Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Insgesamt kann man feststellen, dass unsere Zivilgerichte zü

gige Entscheidungen treffen. Das gilt sowohl für die Amtsge

richte als auch für die Landgerichte~ dies bei einem äußerst rationellen Personaleinsatz. Wenn man nun allerdings der Meinung ist- die Bundesregierung scheint diese Meinung zu haben -, dass man das Zivilverfahren unbedingt- reformieren muss, dann gibt es für meine Fraktion eine Reihe von Ge

sichtspunkten, die dabei unbedingt BerOcksichtigung finden müssen.

Bemühungen um eine weitere Vereinfachung und Beschleunigung des Zivilprozesses müssen der Tatsache Rechnung tra

gen, dass eine Vermehrung der Stellen fOr Richter und Folge

personal bei den Gerichten nur sehr schwer möglich sein wird.

(Beifall desAbg. Berg, CDU)

Es muss darauf geachtet werden, dass die Funktionsfähigkeit des Zivilprozesses bei den bewährten Verfahrensstrukturen erhalten bleibt. Wir brauchen einen rationellen Einsatz des

vorhandenen Personals. Ich könnte mir auch vorstellen, dass weitere Binnenreserven erschließbar sind.

Wenn es nun zu einer Reform kommen soll, dann haben wir folgende Forderungen für das Land Rheinland-Pfalz: Es muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass wir uns hier in einem Flächenland befinden, das heißt, wir brauchen bürger

nahe Gerichtsstandorte in der ersten und in der zweiten ln

stanz. Wir brauchen keine Türschildlösung in Form von Au

ßensenaten. Wir wollen gewährleistet sehen, dass die Bürge

rinnen und Bürger, wenn sie Recht bei den Gerichten suchen, kurze Fahrwege haben. Wir wollen, dass der Rechtsschutz auch im ländlichen Raum gewährleistet ist. Das gilt sowohl für das Amtsgericht als auch für das Landgericht. Das gilt für die erste Instanz, aber auch für die Berufungsinstanzen.

Ferner müssen wir darauf achten, dass der Landeshaushalt nicht mit zusätzlichen Personal-, Sach- und Baukosten belas-

tet wird. Deswegen ist eine Zusammenfassung von Berufungen und Beschwerden bei den ortsfernen Oberlandesgerichten nichtder richtige Weg.

Als weitere Forderung wird seitens der F.D.P.-Fraktion erho

ben, dass wir weiterhin ein effektives Zusammenspiel von erster und zweiter Lnsta·nz erhalten müssen. Die durch außerordentlich hohe Fallzahlen belastete erste Instanz darf deshalb nicht durch Einführung neuer Prozessregeln zu einem belastungsintensiven und zeitaufwendigen Verfahren gezwungen werden, das in vielen Fällen der Sache nicht gerecht wird.

Als weitere Forderung erheben wir, dass die Qualität des bestehenden Rechtsschutzes nicht verringert werden darf. Frau Grützmacher, Ihre Äußerungen haben mich doch sehr an dem zweifeln lassen, was ich noch in Erinnerung hatte, als nämlich über andere Justizreformen diskutiert worden ist, als Sie den Rechtsstaat sehr eingeschränkt sahen. Diese Bedenken haben Sie offensichtlich nach dem Regierungswechsel in Berlin nicht mehr.

(Frau Grützmach er, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das müssen Sie mir einmal erklären!} - Das mache ich gern, vielleicht auch noch ein bisschen mehr zu den Gerichten insgesamt. Deswegen erheben wir auch weiter die Forderung, dass die Tatsacheninstanz in der Beru- fu~g in vollem Umfang erhalten bleibt, weil wlr der Meinung sind, dass nur das einen effektiven Rechtsschutz gewährlei- stet (Zuruf der Abg. Frau Grützmach er, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

-- das habe ich gehört, aber ganz glauben kann ich es leider nicht-, wenn diese Tatsacheninstanz auch weiterhin in Form einer Kammer stattfindet.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90iDIE GRÜNEN: Wo sind Ihre Änderungen?)

Die F.D.P.-Fraktion lehnt deshalb die bisherigen Vorstellun~

gen der Bundesregierung zur Reform des Zivilprozesses ab.

Wenn man allerdings unbedingt die angedachten Pläne um

setzen will, fordern wir, dass die Änderungen des Zivilpro· zessrechts nur in enger Abstimmung mit den für die organisa

torische Umsetzung zuständigen Ländern erfolgt. Wir fordern auch, dass die Bedenken und Vorschläge der betroffe

nen Fachkreise, insbesondere- der Anwaltschaft, der Richter

schaft, aber auch der Bediensteten in den Gerichten umfassend Berücksichtigung finden. Da scheint mir auch noch Handlungsbedarf zu sein.

