Protokoll der Sitzung vom 19.10.2000

- Liebe Frau Thomas, Rentner, Studenten und Selbstständige

profiti~en nicht von geringeren Beitragssätzen in der Ren

tenversicherung. Sie müssen aber die höhere Ökosteuer bezahlen. Sie l~ommen nicht davon weg.

(Beifall der F.D.P.)

Die Ökosteuer hat für kle:ine Betriebe sowie für die Landwirtschaft zu einer weiteren Erhöhung der Energiepreise geführt. Sie müssen den vollen Steuersatz zahlen. Energieintensive Betriebe werden dagegen mit einem niedrigen· steuersatz entlastet. Das irt mehrfach auch an dieser Stelle gesagt worden. Das ist Fakt.

Es ist deshalb nur verständlich, dass sich die Bürgerinnen und Bürger gegen ein weiteres Drehen an der Steuerschraube

aurch die Ökosteuer wehren. Nach einer Umfrage des iv1ei

nungsforschungsinstituts Allensbach lehnen 74 % der Bevölkerung die geplante Erhöhung der Ökosteuer ab. -zo % halten die erweiterte Entfernungspauschale und die Heizkastenzuschüsse -für unzureichend. Man kann diese Meinungsumfrage nicht damit abtun, dass sich die Burgerinnen und Bürger generell gegen Steuererhöhungen wehren. Das ist auch verständlich und nachvollziehbar. Vielmehr hat die Bevölke

rung aber verstanden, dass diE Ökosteuer nicht nur steuersy

stematisch verfehlt, sondern auch in der gegenwärtigen Pha

-se kontraproduktiv ist.

Es ist abwegig, dass die Bundesregierung bei der gegenwärti

gen Preisentwicklung auf dem Mineralölmarkt die Steuerschraube für Benzin V'ieiter nach oben drehen will. Bereits derzeit liegt der Anteil der Steuer am Benzinprei" bei 68 %. Daran hat die ehemalige Bundesregierung, der wir auch angehörten, einen erheblichen AnteiL Das 5oll an dieser Stelle auch ei_nmal gesagt werden. Sie hat einen ganz erheblichen Anteil daran. Die Ökosteuer macht 14 Pfennig aus. Da;;, was

-Waigel getan hat, was_ wir in der ehemaligen- Bundesregierung gemacht haben, hat zu einEr erhei::ilichen Steigerung geführt. Das sollte redlicherweise auch an dieser Stelle gesagt werden.

Die Entfernungspauschale, über di;;; wir heute reden, streicht lediglich etwas Salbe auf die Wunden der Bürgerinnen und Bürger. Lassen Sie michdas Bild gebrauchen.

(Glocke des Präsidenten)

-Sie hat zudem auch einen eklatanten Geburtsfehler, da die Länder die Entfernungspauschale finanzieren müssen, während das Aufkommen aus der Ökosteuer in voller Höhe beim Bund verbleibt.

Ich fasse zusammen: Eine Entfernungspauschale im Rahmen eines Systemwechsels ja, Entfernungspauschale zur Stabilisierung der Ökosteuer nein.

(Beifall der F.D.P.- Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was heißt das jetzt?)

Ich erteile Herrn Finanzminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat am 28. September 2000 dem, Bundesrat einen Gesetzentwurf zugeleitet, der die Umwandlung der Kilometerpauschale für Arbeitnehmer in eine Entfernungspauschale bei _gleichzeitiger Erhöhung der Pauschale von 70 auf 80 Pfennig je Entfernungskilometer sowie einen -Einmalzuschuss für die Heizkosten von grundsätzlich 5 DMfm2 Wohnfläche für einkommenschwache Bürgerinnen und Bürger zum

Inhalt hat.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs will die Regierungskoalition die sozialen Auswirkungen der starken· Preis-Steigerungen für Mineralöl auf den Weltmärkten in den vergangenen Monaten auf Persone~ und Haushalte, die den damit verbundenen finanziellen Lasten nicht ausweichen und diese Entwicklung kaum bewältigen können, abfedern. So stand es wörtlich in der Begründung.

ln der Tat ist die Preissteigerung des Mineralöls auf den Weltmärkten in den vergangenen Monaten als dramatisch zu bezeichnen. Im Februar 1999 kostete ein Barrel Rohöl auf dem Weltmarkt 17 DM. Am 20. September dieses Jahres betrug dieser Wert 84 DM, was einer Preissteigerung innerhalb von gut eineinhalb Jahren von nahezu 400% entspricht.- Ursächlich für diese Entwicklung war die Anhebung der Abgabepreise durch die Erdöl produzierenden Länder und -da Ölge

schäfte auf dem Weltmarkt immer in Dollar abgerechnet

werden~ der beträchtliche Anstieg der amerikanischen Währung im Verhältnis zu den Währungen im Euroraum.

Als Folge dieser Entwicklung der Rohstoffpreise sind die Verbraucherpreise für Mineralölprodukte in allen Industrieländern erheblich angestiegen. So ist der Durchschnittspreis für ein Liter Heizöl in den vergangenen 18 Monaten von Mitte April vergangenen Jahres bis Mitte Oktober dieses Jahres von 43 Pfennig um 48 Pfennig auf 91 Pfennig angestiegen. ln der Spitze hat er sogar mehr als 1 DM betragen. Der Preis für ein

Liter Superbenzin hat sich im gleichen Zeitraum um rund 40 Pfennig erhöht. Der Preis für Diesel ist gleichzeitig um gut 50 Pfennig gestiegen.

