Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

(Beifall im Hause)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Hatzmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Bericht zum Landesgleichstellungsgesetz hat uns auch in diesem Hause schon mehrfach beschäftigt. Daher erlaube ich mir, von einer Aufforderung im Bericht Gebrauch zu machen. Im Vorwortzum Bericht heißt es nämlich:.,Der Bericht betreibt also nicht - kann er auch riicht - Lobhudelei. Er zeigt deu~lich, wo wir stehen, was wir noch vor uns haben und wo wir noch einmal neu.nachdenken müssen. Insofern wird er auch viele Fragen aufwerfen und vielleicht so manchen Vorwurf provozieren."

Ich halte das für eine kluge Vorbemerkung. Natürlich fst_es

so, dass wir uns immer ~ied~r fragen müssen: Sind wir auf dem richtigen Weg? Setzen wir die vorhandenen Mittel so ein, dass dabei der maximale Erfolg herauskommt? - Immer wieder müssen wir prüfen, ob mit dem, was wir tun, auch das Ziel erreicht wird, was wir alle wollen. Daher erlaube ich mir heute, nachdem schon zwei Vorrednerinnen rntensiv auf den Bericht eingegangen sind, auf das einzugehen, was nicht im Bericht steht, was aber mernes Erachtens dringend in den Bericht hineingehört, der ein Bericht über· die Gleichstellung von Mann und Frau ist.

Wir alle sind uns darüber einig, dass Frauenpolitik vieles erreicht hat und vieles nicht erreicht hat. Erreicht hat Frauenpolitik- das halte ich ausdrücklich fest- die rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau in allen Bereichen. Das wird immer weiter ausdifferenziert, weil die faktische Gleichstellung in vielen Teilen nicht erreicht wird. An der Gerichts- und Rechtsebene wird immer weiter differenziert, um eine faktische Gleichstellung herbeizuführen. Dieses Instrument ist aber meiner Meinung nach mehr oder weniger am Ende angelangt.

Daher steht als zweites Instrument, das der Frauenpolitik bisher immer genutzt hat, die klassische Frauenförderung zur Verfügung. Frauen werden immer wieder gefördert und unterstützt, damit sie gleichberechtigt an allen Aspekten des Lebens teilhaben können. Genau diesen zweiten Aspekt, nämlich die Frauenförderung, stelle ich einmal zur gedanklichen Disp_osition.

Ich habe mir vorgestellt, was passieren würde, wenn ein Außerirdischer einfach einmal auf die Erde herunterschaut und nachliest, was wir so in den letzten zehn Jahren zur Frage der Frauen gedacht und geschrieben haben, und \venn er sich die _Haushalte und die Frauenförderprojekte ansieht. Ich habe mir überlegt, was dieser Mann, der eine Frau nicht kennt, daraufhin von einer Frau halten kann. Was muss er denken, was Frauen sind, wenn wir eine solche Politik haben?

Dann ist bei mi( irgendwie der Eindruck entstanden, eine Frau solle mit Pilotprojekten, Maßnahmen und Programmen in ihrem Bemühen um Gleichstellung unterstützt werden. Das sieht so aus, als ob die Frau ein defizitäres, der Förderung bedürfendes Wesen sei. Das sind alles Ansätze so nach dem Motto: Es handelt sich um ein hilfloses Wesen, das dringend der sozusagen politischen Hülle bedarf und in Watte einzu

packen ist, damit es gefördert werden kann, um gleichge

stellt zu werden. Das ist ein Bild von Frau, das ich nicht weiter unterstützen möchte und dem ich auch durch Frauenpolitik nicht gerecht werden möchte.

Am Ende dieses Jahrhunderts steht für mich die ErKenntnis, dass auch in der Frauenfrage die Zeit der einfachen Antworten schlicht und ergreifend vorbei ist. Wie in so vielen Politikfeldern ist das Leben sehr viel anders und komplizierter, aber auch origineller und innovativer geworden, als das die bisherige Frauenpolitik unterstellt.

(Beifall des Abg. Creutzmann, F.D.P.)

