Protokoll der Sitzung vom 16.09.2020

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir haben uns nicht nur dafür interessiert, sondern wir haben konkrete Hilfe angeboten. Das ist, glaube ich, etwas, was man als Land verantwortlich machen muss. Wir fordern vom Bund weiterhin eine bessere Koordination und mehr Engagement. Aber Nordrhein-Westfalen zeigt, dass Humanität und Ordnung gemeinsam gehen.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wo denn? Wo denn?)

Das muss eigentlich unser gemeinsamer Anspruch sein.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Wo denn, Herr Stamp?)

Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die Fraktion der SPD hat nun die Abgeordnete Frau Kapteinat noch einmal das Wort.

Sollten die nachfolgenden Rednerinnen und Redner noch Redezeit benötigen, wäre eine zusätzliche Zeit von 1 Minute und 20 Sekunden möglich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Die europäische Lösung, von der hier immer wieder gesprochen wird und die wir auch immer noch befürworten würden, ist Herrn Seehofer in den letzten Jahren und insbesondere in den letzten Monaten nicht gelungen. Denn – Sie haben ja recht – die Situation ist nicht erst seit dem 8. oder 9. September so. Er ist auf ganzer Linie gescheitert.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wir müssen einfach klarmachen: Europa hat einen anderen Anspruch an Menschlichkeit.

Bundeseinheitlich war immer wieder ein Tenor zu vernehmen. Bei Frau Wermer war nicht ganz klar: Will sie nur Europa oder nur bundeseinheitlich? – Aber bundeseinheitlich wäre möglich, wenn wir hier aus Nordrhein-Westfalen eine Bundesratsinitiative anstoßen würden. Wenn wir uns anschauen, wie viele Bundesländer ihre konkrete Hilfe schon angeboten haben – Sie selbst ja auch –, sehen wir, dass da etwas passieren kann. Und dann haben wir einen bundeseinheitlichen Weg.

Frau Wermer, es ist albern, auf Außenminister Heiko Maas zu verweisen. Sie wissen ganz genau, dass es Horst Seehofer von der Union ist, der hier blockiert. Das ist jedem klar.

(Beifall von der SPD)

Dabei muss man eines deutlich sagen. Frau Düker hat eben schon Herrn Röttgen angesprochen, der sich für 5.000 Flüchtlinge starkgemacht hat. Aber auch hinauf bis zum Entwicklungsminister verschaffen sich die Stimmen in der Union immer mehr Gehör, die fordern, sich für eine Aufnahme einzusetzen.

Wir finden eine europäische Lösung alle gut. Aber im Moment geht es darum, Menschenleben zu retten. Wenn Europa das derzeit nicht hinkriegt, müssen wir eben alleine tätig werden. Lieber Herr Lenzen, da brauchen wir kein reines Entsetzen; da müssen wir tätig werden. Es gibt Länder in der EU, die bereit sind, zu helfen. Schon vor Monaten war das so. Es wurde immer wieder von einer „Koalition der Willigen“ gesprochen. Dann lassen Sie uns diese Koalition doch nutzen. Dann lassen Sie uns doch nicht darauf warten, dass wir 27 Länder an einen Tisch bekommen.

Ein Europa, das sich nur auf Subventionen und Reisefreiheit versteht, ist nicht mein Europa. Darum bitte ich Sie erneut: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der CDU hat nun der Abgeordnete Herr Franken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Düker, das, was mir von Ihrer Rede speziell im Ohr geblieben ist, ist die Aussage, dass Gesamteuropa auf Abschreckung setzt. Ich muss Ihnen sagen, dass ich diese Aussage, auf Deutschland bezogen, mit Blick auf 2015 und all das, was wir hier auch in der Zivilgesellschaft geleistet haben, wirklich unerträglich finde.

(Beifall von der CDU und der FDP – Arndt Klo- cke [GRÜNE]: Das hat sie doch überhaupt nicht gesagt! Sie sollten einmal zuhören!)

Herr Klocke, Sie können sich abregen; es kommt noch mehr.

Hört man sich die gesamte Debatte hier an, dann hat man, speziell bei den Grünen, immer wieder das Gefühl, dass es weniger um Humanität als um irgendwelche politischen Geländegewinne geht. Sie können diesen Eindruck einfach nicht abstreiten.

Wenn man sich anschaut, wie Sie beim Thema „Muss man nun europäisch denken, oder brauchen wir den Nationalstaat?“ hin und her laborieren, wird dieses Treiben offenkundig. Denn Sie, Frau Düker, haben sich im Februar 2019 kurz vor der Europawahl ganz europäisch gegeben. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

„Getrieben von Rechtsaußen steigern sich doch viele Regierungen in Europa allzu oft in nationale Egoismen und populistische Scheinlösungen. Es hängt jetzt entscheidend vom gemeinsamen Einsatz der Proeuropäer und -innen ab, welche Richtung die EU einschlagen wird“

(Monika Düker [GRÜNE]: Genau!)

