Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf wirft aber auch aus unserer Sicht noch_ zahlreiche Fragen auf; die wir in den wenigen Tagen, -die wir den Gesetzentwurf

erst kennen, auch ntcht im Ansatz klären konnten. Der Gesetzentwurf reagiert darauf- wie Sie schon gesagt haben-,· dass das Universitätsklinikum, wie wir jetzt wissen, beabsichtigt, im Jahr 2001 ein Institut für Humangenetik zu errichten. Wenn das so kommt, stellt sich allerdings vielleicht nicht nur mirdie Frage, ob es dann folgerichtig und notwendig ist, die

ses neue Institut, dessen Aufgaben Forschung und Lehre sind, mit der unabhängigen genetischen Beratung in einem Haus zu konzentrieren.

Die BündeJung von Sachkompetenz ist die eine Seite. Es müs

sen aber auch denkbare Interessenkonflikte gerade auf diesem wirklich nicht unumstrittenen Feld medizinischer Neu

entwicklung problematisiert werden. Ich möchte an dieser Stelle jetzt keine Grundsatzdebatte pro und kontra Gentherapie führen- dafür sind die fünf Minuten auch zu wenig -, aber klar ist doch, die Problematik wird sich weiter verschärfen, wenn möglicherweise auch die medizinischen Anwendungen von gentherapeutischen Methoden in der Universitätsklinik beabsichtigt sind.

ln der Begründung wird die These aufgestellt, eine gesetzliche Verpflichtung zur künftigen landesweiten Abdeckung der genetischen Beratung sei im Hinblick auf entsprechende Angebote niedergelassener Ärzte nicht mehr notwendig. Wir

möchten noch ein bisschen genauer wissen, ob das wirklich so

_ist, wie sich der Bedarf und die Angebote _in den Regionen des Landes darstellen und wie sie sLch künftig weiterentwickeln. Wenn das so ist, wie Frau Hammer das eben gesagt hat, dann ist dieses Argument in_ der Begründung überhaupt nicht haltbar. Das sind Dinge, worüber wir einfach mehr wis

sen möchten. Dazu werden wir im Ausschuss hoffentlich Ge

legenheit haben.

Der Gesetzentwurf ist im Gesetzestext im Prinzip nur in einem Punkt konkret, nämlich· in § 1 zur Übertragung der Genetischen Beratungsstelle auf die Universitätsklinik und den vorgesehenen Zeitpunkt 1. April 2001. Dagegen werden die entscheidenden inhaltlichen Punkte, die Übernahme des Per

sonals und der Einrichtung, überhaupt nicht konkret gefasst, sondern nur als Ermächtigung zu Vereinbarungen zwischen Landesregierung und dem Klinikum formuliert.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und desAbg. Schreiner, CDU)

Die dahinter stehenden Überlegungen werden nur in. der Begründung dargelegt. Ich frage mich, wenn das Personal in der Beratungsstelle anscheinend vollständig und zu keinen schlechteren Konditionen übernommen wird und der Zuschussbedarf von jetzt über 800 000 DM künftig aber sinken soll und nach fünf Jahren keine Zuschüsse des Landes mehr

. gezahlt werden sollen, wer dann die Zeche bezahlt. Es ist völ

lig unklar, wie das aussehen soll. So kann das überhaupt nicht sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Schreiner, CDU)

Ich frage mich, ob die Synergieeffekte allein ausreichen, ein solch hohes Defizit in Zukunft zu decken, oder ob nicht doch letztlich Mittel aus der Substanz des Universitätsklinikums genommen werden müssen oder ob zum Beispiel über später erhöhte Gebührensätze für Beratungen dann das Geld bei den Patientinnen und Patienten oder Klientinnen und Klienten wieder hereingeholt werden soll. Das alles bleibt bei dJesem Gesetzentwurf unklar.

Der Klarheit würde es auch dienen, wenn zum Beispiel der Zeitwert der an das Klinikum kostenlos übertragenen Einrich

tungen im Gesetz wenigstens ungefähr beziffert würde.

Herr Gerster, ich gehe davon aus, Sie werden uns im Aus

schuss dazu noch einiges sagen können. Wir sind vorerst nicht von der Sinnhaftigkeit der Übertragung überzeugt. Ich gehe davon aus, dass wir im Sozialpolitisch~n Ausschuss auch eine Anhörung haben werden, in der wir Vertreterinnen und Vertreter des Universitätsklinikums, Berater von Beratungsstel

len, aber auch von verschiedenen Verbänden, die unter Umständen als Klienten und Klientinnen oder Patienten und Patientinnen Opfer einer solchen Übertragung werden können, und deren Vorstellung dort hören werden und·das wirklich sehr dezidiert argumentieren, weil ich finde, es kann wirklich zu massiven Interessenkonflikten kommen. Wenn b~i solchen Beratungsstellen die Neutralität infrage steht, ist das· meines Erachtenseine ganz schwierige Angelegenheit für Menschen, die Beratungsbedarf haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Für ·die F.D.P.-Fraktion· erteile ich der Abgeordneten Frau Pa hier das Wort.