Diese- Gesamtentwicklung hat in einigen europäischen Nachbarländern -zu schweren sozialen Konflikten geführt. Auch in Deutschland hat es Proteste gegeben, insbesondere seitens des stark betroffenen Speditionsgewerbes sowie von Landwirtschaft und Weinbau.

Wir werden sehr darauf zu achten haben, dass sich die Wett

bewerbsbedingungen in Europa nicht zu lasten der deutschen Spediteure und Landwirte nachhaltig verschieben. Daher wird die Landesregierung zum einen gemeinsam mit den Ländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und dem Saarland eine Beschwerde wegen der wettbewerbsverzerrenden Stützungsmaßnahmen zugunsten des Gütertransportgewerbes in Frankreich, Belgien und den Niederlanden an die Europäische Kommission richten und des Weiteren im Interesse der Landwirtschaft prüfen, inwieweit die Wettbewerbsverzerrungen zwischen Deutschland und anderen Ländern eine Vorgehensweise auf europäischer Ebene ermöglichen.

Meine Damen und Herren, es liegt auf der Hand, dass der Staat mithilfe von Transferleistungen die Preisentwicklungen, die außerhalb seines Verantwortungsbereichs begründetsind, nicht ausgleichen kann. Wohl aber muss er in der Lage sein, die sozialen Auswirkungen einer solchen Entwicklung für einen Personenkrejs, der auf diese Hilfe angewiesen ist, entsprechend abzufedern. Dies ist die Grundüberlegung, von der die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentvvurf ausgeht.

1\tiit der Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale kommt die Bundesregierung einem Anliegen der rheinland-pfälzischen Landesregierung entgegen; denn in der- Koalitionsvereinbarung haben sich die Regie~

rungsparteien SPD und F.D.P. aus ordnungspolitischen Grunden für einen solchen Wechsel von derfahrzeuggebundenen Kilometerpauschale auf eine Entfernungspauschale ausgesprochen. Wörtlich heißt es dort: "Die Koalitionspartner fordern im Interesse des umweltfreundlichen ÖPNV und des Fahrradverkehrs die Umwandlung der steuerlichen KfzPauschale für-Fahrtenzwischen Wohnung und Arbeitsplatz in eine Entfernungspauschale."

Ich darf daran erinnern, dass es im Zusammenhang mit dem Jahressteuergesetz 1997 bereits eine entsprechende Gesetzesinitiative der Landesregierung gegeben hatte, die damals nicht erfolgreich war. Ich darf auch in Erinnerung rufen, dass in dem schließlich gescheiterten Steuerreformgesetz 1999 der früheren Bundesregierung ebenfalls die Umwandlung der Kilometerpauschale in eine Entfernungspauschale vorgesehen 11var, wenn auch mit erheblich geringeren Pauschbeträgen, als sie nunmehr im aktuell vorliegenden Gesetzentltvurf enthalten sind.

Wer wollte bestreiten, dass die Entfernung;;pauschale insbesondere unter Umweltaspekten sinnvoll ist? Der Benutzer eines öffentlichen Verkehrsmittels wird himichtlich der steuerlichen Entlastung dem Pkw-Benutzer gleichgestellt. Die Bildung von Fahrgemeinschaften wird gefördert. Jeder rvlitfahrer kommt daher steuerlich in den Genuss der Entfernungspau5chale. Ähnliches gilt für die, die zu Fuß zur Arbeit gehen

oder mit dem Fahrrad oder dem Moped zu ihrE=m Arbeit5

platz gelangen. Steuerlich sollen künftig alle ArbeitnEhmerinnen und Arbeitnehmer gleich behandelt werden.

Durch die Erhöhung der Pauschale um 10 Pfennig je Kilom;:

ter wird erreicht, da~s bei Pendlern, die auf die Benutzung ih

res Fahrzeugs angewie~en sind und keine Fahrgemeinschaft bilden können, die Mehrkosten durch den gestiegenen Benzinpreis zu einem erheblichen Teil ausgeglichen werden; denn die Anhebung um 10 Pfennig je EntfernungskilometEr _

bewirkt, dass Benzinpreiserhöhungen von ca. 60 Pfennig pro Liter steuerlich neutralisiert werden. Das geschiEht in der

Weise, dass die Mehrkosten in vollem Umfang al~ Werbungs

kosten geltend gemacht werden können.

Lassen Sie mich dazu eine kleine Rechnung aufmachen. Bei einer Fahrleistung von 100 l~m und einem Treibstoffverbrauch von 81 ergihtsich bei einer Anhebung des Benzinprei

ses um 60 Pfennig eine Preiserhöhung von 4,80 DM oder von rund 5 Pfennig je Fahrkilometer. Die Anhebung der Kilome

terpauschale um 10 Pfennig je Entfernungskilometer entspricht ebenfalls einer Erhöhung der Pauschal.: je Fahrkilometer um die gleichen 5 Pfennig. lmoweit wird also mit der bE;absichtigten Anhebung der Kilometerp3uschale-für die F'end

ler und allein fahrenden Pkw-Be~itzer, ausgehend von einer Verteuerung de5 Benzinpreise~ um 60 Pfennig, steuerlich ein volles Äquivalent geschaffen. Für die Bahnfahrer und solche Autofahrer, die Fahrg~:mein:;ch:~ften bilden, ergibt sich durch die Systemumstellung von der Kilometer- auf diE Entfer

nungspauschc.le sogar eine Besserstellung gegenüber dem geltenden Recht.

Meine Damen und Herren, diese Maßnahme h3t natürlich auch eine haushaltsmäßige Auswirkung und damit eine fiskalische SchattenseitE. Die Um:;tellung auf die Entfernungspau