Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

wie ich, dass unsere Ausländerbehörden an diese FeststellunW'

gen, die sie in diesen Bescheiden, in den Urteilen und in den Gerichtsbescheiden bekommen, gebunden sind und dass auch wir als Petitionsausschuss darangebunden sind. Es darf

picht sein, dass wir den Eindruck erwecken, dass wir die Ent

scheidungen unserer unabhä':lgigen Gerichte mit einem Fingerzeig oder einem Wegwischen einfach vom Tisch bewegen

können·.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wissen, dass ich das nicht gefordert habe!)

Ich habe Verständnis dafür, dass dieser junge Mann Bedenken um seine eigene Sicherheit hat. Dann müssen wir ab~:;r

das Verfahren durchlaufen, das dafür vorgesehen ist. Als Petitionsausschuss sind wir auch nicht in der Lage, Rechtsrat zu geben. Das will ich auch gar nicht tun. Er war aber auch anwaltlich vertreten. Vielleicht sollte man sich über diese Schie

ne überlegen, das eine oder andere noch in die Wege zu lei

Das Land hat leider Gottes in diesem Bereich keine Einflussmöglichkeiten. Auch - das haben Sie selbst zitiert - aus der

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage eines POS-Abgeordneten ergab sich, dass die Berichterstattung in der Pro-Kurdischen-Zeitung bisher 'nicht verifiziert ist. Ich will das nicht näher beleuchten; denn· es muss auch überprüft 'werden, was vorgebracht worden ist.

Ich bin der Meinung, wir sollten die Verfahren nutzen, die uns zur Verfügung-stehen. Diese Verfahren sollten.auch die beiden jungen Kurden nutzen. Wir können aber leider Gottes nicht anders verfahren, als es d~s Gesetz vorschreibt. Wenn wir uns selbst über das Gesetz hinwegsetzen, können wir auch nicht von Bürgerinnen und Bürgern verlangen, dass diese die Gesetze auch anwenden.

Vielen Dank.

(Beifall der F.D.P. und der SPD}

Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Zuber.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Geschwister, um die es geht, sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Am 15. Dezember 1994 reisten sie als Minderjährige nach eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten am 22. Mai 1995 die Anerkennung als Asylberechtigte beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.

Mit Bescheid vom 9. Juni 1995 lehnte das Bundesamt die Asylanträge ab. Zur Begründung führte es an, dass die Betroffenen zwar den Einreisestaat nicht benennen könnten, es jedoch als sicher unterstellt werden könne, dass ihre Einreise· über einen sicheren Drittstaat erfolgt sein müsse·. Das Bundesamt stellt ferner _fest, dass kein politisches oder sonstiges Abschiebehindernis vorliegt.

Aus dem Vorbringen der Geschwister ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatstaates aufhalten oder bei Rückkehr mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müss~n. Den Geschwistern wurde daher mit Bescheid des Bundesamts vom 9. Juni 1995 die· Abschiebung für den Fall einer nicht freiwilligen Ausreise aus dem Bundesgebiet angedroht.

Gegen beide Geschwister wurde unfer anderem wegen

schwer~n Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte am 16. Februar 1999 die im Antrag der Fraktio.n BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genannte St~afanzeige erstattet. Der Ausgang dieses Verfahrens ist nicht bekannt. Ausländerrechtlich istdies auch nichtvon Belang.

Die gegen den negativen Bescheid des Bundesamts ~ür die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 14. April 1999, rechtskräftig seit dem 27. Mai 1999, abgelehnt.

Nachdem eine freiwillige Ausreise der Genannten nicht er

folgte, wurden die Geschwister von der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 27. September 1999 auf die bestehende

Ausreiseverpflichtu-ng hingewiesen. Weiter hat die Ausländerbehörde den Betroffenen Unterstützung bei einer freiwilligen Ausreise. angeboten und sie über die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Vertrauensanwalts sowie der Informa

tion der Auslandsvertretung aufgeklärt.

Als die Geschwister auch von diesem Angebot keinen Ge. brauch machten, kündigte die Ausländerbehörde ihnen mit Scheiben vom 29. Februar 2000 die Abschiebung in ihr Hei

matlimd fürden 2. März 2000 an.