Deshalb wollen wir- zumindest wir Liberale- eine vielfältige, innovative und originelle Frauenpolitik auch ausgestalten. Nur fällt sie natürlich nicht vom Himmel. Man muss sich fragen, wie eine solche Frauenpolitik aussehen kann. Jeder, der sich mit Frauenpolitik beschäftigt, stellt sich nach meiner Überzeugung die Frage permanent und versucht, entsprechende Wege und Lösungen zu finden. Wenn wir uns aber vorstellen, dass wir uns gedanklich in einer Sackgasse befinden, haben wir doch nichts anderes zu tun, als sich einmal umzudrehen und zu sehen,_ was dann passiert, wenn man sich umdreht. Was sehe ich? Ich sehe die Defizite des Gleichstellungsberichts, über was alles nicht berichtet wurde und nicht diskutiert wird.

Ich stelle zum Beispiel mit großem Bedauern fest, dass weniger als ein Viertel aller Lehrkräfte an Grundschulen männlich ist. Noch dramatischer ist die Situation in den Kindergärten. Nur ein Prozent aller Mitarbeiter in den rheinland-pfälzischen Kindergärten ist männlich. ln der wesentlichen Sozia-lisationsphase müssen Jungen in Kindergärten und

Schulen mit Frauen vorlieb nehmen. Ich frage mich, ob das richtig ist.

Auch im Handwerk hatsich in den letzten paar Jahren so gut wie nichts bewegt. Noch immer bevorzugen Jungen bei ihrer Berufswahl klassische Männerberufe. Auch die Meisterprü

fungen werden überwiegend in den typischen Männerberufen, wie Tischler, Fernmeldeanlagenelektroniker oder Elektroinstallateur abgelegt. Nach wie vor konnte der Männeranteil in typisch weiblichen Berufen nicht gesteigert werden. Das halte ich für gesellschaftlich nicht tragbar.

So sind zum Beispiel nur 18 % aller Friseurmeister in Rheinland-Pfalz Männer. Nach wie vor- das ist vielleicht der eklatanteste Widerspruch-· arbeiten so gut wie keine Männer in den personenbezogenen Dienstleistungen. ln einer Zeit, in der händeringend Mitarbeiter in den Pflegeberufen gesucht werden, He-gt der Männeranteil unter 5 %. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir mit einer Kampagne, wie wir sie für Ingenieure in den Ingenieurberufen durchführen, zum Beispiel "Zukunft mit Männern", den Männeranteil auch in den Pflegeberufen-deutlich steigern könnten. Es gibt die Ar

beit der Frauenbeauftragten. So nennen wir sie. Das sollte dringend in Arbeit der Frauen- und Männerbeauftragten umgeändert werden.

(Beifall der F.D.P.)

Ich habe mir deren Arbeitsfeld einmal genau angeschaut· und stelle fest, dass Sie be~~immte Projekte immer wieder unterschatzen. Ich darf Ihnen- einmal die Projekte vorstellen. Es handelt sich um "Frauen und Sucht", "Frauen und Gesundheit", "Frauen im ländlichen Raum", "Frauenförde_rung",

·"Frauen und Ökologie", "Behinderte Frauen", "Frauen und

Armut" und "Frauen und Sport". Das hört sich an, als ob wir besondere Fördernotwendigkeiten hätten. Ich könnte mir viel eher vorstellen, dass wir einmal Projekte wie "Männer in der Pflege", "Männer und Kinder" und "Männer und Haushalt" durchführen. Das ist nicht ironisch gemeint,

(Zuruf der Abg. Frau Bill, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl ich weiß, dass es eine ironische Seite hat. Ich kenne sehr viele Männer, die durchaus mit ihrer Pflegekompetenz und ihrer kreativen Kompetenz gern in Berufen unterkommen würden, in denen sie heute nicht unterkommen.können.

Ich habe in Rheinland-Pfalz einen einzigen Erzieher kennen gelernt, der eine Erzieherausbildung in Westerburg absolviert hat. Ich fand es von ihm unglaublich couragiert, unter 360 Erzieherinnen diesen Beruf zu ergreifen und durchzuziehen. Ich finde, das ist auch berichtenswert.

