Protokoll der Sitzung vom 16.02.2000

Ein1; VerfC)ssung kann u~d darf nicht Wunschzettei unreali

sierbarer Vorstellurigen einzelner BOrger und Interessengrup

P-en sein. Deshalb haben wir:auf die Bremse gedrückt, als es um die Frage ging, wie viele neue Staatsziele in die Verfas

sung hineinkommen sollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ·vielleicht fragen Sie, warum stimmt die CDU dieser Verfassungsänderung nach diesen kritischen Worten zu? Auch die CDU sieht die Notwendigkeit ·einer Aktualisierung der bislan_g geltenden Verfas

sun!~; denn - das ist ,Konsens - eine Reform war überfällig.

Auch dje Eigenheit eines Kompromisses ist es, dass sich jede Seite in diesem wiederffnden muss.

So tragen wir die neuen Staatszielbestimmungen.trotz der genannten Bedenken mit. Aber Sie dürfen sich darauf verlassen, dass wir in der Zukunft darauf achten werden, dass sich die neu aufgenommenen Staatsziele nicht Schritt f(lr Schritt zu Leistungsansprüc:hen gegenüber dem. Staat entwickeln.

Ich komme zu Punkt 2:.Parlamentsreform. - Ich nenne das Stichwort.,Verkleinerung des· Parlaments". Ich habe bereits in der ersten Lesung ausgeführt, aus unserer Sicht wäre ein mutiger Schritt notwendig gewesen. Dazu hätten viele von Ihnen über den eigenen Schatten springen müssen. Dabei ist doch allgemeine Auffassung,.dass eine Schlankheitskur des Staates überfä.llig ist. Die CDU ist der festen Überzeugung, Landtag und Regierung werden hier früher oder später mit gutem Beispiel vorangehen müssen.

·Ich komme zu Punkt 3:_ Wirtschaftsverfassung.- Hier wird in

Zukunft- ich denke, da waren wir uns e_inig - Raum für eine umfassende Neuerung sein. Zum Ausdruck kommt dies etwa in dem nach wie vor bestehenden Artikel 61 der Landesverfassung; denn wer in diesem Hause hält die Regelung für

· zeitgemäß, wonach Grund und Boden, Naturschätze und_Pro

duktionsmittel zur Vergesellschaftung in Gemeineigentumoder in andere Formen der Gemeinschaft überführt werden können.

(Zuruf von der SPD)

Wir waren uns deshalb auch in den Vorberatungen einig, dass diesbezüglich weiterer Reformbedarf besteht.

Meine sehr verehrten DameA und- Herren, Reformbedarf.be

steht auch hinsichtlich einer weitereTJ Sicherung der Selbstverwaltung der Kommunen und insbesondere ihrer Finanz

. ausstattung. Es stellt sich also konkret die Frage, ob das Kon

nexitätsprjnzip in der Verfassung verankert werden soll. Dies haben - das ist bekannt- SPD und F.D.P. in den Vorberatun

gen abgelehnt. Aber wir als CDU sind schon der Auffassung, dass die Diskussion fortgeführt werden muss und nicht beendet ist.

Meine Damen und Herren, wir sehen also, dass es auch in Zukunft von Zeit zu Z~it einen Anpassungsbedarf 'der Verfas

sung an gesellschaftliche und politfsche Entwicklungen ge

ben wird: Damit sind jedoch nicht Änderungen gemeint, die vermeintlich modern sind, in wa·hrheitjedoch eine Mode darstellen. Es wird immer ein Spannungsfeld zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit geben·.

Meine Damen und Herren, abschließend lässtsich feststellen, eine Verfassungsreform eignet sich nicht zur_Profilierung einzelner Parteien und Interessengruppen; denn eine Verfassung ist das Fundament, auf dem alle solidarisch stehen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entscheidend ist, dass sich die Bürger_ und_ alle, die die Verfas

. sung tragen, mit ihr identifizieren können.' Wir alle tragen den Staat und sind nicht getragen von den Schwächen der Jeweils anderen ParteL.Deshalb soflten wir.uns gegenseitig respektieren und nicht dem ~rrtum verfallen, auf Dauer von den Fehlern der anderen leben zu können.

Vielen Dank.

(Anhaltend Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Freydas Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofs!. Die rheinland-pfälzische tandesverfassung wurde seit dem Erlassam 18. Mai 1947 33-mal geändert. Grundlegende ~oderu.ngen hat sie dabei jedoch selten erfahren. Daher genießt die Landesverfassung in unserem Rechtssystem Autorität und auch eine gewisse lnimunitätge

_genüber tagespolitischem Hand! ungsbedarf.

Deshalb ist es wichtig, dass Verfassungsänderungen nur dann infrage kommen,.wenn hierfür ein breiter Konsens vorhan" den ist ·und diese Änderungen auch in unserer Gesel.lschaft akzeptiert werden. Die jetzt vorzunehmenden Än_derungen

sind über viele Jahre sowohl irh Parlament als auch in den Fraktionen und Parteien sowie in der Gesellschaft breit disku

tiert worden. ln der 12. Legislaturperiode hat sich die Enquete-Kommission.,Verfassungsreform" und in der lau

fenden Legislaturperiode die E_nquete-Kommission.,Parla

mentsreform"· mit Fragen der Landesverfassung intensiv be

schäftigt. Hieran wurde auch die Öffentlichkeit sehr intensiv beteiligt.

Diese Diskussionen sind nun glücklicherweise zum Abs-chluss gekommen. Es ist ein breiter parlamentarischer Kompromiss getroffen worden, wenn man auch nach der Rede des Herrn

Kolleg~n Berg vielleichtwieder daranzweifeln kann, dass die Landesve(fassung geändert werden soll. '''

Für die F.D,P.-Fraktion erkläre ich ·ausdrücklich, dass uns die Reform qer Landesverfassung seit langem aJl! Herzen liegt und wir sehr-froh sind; dass endHch ein tragfähiger Komprom'iss gefunden werden konnte. Hierbei wurden auch yiele langjährige Forderungen der F.D.P. berücksichtigt. Ich.ver

schweige jedoch nicht, dass wir noch weiteren Handlungsbedarf sehen.

Lassen Sie mich ·auf diesen Handlungsbedarf eingehen; denn in der Wirtschaftsverfassung unseres Landes. entsprechen

manche Bestimmungen nicht mehr dem aktuellen Stand der politischen und gesellschaftlichen Diskussion.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der ganze Abschnitt gehört überarbeitet!)

Wir Liberale sind deshalb der Meinung, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Enquete-Kommission zur Überarbei

tung der Bestimmungen der Wirtschaftsverfassung ~inge setzt werden sollte. Es hat keinen Sinn, diese Bestimmungen bereits jetzt im Rahmen der Verfassungsreform zu reformie

ren; denn wir benötigen eine intensive Diskussion, die iri die

sem Bereich bisher noch nicht geführt word_en ist. Ich weise darauf hin, dass bereits in der Enquete-Kommission "Verfassungsreform" über Einzelfragen gesprochen worden ist. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung auf wissenschaftlichem und politischem Gebiet istjedoch noch nicht erfolgt. Das soll

ten wir nicht aus den Augen verlieren und die Reform der Wirtschaftsverfassung nach den - Landtagswahlen im Jahr 2001 auf die politische Agenda setzen.