Protokoll der Sitzung vom 15.06.2000

Grundsatz ist manches von dem, was Sie fordern, im Antrag der Koalitionsfraktionen enthalten, mehr Selbstständigkeit für die einzelne Schule; interne und externe Evaluation und ähnliche Dinge mehr. Ich meine nur, Sie gehen in einigen wesentlichen Punkten den falschen Weg. Durch die Einrichtung von neuen Gremien, wie einem von Ihnen geforderten Schulforum, oder durch das von oben verordnete Erstellen eines Schulprogramms werden wir keine Qualitätsverbesserung erzielen. Man kann nicht auf der einen Seite mehr Selbstständigkeit für die Schulen fordern, gleichzeitig auf der anderen Seite wollen, dass der Schulalltag in Einzelheiten stärker ver

_regelt wird, wie es hier der Fall ist und wie es in Ihrem Schul-. gesetzantragzum Ausdruck kommt.

(Beifall bei der SPD)

Hier muss ein anderer Weg gegangen werden. Deshalb freue ich mich über den Antrag der Koalitionsfraktionen und begrüße ih.n ausdrücklich, weil dieser Antrag tatsächlich geeignet ist, die Bemühungen der Landesregierung, die Stärkung der Qualität unserer jetzt schon guten rheinland-pfälzischen Schulen nachhaltig zu unterstützen.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Ich begrüße zunächst weitere Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag, und zwar Mitglieder des Bauernvereins Kruft. Herzlich willkommen.

(Beifall im Hause)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn AbgeordnetenGeis das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will etwas ZUIT] Bereich der leistungsorientierten Komponenten in der Lehrerbesoldung sagen. Es gibt einige erfreuliche Aspekte der Diskussion, die wir nicht, nur weil es so üblich ist, wieder zerreden sollten. Vernünftig ist das Thema in Verbindung mit der Diskussion um die Qualität von Bildung und Schule. Das ist auch schon gesagt worden. Ein zentraler Teil dieser Diskus

sion ist die Rolle. der. Lehrerinnen und Lehrer, ihre Ausbildung, ihre Arbeitszeiten, ihr Engagement und daraus resultierend auch ihre Bezahlung.

Wir alle wollen Qualitatsmanagement, Qualitätssicherung, Qualitätsoffensive. ·Le_istungsmessung, Bewertung, Gratifika

tion' sind dabei wichtige Bestandteile, die nicht nur für Schü

lerinnen und Schüler gelten sollen. Besonders erfreulich gera

. de in der bÜdungspolitischen Debatte ist, dass der heutige Antrag im Endeffekt von allen Parteien gemeinsam getragen worden ist. Damit ist ausge_drückt, dass wir uns im Ziel eihig sind und sich auch keine Gruppierung anmaßt, den richtigen Weg bereits zu wissen.

Das Thema.,Leistungsorientierte Bezahlung" wird, nicht nur für den Schulbereich, vielerorts nicht nur in den gewohnten Konstellationen diskutiert. Gerade engagierte Lehrerinnen · und Lehrer- ich habe in letzter Zeit mit vielen gesprochen

·fürchten Anpassungsdruck ünd denken, es könnte durch Einschmeicheln vielleicht ein falscher Eindruck entstehen. Auf der anderen Seite sagt eine Frau aus dem Elternbeirat, es müsse Tests wie in den USA in diesem Bereich geben. Lange Diskussionen wird es auch zu der Grundsatzfrage geben, wer vorschlägt und wer im Endeffekt entscheidet..

Alles in allem ist das sicher keine leichte Aufgabe. Deshalb begrüßen wir auch ausdrücklich die vorsichtige, aber dennoch konkrete Annäherung des Ministeriums ~m das Thema. 'Niemand spricht auch von leistungsgerechter Bezahlung- das

festzustellen und umzusetzen, wäre ~och viel schwieriger-, sondern von leistungsorientierten Komponenten. Die kon

kreten Vorschläge- darüber waren wir uns auch im Ausschuss einig -sind ein erster Schritt. Es wird für die Zukunft ein System von Anreizen aufgebaut werden müssen. Das wird aber ein Prozess sein, bei dem viele einbezogen sind, gerade weil es bisher keine Vorbilder dafür gibt und weil wir bundesweit in gewisser Weise eine Vorreiterrolle mit diesen Plänen haben.