Am 28. ·Februar 2000 beantragten die beiden Geschwister beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Schreiben ihres Rechtsanwalts, datiert vom 25. Februar 2000, die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens, um das Verfahren zur Feststellung von Abschiebehindernissen nach § 53 des Ausländergesetzes wieder aufzugreifen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Geschwister exilpolitisch im Bundesgebiet in Erscheinung getreten seien und sich ein Cousin, der- nach seiner Rückkehr in die Türkei zum Wehrdienst eingezogen worden sei, dem· Wehrdienst entzogen habe und später dann Selbstmord begangen habe.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlin

ge teilte der Ausländerbehörde mit Fax vom 29. Februar 2-000

mit, dass kein weiteres Ayslverfahren durchgeführt werde, weil die vorgetragenen exilpolitischen Akti~itäten erst zu einem recht späten Zeitpunkt entfaltet worden seien und dass diese vorgetragenen Aktionen vordringlich dazu gedient hätten, Nachfluchtgründe zu schaffen. Nach Einschätzung des Bundesamtes habe es sich dabei nicht um eine exponierte exilpolitische Aktivität gehandelt, die eine besondere -Auf

~erksamkeit beispielsweise der türkischen Auslandsgeheimdienste erzeugt haben könnte. Insoweit sei von einer besonderen Gefährdung nicht auszugehen..

Auch der angeführte Bezug zu dem angeblichen Schicksal des Cousins der beiden würde zu keiner positiven Entscheidur.~g führen.

Am 1. März 2000 beantragte der Rechtsanwalt der Geschwister beim Verwaltungsgericht Neustadt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und legte gleichzeitig eine Petition zugunsten seineJ Mandanten beim Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz vor.

Aufgrund dieser anhängigen Petition habe ich die Ausländer

behörde mit Fax vom 1. März 2000 angewiesen, die für den Tag darauf beabsichtigte Abschiebemaßnahme bis zum Abschluss des Petitionsverfahrens zu unterlassen. Der genannte

Eilantrag wurde daraufhin vom Rechtsanwalt der. Geschwister zurückgezogen.

Der Bürgerbeauftragte wurde von mir am 20. März 2000 hin

sichtlich der Gewährung eines Bleiberechts.für die Geschwister informiert, dass die Verfahrensweise der Kreisverwaltung in· fachaufsichtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sei. Da das Petitionsverfahren am 21. März 2000 nicht abge

schlossen werden konnte, habe_ich die Kreisverwaltung mit Schreiben vom 29. März 2000 angewiesen, bis zum Abschluss des Petitionsverfahrens von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber den beiden Geschwistern abzusehen: Den Bürgerbeauftragten habe ich über diese Weisung in Kenntnis gesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl das Bundesamt als auch das mit dieser Asylangelegenheit befasst~ Verwaltungsgericht haben sich ausführlich und umfassend mit dem Verfolgungsschicksal der Geschwister unter Berücksich

. Ügung der Situation in ihrem Heimatland auseinandergesetzt und konnten dem Vorbringen letztlich keine asyl-. bzw. aufenthaltsrechtliche Relevanz beimessen.

Nach den geltenden asylrechtliehen Bestimmungen entscheidet das Bundes~mt ·für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge nicht nur über die Frage der eigentlichen Asylberechtigung, sondern auch über die Aufenthaltsbeendigung nach negativem Abschluss des Asylverfahrens. Ebenso hat das Bundesamt über etwaige Nachfluchtgründe politischer Art sowie über andere Abschiebungshindernisse, die auf Gründen beruhen, die ihre Ursache im Heimatland des Asylsuchenden haben, zu befinden. Dementsprechend war die Kreisverwaltung als zuständige Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer

Flüchtlinge bzw. der Verwaltungsgerichte strikt gebunden.

Eine Korrektur der einmal getroffenen und von d~n Verwaltungsgerichten überprüften Entscheidung· des Bundesamts

·durch die Ausländerbehörde oder gar durch das Ministerium des lnnern und für Sport ist bergleieher Sachlage von Gesetzes wegen ausgeschlossen.

. Noch ein Wort zum Schicksal des Cousins: Nach den mir vor

liegenden Informationen ist der Cousin der genannten Geschwister nicht zwangsweise, sondern freiwillig vor Abschluss seines Asylverfahrens in die Türkei zurückgekehrt, nachdem

· er bereits mehrfach sowohl vor der zuständigen Ausländerbehörde des Landratsamts als auch gegenüber Beamten des Bundesgrenzschutzes erklärt hatte, dass er beabsichtige, freiwillig in die Turkei zurückzukehren.