Protokoll der Sitzung vom 15.12.2000

...................."........................ 9315 Gerster, Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit......................... 9320, 9322

Götte, Dr., Ministe.rin für Kultur, Jugend, Familie und Frauen........................ 9355

Zöllner, Prof. Dr., Minister für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung.............. · 933:2 Zuber, Minister des lnnern und für Sport........................... 9340, 9352, 9355, 9369 Reischauer-kirchner, Staatssekretärin................................. :............ 9361

Landta~J Rheinland-Pfalz- 13. Wahlperiode- 124. Sitzung, 15. Dezember 20009315

124. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pialz

am 15. DezemberZOOO

Die Sitzung wird um 9.31 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 124. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu Schriftführern berufe ich die Abgeordneten Michael Härter und Jochen Hartloff.

(Dr. Schiffmann, SPD: Eine Topbesetzung!)

Herr Hartlaff führt die Rednerliste.

Ents-chuldigt sind für heute die Abgeordneten Friederike Ebli, Ute Granold, Margot Nienkämper, Ulla Schmidt, lngrid Pahler und Guido Dahm.

Wir beginnen mit Punkt 1 der Tagesordnung:

Fragestunde -Drucksache 13!6577

Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Johannes Berg (CDU), Wiederherst~llung der Sicherheit in rheinland-pfälzisthen Straf- und Maßregelvollzugsanstalten betreffend, auf. Herr Berg, bitte tragen Sie IhreHagen vor.

Ich frage die Landesregierung: ·

1. Wie viele der sieben ·in den letzten Monaten bekannt ge-

wordenen Fälle des Ent\.veichens von Straftätern aus rheinland-pfälzischen Straf- und Maßregelvollzugseinrich~ tungensind darauf zurückzuführen, dass die Flüchtigen -Schlösser, Zäune, Schleusenoder sonstige Sperreinrichtungen überwinden mussten?

2. Aus welchen Gründen antwortet die Landesregierung auf diese Fälle des Entweichens nahezu ausschließlich mit neuen Schlössern, Zäunen, Schleusen oder sonstigen Sperreinrichtungen?

3. _Welche Kenntnisse hat die Landesregierung von den am 6. Dezember 2000 in der Mannheimer Ausgabe der BildZeitung von einem lnsa5sen mitgeteilten Zuständen in der JVA Ludwlgshafen?

4. Warum tut die LandesregieruQg nichts gegen solche Zu

Für die Landesregierung antwortet Herr Justizminister · Mertin.

Mertin,- Minister der Justiz:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fragen beantc warte ich für-die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Ein Strafgefangener ist uriter Überwindung der A[1staltsmauer entwichen, und zwar aus dem Arbeitsbereich der Justizvollzugsanstalt Wittlich.. Der Fall wurde am 8. August 2000 in der 26. Sitzung der Strafvollzugskommission eingehend besprochen.

Aus einer rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugseinrichtung ist ein Insasse entkommen, der einen Zweitschlüssel be

nutzt hat, um aus der Klinik zu entweichen.

Zu Frage 2: Im Anschluss an den Ausbruch ausder Maßregelvollzugseinrichtung hat das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit bauliche Sicherungsmaßnahmen deshalb für notwendig erachtet, weil es zu der Überzeugung kam, dass _ das benutzte Schließsystem der Klinik nicht mehr sicher ge

nug sein könnte. Es hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, dass der Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Sicherung im Maßregelvollzug der vergangenen Jahre wesentlich mehr umfasst hat als nur die Erhöhung des baulichen Sicherheits

stan-dards. Eine Konsequenz aus der gelungenen Flucht mit

hilfe eines Zweitschlüssels sei der Ausbau des Fort- und Wei

terbildungsangebots für die Beschäftigten im Maßregelvollzug gewesen.

. Der Lockerungsmissbrauch eines weitere11 Gefangenen, der von einem genehmigten Ausgang nicht zurückgekehrt ist, sei zum Anlass einer Überprüfung der Lockerungs_maßnahmen aller Maßregelvollzugspatienten im Land genommen worden. Die Prognosekriterien für Lockerungsmaßnahmen seien entsprechend angepasst worden.

Unabhängig von den aktuellen Ereignissen achtet das Minis

terium für Arbeit, Soziales und Gesundheit genau darauf, dass die Maßregelvollzugspatienten ein für sie adäquates Be

handlungsangebot erhalten. Um das zu ermöglichen, sei die Zahl der Personalstellen in den Maßregelvollzugseinrichtungen seit Anfang 1995 fast verdoppelt worden. Ein gut behandelter Maßregelvollzugspatient sei der beste-Opferschutz.