Das heißt, nach diesem ersten praktischen Schritt, der vernünftig ist, muss die Gesamtthematik weiter diskutiert werden. Dabei sollten durchaus auch die Lehrerkollegien, Schüler

und Elternvertretungen mit einbezogen werden: Die wiederum von uns allen gewollte Stärkung der Schulautonomie. könnte durchaus auch hier konkrete Auswirkungen haben. Wenn Schulleiterinnen und Schulleiter- das ist eben gesagt worden·- die Entscheidungsbefugnis haben, Prämien zu ver

teilen, haben sie eine hohe Verantwortung. Zum einen geht das in die Richtung Selbstbestimmung und SelbstVerantwortung der Schule, die seit langem diskutiert wird, zum anderen wird sich zeigen müssen, wie praktikabel dieser Weg ist, damit die anderen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten einbezogen werden können und müssen.

Wie die Verantwortlichen diesen ersten S.chritt auch schon tun, sollte ihrer Kreativität und Fantasie überlassen bleiben.

Es gibt sicher auch sehr.·unterschiedliche Formen von demokratischer Schulkultur, die hier wirksam werden können und auch werden. Leistungsprämien zu vergeben, ist ein Einstieg, schwierig genug in der Abwägung, aber sicher noch leichter zu begründen, als Entscheidungen über Zulagen zu treffen, die Leistungen dann über einen längeren Zeitraum, auch für die Zukunft zu erwartende, beurteilen müssen.

Vernünftig istsicher die Prämierung als Geld Ieistung. Anrechnungsstunden zu gewähren, würde bedeuten, diejenigen aus der Unterrichtsverpflichtung zu nehmen, von ·denen auch in diesem Bereich große Leistungen im Vergleidi zu anderen zu erwarten sind. Die schwierige Aufgabe festzustellen, wer eine Prämie verdient hat, kann letztlich den Schulleitungen nicht abgenommen werden. Deshalb kann und sollte es auch

-·der Herr Minister hat es gesagt- keinen festen Kriterienkatalog geben. Es ~enügt sicher, Beispiele zu formulieren und damit Anregungen zu geben.

Schule ist so vielfältig und muss es auch sein, dass sehr unterschiedliche Leistungen prämiert werden können.. Es können meines Erachtens eher umgekehrt· aus Prämierungen Anregungen für andere Schulen entstehen, die eventuell in diese Richtung noch nicht gedacht haben. Nachdenken muss man darüber, wie angestellte Lehrkräfte berücksichtigt werden können. Junge Lehrerinnen und Lehrer- oft besonders engagiert- könnten diesen Anreiz natürlich auch besonders gut brauchen. Hier sollte versucht werden, Regelungen zu finden, diesen Perseinenkreis auch in die Prämierung einbeziehen zu können.

Ein Überdenken von Konventionen ist nötig. Lehrerinnen und Leh~er haben eine verantwortungsvolle und schwere Aufgabe, deren Bedeutung gerade in Zeiten einer rasanten gesellschaftlichen, vor allem auch technologischen Entwicklung und einem gleichzeitigen Rückzug vieler Eltern aus der Verantwortung für die Erziehung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie leisten in der Regel mehr- zeitlich und qualitativ -, als von ihnen verlangt wird. Es ist von den Vorrednern schon gesagt worden. Ich· kann das gern noch einmal unterstreichen. Dafür können und sollten wir ihnen alle· unseren Dank sagen.

(Beifall bei der SPD)

Aber wir müssen auch den Mut zu einer Diskussion haben, die Qualität nicht nur nach der Zahl der wöchentlich erteilten reinen Unterrichtsstunden bemisst. Professor Klaus Klemm sagt lapidar: Die Lehrerarbeit ist ungerecht verteilt. Es kann nicht sein, dass Dienst nach Vorschrift belohnt und Engagement quasi bestraft wird. Alle pädagogischen Tätigkeiten müssen berücksichtigt werden, Unterschiedliche Vor- und Nachbereitungszeiten, aber auch. Beratungszeiten, Öffentlichkeitsarbeit für die Schule, Betreuung von Arbeitsgemeinschaften oder zum Beispiel der Hornepage für das Internet.-.