Wenn wir uns einmal umgedreht und das von der anderen Seite diskutiert und betrachtet haben, kommen wir vielleicht dazu, dass die Frau nicht gefördert werden muss, sondern Strukturen verändert werden müssen. Das ist das Petitum.

Wir wünschen un~- einen Gleichstellungsbericht, der auch die andere Seite der Medaille zeigt und vielleicht die Strukturen, über die wir sprechen, zum Ziel der Frauenpolitik hat.

Dieser neue Gedanke ist vielleichtschwer zu denken. Ich nehme einen Spruch auf, der im politischen Feld gern gebr3ucht wird: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.~ Wenn wir auf einem Weg nicht weiterkommen, sollten wir vielleicht einmal umdrehen und versuchen, auf ei

-nem anderen Weg das gleiche Ziel zu erreichen.

Vielen Dank.

(Beifall der F.D.P. und der SPD)

Ich erteile der Kollegin Frau Bill das Wort.

Meine Damen und Herren! Bevor ich den couragierten Erziehern einen Orden v·erleihe, möchte ich doch zu den Frauen reden, die sich bemühen, immer und immer wieder die Gleichstellung anzumahnen und dabei sehr viel einstecken müssen. Wir haben von Frau Thelen alldie schönen Dinge gehört, die wir damals in unserem Gesetzentwurf angemahnt hatten, den wir parallel zum Gleichstellungsgesetz eingebracht hatten. Die Frauen in der CDU sind unheimlich lernfähig. Das stelle ich immer wieder fest. Der Rest ist wie bei den meisten-Part.eien und Fraktionen problematisch."

Frau Dr. Götte, ich bin froh, dass.endlich nach soundso viel Monaten - es ist Donnerstag, viertel nach fünf- die Aussprache über diesen Bericht durchgeführt wird. Wir sind froh, dass wir vor fünf Monaten die Aktuelle Stunde zu dem Be

richt beantragt hatten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DiE GRÜNEN)

Sie haben mich damals furchtbar dafür geschimpft, dass ich

Ihnen däs quasi vorweggenommen habe. Wir hätten lange warten müssen. Wenn es mit der Gleichstellung schneller ginge, wie das normalerweise der Fall sein müsste, wäre jetzt fast schon wieder der nächste Bericht fällig. Es geht aber so langsam.

(Ministerpräsident Beck: Das liegt aber nicht an der Landesregierung!)

-Ich bintrotzdem froh. Das habe ich auch nicht gesagt.

(Ministerpräsident Beck: Ich will es aber nur gesagt haben!)

Sie hat mit mir furchtbar geschimpft. Deswegen habe ich sie angesprochen. Ich sage nicht, dass das ihre Schuld ist, um Got· tes willen. Sie wissen, wie sehr ich Frau Dr. ·Götte und ihre Klugheit und ihr Engagement in dieser Sache schätze.- Das können Sie mir bestimmt nicht vorwerfen. Ich komme jetzt zur Sache.

. Meine Damen und Herren! Trotz einiger Mängel gibt der Be

richt zum Landesgleichstellungsgesetz ·ein ziemlich genaues Bild vom Stand der Gleichstellung sowohl im Landesdienst als auch in den ubrigen Bereichen des öffentlichen Dienstes des Landes. Der Bericht ist somit eine gute Grundlage fur die Umsetzung von mehr Gleichstellurig von Frauen und Männern. Dazu sollte er auch genutzt werden.

Dazu bedarf es allerdings der· Bereitschaft, den Bericht sachkundig zu interpretieren, audi zwisd1en den Zeilen zu lesen und den Finger in die Wunden zu legen, die dieser Bericht of

fen legt. Dafur, dass Sie, Frau Dr. Götte, das nur ungern tun,

habe ich begrenztes Verständnis. Das haben wir auch in der Aktuellen Stunde zu diesem Thema erlebt.

Umso wichtiger ist es, dass wir GRÜNEN unseren Job als Opposition tun und sorgfältig vom Bericht über das LGG auf die Schwächen des LGG schließen und Verbesserungen einfordern. Das.ist Sinn und Zweck der Berichtspflicht, nämlich Prüf-stein zu sein und zu sehen,-ob der Anspruch und die Wirklich