Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die EU-Chemikalienrichtlinie wird zur unendlichen

Geschichte. Der Streit um die Verordnung geht weiter. Wir haben das gerade erlebt.

Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, der die Chemiekalienrichtlinie federführend betreut, hat sich jetzt für ein aufwändigeres Verfahren als zuvor der Ausschuss für Binnenmarkt und der Ausschuss für Industrie ausgesprochen.

Erneut ist also Bewegung in dieses Regelwerk gekommen, das für die Chemische Industrie, und zwar vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen der Chemischen Industrie, von existenzieller Bedeutung ist.

Die Konturen der künftigen Chemiekalienverordnung werden sich voraussichtlich erst Mitte November abzeichnen, wenn die Verordnung im Europäischen Parlament verhandelt wird.

Meine Damen und Herren, die EU-Kommission verspricht sich von der Chemiekalienverordnung einen großen Nutzen im Kampf gegen Allergien, Asthma oder andere durch Chemikalien ausgelöste Krankheiten. Da kann ich dem Kollegen Braun nur zustimmen. Das wiederum könne Kosten für Behandlungen, Arbeitsausfall oder Umweltschäden in Milliardenhöhe sparen.

Meine Damen und Herren, Ziel der EU-Kommission ist es auch, durch „REACH“ die Sicherheit von Mensch und Umwelt zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken. Diese Ziele und Erwartungen unterstützt unsere Fraktion ohne Vorbehalt.

Meine Damen und Herren, der Mittelstand befürchtet gravierende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit, wenn nach der Absicht des Umweltausschusses selbst für kleinste Stoffmengen hoher bürokratischer Aufwand betrieben werden muss. Daher hatten sich der Ausschuss für Binnenmarkt und der Industrieausschuss darauf verständigt, einen Ansatz zu wählen, der sich mehr am Risiko als an der produzierten Menge der Chemikalien orientiert.

Für Stoffe bis zu zehn Tonnen sollen weniger Daten zur Registrierung und Prüfung verlangt werden. Vorgesehen ist zudem eine Übergangsfrist von elf Jahren. Es gibt Stimmen aus dem konservativen und dem liberalen Lager, dass dieses Votum des Umweltausschusses die Industrie in der Bürokratie ersticken lässt und der Datenaufwand für die kleineren Hersteller nicht mehr handhabbar ist.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktion ist der Meinung, dass Chemikaliensicherheit nur durch eine Verordnung erreicht wird, die nicht zum bürokratischen Monster für die Unternehmen wird. Herr Kollege Gebhart, in diesem Punkt bin ich einmal auf die Kompetenzen der neuen Bundeskanzlerin gespannt.

(Dr. Gölter, CDU: Was soll denn der Quatsch? – Schwarz, SPD: Da hat er Recht!)

Meine Damen und Herren, nach der Vorstellung des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments wären Nutznießer der Verordnung die Hersteller von

Erzeugnissen außerhalb der EU, die sich bei der Verwendung von Chemikalien nicht an die „REACH“Vorgaben halten müssen.

(Dr. Gölter, CDU: So etwas Billiges! – Weitere Zurufe im Hause)

Ich verstehe die Unruhe gar nicht.

Ungeprüfte Chemikalien könnten in Verbraucherprodukten wie Bekleidungstextilien und Lederwaren, aber auch in Bauteilen für die Automobil- und Elektroindustrie problemlos in die EU-Mitgliedstaaten importiert werden. Die Folge wäre eine massive Wettbewerbsverzerrung. Per Saldo führt die „REACH“-Verordnung in der vorliegenden Fassung zum Verlust von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, ohne den Umwelt- und Verbraucherschutz angemessen zu verbessern.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auf weitere Konsequenzen komme ich im zweiten Teil meiner Ausführungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Als Gäste im Landtag begrüße ich Bürgerinnen und Bürger aus Herxheim sowie Mitglieder der Gewerkschaft Transnet aus Trier. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag! (Beifall im Hause)

Ich erteile Frau Umweltministerin Conrad das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, die Beratung über ein neues umfassendes europäisches Chemikalienrecht tritt zurzeit in eine sehr entscheidende Phase. Das Parlament berät über rund 1.500 verschiedene Anträge. Die ersten Entscheidungen des Ausschusses für Binnenmarkt, des Ausschusses für Industrie, aber auch des Umweltausschusses liegen hierzu bereits vor.