Ich füge für meinen Geschäftsbereicti hinzu, dass sich die technischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit innerhalb und außerhalb der Justizvollzugsanstalten insgesamt gut bewährt haben. Erfolgreiche Ausbrüche aus rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalten sind seit Jahren äußerst selten. Jeder einzelne Fall vvird aber sorgfältig af1aly

siert, und daraus werden die notwendigen Konsequenzen gezogen.

So haben wir nach dem erwähnten Ausbruch des Gefangenen aus _der Justizvollzugsanstalt Wittlich, der Glasbaus_teinfenster -ausgehebelt hatte, unverzüglich die betroffenen _ Glasbausteinfenster zusätzlich abgesichert, um eine darartige Möglichkeit der Entweichung künftig auszuschließen. Zudem haben wir einen zusatzliehen Innenzaun innerhalb des Anstaltsgeländes angebracht.

Jenseits aller technischen oder so genannter objektiver Maßnahmen sind jedoch die subjektiven Maßnahmen für die Sicherheit wesentlich, die das Personalaller Laufbahnen ergreifen und beachten muss. Dabei werden sie natürlich von technischen Möglichkeiten unterstützt, entscheidend sind aber organisatorische Maßnah-men sowie das hohe Fachwissen und das große Engagement jedes einzelnen Mitarbeiters unserer Einrichtungen.

Technik ist jedoch nur bedingt einsetzbar, wenn es um sachverständige Entscheidungen von Fachkräften, etw-a von Psychologen, Ärzten, Sozialarbeitern oder Therapeuten, oder um Entscheidungen rechtlicher-Artdurch die A_nstaltsleitungen geht. Es lässt sich nie ganz ausschließen, dass es in Einzelfallen zu Fehleinschätzungen aufwund unrichtiger Prognosen kommen kann. Wir versuchen, dieses Problem durch eine gute Ausbildung und ein umfassendes Weiterbildungsangebot zu minimieren. Wie sich ein Mensch künftig in bestimmten Situationen verhalten wird, kann auch der ausgewiesenste Sachverständige nicht mit letzter Sicherheit ein für allemal richtig prognostizieren.

Die Gesetzeslage zwingt aber zu- Einzelfallentscheidungen. Die Gefangene!! haben gegebenenfalls einen einklagbaren Anspruch darauf._ Häufig sind davon Vollzugslockerungen oder der Urlaub d~r Gefangenen betroffen. Sie sind ailesamt wichtige Elemente, um verhaftete Personen nach längerer Zeit wieder in das Leben der Gesellschaft einzugliedern. Das ist der Auftrag des Strafvollzugsgesetzes.. Dem Gesetzgeber war beim Erlass des Strafvollzugsgesetzes klar, dass dabei !'eh Ieinschätzungen möglich sind. Er hat sie aber bewusst und ausdrücklich in Kauf genommen; denn verantwortungsbewusste Vollzugslockerungen sind für die Gesellschaft siche

rer, als wenn ein Gefangener nach dem Ende der Haftzeit völlig unvorbereitet wieder dem inzwischen "drauße-n fortgeschrittenen Leben überantwortet wird.

Die Zahlen beweisen troti einiger fehlgegangener Progno

sen, dass in unseren Justizvollzugsanstalten mit derartigen Vollzugslockerungen äußerst verantwortungsbewusst umge

gangen wird. ln über 99 % der Fälle gibt es keine Feh_leinschatzung. ln über 99 % der Fälle sind die schwierigen Prognosen richtig, und die Gefangenen haben sich an die Vorgaben gehalten.

Daher wäre ich dem hohen Hause außerordentlich dankbar, wenn es alles dafür tun würde, um die Entscheidungsträger, die den Willen des Bundesgesetzgebers umsetzen müssen und sich dabei die größte Mühe geben, oei ihrer schwierigen Aufgabe nicht im Regen stehen zu lassen.

Zu den Fragen 3 und 4: Die von de-r.. Bild" -Zeitung dargestellten angeblichen Zustände in der JVA Ludwigshafen treffen in wesentlichen Bereichen nicht zu. ln der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen erhalten geeignete Gefangene Vollzugslockerung, also auch Freigang, erst nach eingehender Beratung einer Konferenz, an der nicht nur_ die Psychologen, sondern alle an der Therapie Beteiligten, also auch Sozialarbeiter und der Aufsichtsdienst, mitwirken.

Zurzeitbefinden sich vier Gefangene im Freigang. Der Vorsitzende des Anstaltsbeirats hat unlängst gegenüber dem Referenten für die Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen im Ministerium der Justiz geäußert, dass die Gefangenen zu wenig Vollzugslockerurigen erhalten wurden.

Die Angaben in der-.. Bild-Zeitung" zu dem Gefangenen P.,