?

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Warum wird denn von der europäischen Fraktion der Österreicher kein Druck ausgeübt? In Wahrheit sind die Grünen in der österreichischen Regierung mittlerweile nichts anderes als eine FPÖ mit Elektroantrieb, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Arndt Klocke [GRÜNE]: Das sagt der Wahlsieger von Sonntag!)

Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Zurufe)

Sie haben für das Ziel „Klimaschutz“ in Österreich die Menschenrechte verkauft. Wenn das Praxis in Regierungspolitik ist, dann gute Nacht, meine Damen und Herren, für Ihren moralischen Anspruch!

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte auch noch einmal eines klarstellen, weil es hier auch um die Fakten geht.

(Zuruf von Arndt Klocke [GRÜNE])

Wir sind dorthin gefahren und haben auch keine Reise abgebrochen. Es ist doch völliger Unsinn, was hier erzählt wird.

(Zurufe)

Wie das immer ist, wenn irgendeine politische Delegation ankommt, gab es in Moria eine Demonstration. Die gibt es übrigens in unseren Unterkünften auch. Wenn ich als Minister in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung komme, sind sofort 40 oder 50 Menschen da, die mit mir über ihren individuellen Fall diskutieren wollen. Das ist ganz normal.

In Moria war das aufgrund der Situation, dass das Lager in Isolation ist, natürlich einfach etwas aggressiver aufgeladen. Deswegen sind wir zunächst nach Kara Tepe in das andere Lager gefahren. Anschließend sind wir beide mit dem stellvertretenden griechischen Migrationsminister in dem sogenannten Dschungel, in dem wilden Teil, gewesen und haben dort ganz normal Gespräche geführt, unter anderem mit einer Vertreterin von Movement On The Ground, einer sehr engagierten und von der holländischen Regierung unterstützten NGO. Insofern sollte man hier bitte auch einmal die Fakten sehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])