Die erste Lesung im Parlament soll am 15. November 2005 erfolgen. Es ist beabsichtigt, in den nächsten Wochen einen gemeinsamen Standpunkt von Kommission und Parlament, nach Möglichkeit auch unter Einbeziehung der nationalen Regierungen, zu erreichen. Die britische Präsidentschaft strebt an, bis Ende November eine politische Entscheidung herbeizuführen.

Herr Gebhart, ich möchte zwei Anmerkungen zu dem machen, was Sie gesagt haben. Zunächst einmal herzlichen Dank für das Lob an die Landesregierung für die Position, die wir seit Jahren vertreten haben.

Ich muss aber den Versuch zurückweisen, hier zu differenzieren und zu glauben, die Erfolge seien die Erfolge

einer Partei. Im Ausschuss für Binnenmarkt und im Industrieausschuss sind die Beschlüsse mit einer überwältigenden Mehrheit gefasst worden, an der sich auch die Mitglieder der sozialistischen Fraktion, aber auch die der EVP beteiligt haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bleiben Sie bei der Berichterstattung im Parlament bei der Wahrheit.

Gerade in Richtung Europa sollten wir noch einmal sagen, die Europäische Kommission hat ein nie da gewesenes beispielhaftes Beteiligungsverfahren eingeleitet. Das spricht für ein Europa der Beteiligung der Menschen und auch der Organisationen. Die Landesregierung hat dieses Verfahren genutzt.

Wir haben darüber hinaus aber in jeder Phase auf jedem zur Verfügung stehenden Weg mit jeder politischen Entscheidungsebene bis zum Kommissionspräsidenten und den einzelnen Kommissaren gerade auch zuletzt in den Gesprächen des Ministerpräsidenten gegenüber dem Europäischen Parlament, gegenüber der Bundesregierung direkt und auch gegenüber dem Bundesrat interveniert und unsere Überlegungen im Interesse einer praktikablen, kosteneffizienten und den Verbraucherschutz berücksichtigenden Verordnung deutlich gemacht.

Wir haben uns im Wesentlichen von vier Eckpunkten leiten lassen:

1. Wir wollen eine Vereinfachung erreichen, um möglichst schnell, aber auch im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit Daten, Registrierungen und Zulassungen zu erreichen.

2. Wir haben besonders die Belange der kleinen und mittelständischen Unternehmen berücksichtigt, aber auch die Innovationsfähigkeit.

3. Wir wollen für faire Wettbewerbsbedingungen in diesem Prozess sorgen.

4. Wir haben immer auch auf die Aspekte des Tierschutzes geachtet.

Wir haben erhebliche Erfolge zu verzeichnen. Ich möchte nur einige Punkte nennen:

Wir haben in der Produktionskette eine Registrierung von Anfang an und damit eine Erleichterung in der Weiterverarbeitung. Das hilft gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Über 100.000 Polymere sind aus der Registrierpflicht herausgenommen worden, weil sie ungefährlich sind.

Wir haben eine Verbesserung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse erreicht.

Wir haben eine direkte Entscheidung über die Registrierung durch die Europäische Chemikalienbehörde durchgesetzt, die auch für Zulassungen zuständig ist und

damit nationale Behörden- und nationale Alleingänge ausschließt.

Wir haben eine verbesserte Übermittlung der sicherheitsrelevanten Daten innerhalb der Produktionskette bis zu den Endverbrauchern und -verbraucherinnen.

Wir haben zudem eine Herausnahme der Forschung bis zu zehn Jahren von jeglicher Registrierungspflicht. Auch dies hilft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, zurzeit beraten die europäischen Gremien und das Europäische Parlament in der Schlussphase über die Umsetzung einer solchen Verordnung.

Die Überschrift der Aktuellen Stunde, die lautet „Drohende Verschärfung der Chemikalienrichtlinie“, ist falsch. Alle Beratungsergebnisse der Ausschüsse zeigen eine deutliche Tendenz auf, dass nämlich die in meinem letzten Schreiben angesprochenen Punkte ernst genommen werden. Viele davon finden sich in den Beratungsergebnissen der Ausschüsse wieder. Ich denke, das ist ein Erfolg für uns.

(Beifall bei der SPD)

Von einer Verschärfung ist deshalb zurzeit nicht zu reden.