„und ob sie am Ende scheitern wird oder zu neuer Stärke und Handlungsfähigkeit findet als europäische Demokratie.“

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier aber fordern Sie nationale Alleingänge. Das passt einfach nicht zusammen. Das können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen. Bei all Ihren Reden, bei all Ihren Beiträgen, auch schon in den letzten Monaten, kommt immer wieder hervor, als hätten Sie die Moral für sich gepachtet, als wären Sie als Grüne die moralische Instanz und wir alles nur gefühlskalte Unmenschen. So geht man nicht miteinander um.

(Beifall von der CDU und der FDP – Arndt Klo- cke [GRÜNE]: Vielen Dank für die Belehrung! Kommen auch mal inhaltliche Argumente?)

Wir alle haben natürlich die Bilder vor Augen, die zeigen, in welchen Zuständen die Menschen vor Ort

hausen, welches Leid dort entsteht. Die verstörenden Bilder gehen doch an keinem von uns spurlos vorbei. Dabei ist es umso wichtiger, dass wir sachlich auf das Thema schauen.

Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass dieser Bieterwettbewerb um die höchsten Zahlen in Deutschland endlich aufhören muss. Man gewinnt ja den Eindruck, derjenige, der die höchste Zahl ausruft, sei der Barmherzigste. Er stellt sich ja selber auch so dar.

Plakativ wird heute im Antrag der SPD die vollständige Räumung von Moria und die Evakuierung aufs Festland gefordert. Aber was dann? Wer hilft dann? Welche Konzepte stehen dann bereit? All diese Fragen bleiben offen. Einfach mal fordern! Es wird schon irgendwie etwas hängen bleiben.

Entscheidend ist doch weniger die Frage, wie viele Menschen wir retten, sondern, wen wir retten. Wenn wir Schutzsuchende aus Moria aufnehmen, dann doch zuerst jene, die unserer Hilfe am dringendsten bedürfen: die Kinder, die Frauen, alte und kranke Personen. Mit allem, was darüber hinausgeht, würde ein folgenschweres und falsches Zeichen gesetzt.

Nach dem verheerenden Brand hat der griechische Ministerpräsident sehr deutlich gemacht, dass er nicht erpressbar ist. Auf den griechischen Ägäis-Inseln leben insgesamt mehr als 35.000 Asylsuchende. Bei diesen darf nicht der Eindruck entstehen: Lege nur ein Feuer, dann wirst du schon gerettet. – Denn erste Nachahmer gab es ja in der vergangenen Nacht bereits.

Wir haben nicht nur eine Verantwortung gegenüber den Asylsuchenden, sondern auch eine Verantwortung gegenüber der griechischen Regierung, den Bewohnern der Ägäis-Inseln und insbesondere auch der Polizei vor Ort, die jetzt unsere Unterstützung brauchen.

Da kocht die AfD mit ihrem Singsang von „Wir gegen die bösen Brandstifter“ – auf einmal werden alle Flüchtlinge zu Brandstiftern – und „Jetzt will man auf einmal auch noch kriminelle Brandstifter ins Haus holen“ ihr typisches populistisches Süppchen. Aber ganz sachlich betrachtet: Nicht jeder Flüchtling auf Moria ist ein Brandstifter. Es sind einige wenige. Aber gibt ein Vielfaches an unschuldigen Opfern, die unter dieser Tat zu leiden haben. Diese brauchen natürlich Hilfe.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb bin ich der Landesregierung sehr dankbar dafür, dass sie sofort angeboten hat, 1.000 Flüchtlinge aufzunehmen, damit den Hilflosesten Schutz gewährt werden kann.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Es passiert doch nichts!)

NRW ist also bereit, einen Beitrag zu leisten. Aber wichtig ist auch, dass dies nicht unabgestimmt

passiert. Sie fordern ja, man müsse vorangehen. Ich meine, das tut die Landesregierung, indem sie auf Bundesebene fordert und Gespräche führt. Aber wichtig ist beim Vorangehen doch auch, dass man sich während des Gehens ab und zu einmal umschaut und guckt, ob irgendwer mitgeht und ob irgendjemand einen unterstützt und einem den Rücken stärkt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich kann nicht nachvollziehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, weshalb Sie so vehement auf einen nationalen Alleingang drängen – als hätten Sie die Ereignisse von 2015 und 2016 vollständig vergessen. Wir haben diese Bilder und diese Situation noch gut vor Augen.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das ist doch nicht vergleichbar!)

Deswegen sind wir gegen nationale Alleingänge, und deswegen brauchen wir diesen gesamteuropäischen Ansatz.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Blanke Panikmache!)

Geht die Bundesregierung bei diesem Problem alleine voran, besteht genau dieselbe Gefahr wie beim letzten Mal – nämlich, dass die anderen Länder sich auf unserem Aktionismus, auf unserer Tätigkeit ausruhen und wieder untätig bleiben. Und das dürfen wir nicht riskieren.

(Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Also möchten Sie lieber, dass gar nichts passiert?)