Wir sehen also insgesamt noch einen deutlichen Änderungs

bedarf, wenn man eine Reform anstrebt. Ich denke, wir können im Rechtsausschuss dieses Thema noch weiter umfassend erörtern. (Beifall bei F.D.P. und_SPD)

Ich erteile Herrn Justizminister Mertin das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Herr Berg, ich freue mich immer, wenn die Opposition meine Arbeit unterstützt. Aber es wäre natürlich hilfreicher, wenn Sie den Antrag so formuliert hätten, dass Ihre vordergründige Absicht nicht so deutlich darin steht. Ihre Absicht ist es doch, einen Keil zwischen die Koalitionsfraktionen zu treiben. (Berg, CDU: Nein!)

Das wird Ihnen über diesen Antrag überhaupt nicht gelingen, das versichere ich Ihnen.

(Beifall bei F.D.P. und SPD)

Wenn Sie dem Ministerpräsidenten vorwerfen, er habe sich dazu bisher nicht öffentlich geäu_ßert, so bin ich mir ziemlich sicher, dass der Ministerpräsident sich auch bei diesem Ge_setzentwurf nach Kräften bemühen wird, die Interessen des Landes mit zu vertreten, urid zwar so, wie es sein Amtseid gebietet, so, wie ich es auch tun werde. Wenn der Ministerpräsi-dent alles machen soll, brauchen wir keine iV1iniste.r. Dann

können wir das direktsein lassen.

(Berg, CDU: Er macht nichts-!)

Ich bin ziemlich sicher, dass der Ministerpräsident bei den notwendigen Gesprächen, die es geben muss - Sie wissen doch genau, wie die Mehrheitsverhältnisse sind -, Verbesserungen berücksichtigt. Verbesserungen, wie Sie sie verfolgen, wird es nur geben, wenn Gespräche erfolgreich geführt werden. Es mact1_t -wenig Sinn, diese Gespräche immer wieder über die Zeitung zu führen.

- Ich versichere: Ihnen, die Koalition wird sich auch in dieser Fra

ge nicht auseinander dividieren lassen, sondern wie bisher ih

re Arbeit im Interesse des Landes Rheinland-Pialz erfolgreich

fortSetzen.

Ihr Antrag hat auch e-i.vas Gutes. Er gibt dem Landtag die Möglichkeit, sich mit dem Thema zu befassen. Ich meine, es lohnt sich darüber nachzudenken, ob in einem gerichtlichen Verfahren wie dem zivilrechtliehen Verfahren die Berufungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. ln dem Verfahren wird in der ersten Instanz zum ersten Mal über den Sachverhalt ermittelt. Das ist bei den Verwaltungsgerichten und in der Finanzgerichtsbarkeit anders. Mir persörllich -scheint es nicht ganz sinnvoll, den bisher in der Sache geführten Streit, bei den seltenen Fällen von Berufungen, die es gibt, nunmehr auf Förmlichkeiten zu verlagern. Ich meine, dem Bürger ist mehr damit gedient, dass in der Sache selbst entschieden·

wird und nicht über Förmlichkeiten. Aber es lohnt sich, in die-_ semLandtagdarüber nachzudenken.

Es lohnt sich, auch wirklich darüber nachzudenken, ob eine: Güteverhandlung, wie sie vorgeschlagen wird; notl.vendig ist. Ich meine, Sie tun den Richtern im Land Rheinland-Pfalz Unrecht, wenn Sie so tun, als ob bisher die Gerichte sich nicht bemühen würden, die Sache in Güte zu verhan_9eln. Ich habe ein Großteil meines Berufslebens als Rechtsanwalt mit vielen Prozessen auch vor dem Amtsgericht verbracht. Mir ist noch kein Richter bekannt geworden, der nicht in der ersten mündlichen Verhandlung versucht hätte, die Dinge gütlich beizulegen. Ob es wirklich notwendig ist, eine zusätzliche Arbeit. verursach_ende Güteverhandlung einzuführen, ist nach meiner Meinung des Nachdenkens wert:.

Ebenso erscheint es mir durchaus sinnvoll, darübernachzu

denken, ob man nicht konsequent Weiterhin bei für die betreffenden Personen wirtschaftlich bedeutenden Dingen am Kammerprinzip-festhält, weil die Justiz in ihrer Unabhängigkeit ein Stück Selbstkontrolle durch die Kammer mit drei Richtern erreicht. Das ist etvvas, was die Akzeptanz der gerichtlichen Entscheidungen vor der Bevölkerung sichert.

Zu den angesprochenen Außensenaten kann ich sagen, sicherlich können wir Außensenate einrichten. Aber man muss wissen, dass die Oberlandesgerichte iri Rheinland-Pfalz- das organisieren sie in richterlicher Unabhängigk~it- mit spezialisierten Senaten arbeiten, die sich auf Arztrecht und andere spezielle Materien spezialisiert haben. Dieses Prinzip- kann bei Außensenaten so nicht durchgehalten werden. Ich meine:

daher, dass es lohnenswert ist, im Ausschuss die Probleme, die diese Reform aufwerfen kann, zu diskutieren, insbesondere auch die hier anfallenden Kosten zu diskutieren. Ich hof-_ fe, dass es gelingt, die Betreiber der Reform davon zu über