Abg. Fr_au Pahler, F.D.P.:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Entscheidung des Aufsichtsrats des Klinikums der Johannes GutenbergUniversität Mainz, ein Institutfür Humangenetik zu gründen, macht folgerichtig Überlegungen über die Zukunft der bestehenden staatlichen Genetischen Beratungsstelle notwendig. Die bereits bestehende enge Zusammenarbeit zwischen Beratungsstelle und Universitätsklinik im Rahmen von Forschung und Ausbildung lassen eine organisatorische Zusammenfassung als richtige Konsequenz erscheinen. Weder ein Nebeneinander zweier Einrichtungen mit vergleichbaren Aufgaben noch ein bloßer Kooperationsvertrag wären nämlich wirt

schaftlich oder würden die Ausnutzung aller Synergieeffekte eröffnen. Eine organisatorische Zusamm_enfassung· ist die sinnvolle Antwort auf die Gründung des Instituts für Humangenetik. Ich denke, hier wird dem wissenschaftlichen Fortschritt eine wesentliche Rolle zufallen.

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Beim Übergang der Genetischen Beratungsstelle auf das Institut müss~n die Interessen der Beschäftigten Berücksichtigung finden. Hierzu sollen Re~elungen in der Vereinbarung gemäß § 2 des Gesetzes getroffen werden.

Da die· bestehende Beratungsstelle derzeit nicht kosten-deckend arbeitet, ist die in der Begründung des Gesetzentwurfs dargestellte Abwicklung in Form einer abschmelzenden Übergangsfinanzierung in sich schlüssig.

Die F.D.P. hält den mit dem Gesetzentwurf beschrittenen Weg für richtig, d3ss neue Erkenntnisse der Wissenschaft Ratsuchenden zugute kommen.

ln den nun zu führenden Diskussionen im Sozialpolitischen Ausschuss werden wir natürlich auch jenen Fragen nachgehen müssen, die heute vorgetragen worden sind; denn dies ist schließlich im Sinn aller, nämlich derer, die Forschung und Lehre vorantreiben wollen, und jener, die gesichert haben wollen, dass die Beratung fur Ärzte und Ratsuchende auch-weiterhin in vollem Umfang besteht.

Vielen Dank.

(Beifall der F.D.P. und der SPD}

Ich erteile Herrn Staatsminister Gerster das Wort.

-Herr Präsident, mein·e Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz auf wichtige Argumente, die auch ich für wichtig halte, eingehen, nichts vorwegnehmend; denn im Ausschuss müssen wir über alles sprechen, und ohne Zweifel ist dann manches an Fragen oder an Sorgen berechtigt, was angesprochen worden ist.

Aber lassen Sie mich sagen:

1. Die Genetische Beratungsstelle bisheriger Art war eine Pionierleistung, die es sozusagen in der Uniklinik oder in einem anderen Krankenhaus dieser Größenordnung nicht gab. Es gab also keine Struktur, in die sie hätte eingebettet 11verden können. Sie war eine Pionierleistung, die auch mehr oder weniger isoliert diese Aufgabe wahrgenommen hat,

(Zuruf des Abg. Schreiner, CDU}

die inzwischen von niedergelassenen Ärzten und auch von anderen Krankenhäusern der Maximalversorgung wahrgenommen werden könnte, wenn die flächendeckende Versorgung aus der Sicht eines Landes wie Rheinland-Pfalz und aus Sicht der Landeshauptstadt Mainz tatSächlich bei dieser Art von Beratung ein so gewichtiges Argument sein sollte. Wir

haben nicht die Entfernungen wie in Nordrhein-Westfalen oder Bayern.

2. Es geht in erster Uni~ um Qualitätssicherung. Es ist ein Akt der Qualitätssicherung, wenn künftig die humangenetische Beratung den Hintergrund eines Instituts für Humangenetik und die Weiterbildung benutzen kann.

Übr~gens: Frau Profe~sor Theile, die Pionierin war, wird- in wenigen Jahren· ausscheiden. sodass auch eine Zäsur stattfindet und dieser Wechsel aus dieser Betrachtungsweise einen Sinn macht.

3. Die Aufgabe der Genetischen Beratungsstelle geht auf die Uniklinik über- § 1 des Gesetzentwurfs. Es ist völlig unzweifelhaft, dass die Uniklinik diesen Auftrag nicht beliebig verändern kann. Es ist ein Auftrag, den sie zwar dem Grunde nach gestalten kann, aber diesen Auftrag kann die Uniklinik nicht beliel?ig interpretieren. Natürlich werden wir, der ressortzuständige Wissenschaftsminister und der mit zuständige Gesundheitsminister, der auch Mitglied des Aufsichtsrats der Uniklinik ist, darauf achten, dass dieser Auftrag entsprechend ausgefüll_t wird. Ich _habe dabei übrigens auch keine Bedenken und keine Skepsis.

4. Frau Kollegin Bill, lnteressenkollision: Wissen Sie, was der typische Fall der humangenetischen Beratung ist, den bisher die Genetische Beratungsstelle wahrgenommen hat? - Ein Ehepaar, das - sagen wir einmal - zwischen 35 Jahren und 45 Jahren alt ist, und die Frau ist das, was Geburtshelfer Erstgebärende nennen, lässt sich beraten. Was müssen wir tun, dass diese erste Geburt in einem höheren Lebensalter der Mutter, aber auch des.Vaters, risikofrei oder risikoarm verläuft?

Glauben Sie im Ernst, da gäbe es Interessenkollisionen mit dem sonstigen Auftrag eines humangenetischen Instituts? Also dort werden keine Babys geklont, sondern es werden Eltern beraten, die ansonsten vielleicht aus Furcht darauf verzichten würden, Eltern zu werden.

Zuruf der Abg. Fr