Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Kiltz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Creutzmann, Sie müssen aufpassen, dass Sie sich nicht lächerlich machen. Sie bejubeln hier einen Modellversuch, dessen Grundlage, dem Bundesgesetz, Ihre Fraktion in Berlin nicht zugestimmt hat. Man muss sich einfach einmal vor Augen führen, wo Sie welche Politik machen.

(Creutzmann, FDP: Machen Sie überall, was die Berliner machen?)

Sie können nachher noch einmal dazu Stellung nehmen. Mit dem Modellprojekt „Begleitetes Fahren ab 17“ will die Landesregierung junge Autofahrerinnen und Autofahrer besser auf den Straßenverkehr vorbereiten. Wir begrüßen das. Es ist ein richtiger Schritt und ein wichtiger Baustein von weiteren notwendigen Bausteinen für mehr Verkehrssicherheit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bauckhage, aber warum haben Sie so lang gezögert und sich sogar von einem sichtlich überforderten Bundesverkehrsminister überholen lassen? – Weil Sie – so nachzulesen im „Pfälzischen Merkur“ in der Ausgabe vom 10. September 2003 – dem Projekt – ich zitiere – „reserviert gegenüberstanden“ mit der Begründung, dass die Lust der Jugendlichen, mit Vater oder Mutter durch die Gegend zu fahren, eher gering sei. Das ist wohl nicht die sinnvollste Argumentation angesichts der Unfallzahlen, um die es geht. Sie sind eben schon genannt worden.

Meine Damen und Herren, warum sind jugendliche Autofahrer – hier ist die männliche Form sehr angemessen, weil es in erster Linie die jungen Männer sind – überproportional unter den Verursachern und Opfern von Verkehrsunfällen zu finden? – Weil sie zwar Auto fahren können, wenn sie ihren Führerschein gemacht haben, es aber nicht beherrschen und sich selbst offenbar nicht richtig einschätzen können.

Die Ursache der Unfälle ist in vielen Fällen zu schnelles Fahren, amtlich als unangepasste Geschwindigkeit verniedlicht, oft auch noch in Verbindung mit Alkohol. Weitere Unfallursachen: Fehlverhalten bei der Vorfahrt und zu geringer Abstand.

Die tendenziell sinkende Unfallhäufigkeit mit zunehmendem Alter zeigt uns den Weg: durch zunehmende Fahrpraxis das Auto besser beherrschen und die eigenen Fähigkeiten besser einschätzen lernen. – Deshalb ist der Weg, mit der Fahrpraxis in Begleitung einzusteigen und als Belohnung den Führerschein früher machen zu dürfen, der richtige Weg.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es hätte dem FDP-geführten Landesverkehrsministerium gut angestanden, sich den Nordlichtern unter Anführung des ebenfalls FDP-zugehörigen niedersächsischen Verkehrsministers anzuschließen und offensiv das Modellprojekt zu vertreten und einzufordern.

Die positiven Erfahrungen im benachbarten europäischen Ausland, zum Beispiel in Österreich, lagen spätestens mit der Anhörung im Verkehrsausschuss vor zwei Jahren auf dem Tisch. Man hätte da sofort einsteigen können. Mittlerweile hat selbst bei Herrn Stolpe, der sich lange als Bedenkenträger in dieser Frage gefiel, die Vernunft gesiegt, und die Bundesverordnung liegt vor. Jetzt will sich die FDP-Landtagsfraktion als Überholer präsentieren.

Sie überholen aber doch nur die, die sich auf der Kriechspur befinden. Für mehr reicht es bei ihnen nicht,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

zumal die FDP im Bund den Vogel abgeschossen hat – ich habe es eben schon erwähnt – und dem Bundesgesetz nicht – ich wiederhole: nicht – zustimmte. Sie wollte allen Ernstes die Auswahl der Begleitpersonen auf die Erziehungsberechtigten beschränken. Wäre die Bundestagsmehrheit diesem Vorschlag gefolgt, wären

all jene Jugendlichen ausgeschlossen, deren Erziehungsberechtigte nicht in der Lage sind, die Anforderungen zu erfüllen, die an die Begleitpersonen gestellt werden.

Ich vermute, Sie sagen uns nachher noch ein paar erklärende Worte dazu, wie sich das verhält.

Ab dem 2. November soll nun der Start in RheinlandPfalz sein. Wie einer Informationsschrift vom August zu entnehmen ist, wird den einzutragenden Begleitpersonen eine Schulung empfohlen. Nach unserer Auffassung müsste diese Schulung eigentlich Pflicht sein.

Herr Minister Bauckhage, Ihr Kollege in Niedersachsen, der das gleiche Parteibuch hat wie Sie, will dies so handhaben. Vielleicht sollten Sie einmal Kontakt zu ihm aufnehmen. Das wäre vielleicht nicht schädlich.