Die Bereitschaft zu einer ergebnisoffenen Diskussion ist auf allen Seiten nötig. Mit Verlaub, alles andere wäre auch. langweilig. Der Status und die Besoldung von Lehrerinnen und Lehrern ist ein zentraler Bestandteil - auch das ist schon gesagt worden·_ von Qualitätsmanagement, von guter Schule,

um es allgemein verständlich auszudrücken. Viele gute Ideen sind gefragt. Viele sollten sich in Zukunft._an dieser relativ

· neuen Diskussion für den Schulbereich beteiligen. Ein erster vernünftiger Schritt ist getan.

Ich will noch ein paar Sätze zum Thema "Gewalt an der Schule" sagen. Die Sensibilität für diesen Themenbereich ist gewachsen, zum Teil auch die Problematik, aber nicht überall. Vor kurzem hatte ich eine Veranstaltung mit über 100 Lehrerinnen und Lehrern, Schülern, Elternvertretern. Dabei waren sieben verschiedene schulpolitische Themen zur Diskussion. angeboten. Über ein Viertel der Anwesenden hat sich für eine Arbeitsgruppe entschieden, in der ein Lehrer und ein Polizist ein handlungsorientiertes Angebot zum Thema "Gewaltprävention" gemacht haben. Das heißt, es gibt eine hohe Bereitschaft zum Engagement, und es gibt viele Beispiele guter Zusammenarbeit verschiedener Partner.

Auch dieser Bereich passt besonders gut zu unserem großen Thema "Qualität der Bildung" und speziell "Qualität jeder einzelnen Schule". Mit Gewaltprävention kann und m~ss man sich generell, nicht nur für den Bereich der Schule, befassen. Da gibt es inzwischen viel Sachkompet~mz und viele gute Angebote. Aber wenn es konkret wird, ist die Schule vor Ort gefragt. Je besser die demokratischen Strukturen in einer Schule im Zusammenspiel von Schulleitung, Kollegium, Elterri,'Schülerinnen und Schülern, Trägern sind, umso besser werden die MögliChkeiten sein, sich gegen Gewalt zu weh- · ren.

(Glocke des Präsidenten)

Da~ ist beileibe nicht eine Sache, die nur Lehrerinnen und Lehrer angeht. Da haben wir alle unsere Verantwortung. Eine Lösung wird es auch nur im Zusammenspiel vieler Partnerinnen und Partner geben.

Zum Schluss: Wir sollten aas Thema "Gewalt" weder verharmlosen noch dramatisieren. Wir sollten die vielen guten Ansätze der Prävention unterstützen - insgesamt und jeder einzelne von uns-, wo wir vor Ort Gelegenheit dazu haben.

Danke schön.

(Beifall der SPD und des. Abg. Kuhn, F.D.P.)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Ernst das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir einige Anmerkungen zu unserer Großen Anfrage "Lehrerbelastung durch Gewalt an Schulen". Wenn man sich umschaut, könnte es auch heißen: Keine Rednerbelastung durch allzu großes Plenum.

Meine Damen und Herren, das Gewaltproblem an rheinlandpfälzischen Schulen verschärft sich. Ich de_nke, das ist unbestritten. (ltzek, SPD: Das war eben etwas ganz Schlaues!)

Mit großer Verwunderung haben wir deshalb die Antwort der Landesregierung auf unsere Frage gelesen.~ Ich zitiere:

.. Der Landesregierung liegen weder eindeutige statistische Daten noch empirisch und soziologisch ·gesicherte Erkenntnisse über eine Zunahme von Gewalt an Schulen vor."

·(staatsminister Prof. Dr. Zöllner:

Das ist richtig!)

M_eine Damen und Herren, da reicht meistens schon ein Blick auf den Schulhof in der Pause.