Meine persönliche Meinung ist, dass ein derartiger Einstieg wie das begleitete Fahren als Fahrzeugführerin oder als Fahrzeugführer in den Straßenverkehr für alle Jugendlichen gut wäre. Nach Auswertung der nun hoffentlich zahlreich startenden Modellprojekte müsste meines Erachtens darüber nachgedacht werden, ob und wie dies sinnvoll zu bewerkstelligen ist.

Mehr in der nächsten Runde.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte noch Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, einmal Soldaten des III. Luftwaffenausbildungsregiments der Bundeswehr Germersheim,

(Beifall im Hause)

Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Mainzer Landtagsseminar (Beifall im Hause)

und Frau Generalkonsulin der Republik Türkei, Berin M. Tulum. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Herr Minister Bauckhage, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst etwas zu den Ausführungen von Ihnen, Frau Kiltz, und Ihnen, Herr Wirz.

Die Rechtsgrundlage für dieses begleitete Fahren gibt es seit Juli 2005, keinen Tag früher und keinen Tag später. (Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Danach kann man erst handeln.

(Zuruf des Abg. Wirz, CDU)

Das ist so. Ich sage Ihnen das alles, damit Sie dann immer wissen, wovon Sie reden. Deshalb sage ich Ihnen, wie es ist. Das ist wichtig.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP, und bei der SPD)

Erst danach konnten wir die entsprechenden Maßnahmen auf den Weg bringen.

Übrigens hat das Land Rheinland-Pfalz im Bundesrat dem zugestimmt. Das muss man auch wissen.

(Creutzmann, FDP: Frau Kiltz, haben Sie es gehört!)

Die FDP ist keine Kader-Partei. Sie macht nicht alles, was in Berlin gemacht wird, in Mainz oder in Stuttgart nach. Das mag bei Ihnen anders sein. Das will ich nicht bestreiten. Aber wir sind keine Kader-Partei.

Frau Kiltz, Sie zu überholen, ist gar kein Problem. Das kann man im Kriechgang machen, weil Sie rückwärts gehen.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum hat das mein Kollege Hirche als erster gemacht? – Er hat – übrigens in Übereinstimmung mit der Verkehrsministerkonferenz – im Rahmen eines Pilotprojekts eine Ausnahmegenehmigung erhalten, um das System zu erproben und die daraus gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen oder nicht.

(Creutzmann, FDP: So ist es! Frau Kiltz, hören Sie zu!)

Er war der Einzige, der sagte, ich beantrage die Ausnahmegenehmigung, um das zu versuchen. „Pilot“ muss man jetzt nicht interpretieren. Er hat es gemacht, und die Ergebnisse sind gut.

Meine Damen und Herren, das ist der Hintergrund, warum wir es jetzt machen. Der zweite Hintergrund ist der entscheidende Hintergrund, nämlich die Verkehrssicherheit. Alle Ergebnisse sagen, dass die Verkehrssicherheit gerade bei diesen Fahranfängern erheblich zugenommen hat. Das sieht man in Kentucky, also in den USA, in anderen Staaten wie Österreich bis hin nach Niedersachsen. Das haben Sie alles angeführt. Es zeigt sich, dass die Verkehrssicherheit dadurch erhöht wird. Das ist der Grund dafür, weil wir der Verkehrssicherheit eine hohe, die höchste, die allerhöchste Priorität beimessen.

(Beifall des Abg. Kuhn, FDP)

Da muss man nicht sofort einen Feldversuch durchführen, wenn man einen Pilotversuch hat. Den hat mein Kollege Hirche gemacht. Vor dem Hintergrund muss man die Sache sehen.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2004 kamen in Rheinland-Pfalz bei Verkehrsunfällen 64 junge Fahranfänger zwischen 18 und 25 Jahren ums Leben. 840 Fahranfänger wurden schwer verletzt.

Bei der Schwerverletzung muss man wissen, dass es eine schwierige Abgrenzung ist. Wenn man zwei Tage im Krankenhaus liegt, ist man schon schwer verletzt. Das ist der Maßstab. Deshalb sind die Verletzungen nicht immer schwerste Verletzungen.

Meine Damen und Herren, die Höhe dieser Quote macht deutlich – wenn man bedenkt, dass diese Altersgruppe zwischen 8 % und 9 % der Bevölkerung ausmacht, dass es Handlungsbedarf gibt.

Ursache für ihre überdurchschnittlich hohe Verwicklung in Verkehrsunfälle sind aber entgegen einer verbreiteten Vorstellung nicht nur die erhöhte Risikobereitschaft und jugendliches Imponiergehabe, vielmehr spielt die mangelnde Fahrpraxis eine genauso große Rolle.

So fahren die Jugendlichen sehr häufig nachts. Die kurvigen Außenortstraßen im ländlichen Raum verlangen eine gute Fahrpraxis, vor allem bei der Anpassung der Geschwindigkeit vor und in Kurven.