Protokoll der Sitzung vom 12.10.2005

Von einer Verschärfung ist deshalb zurzeit nicht zu reden.

Ich will auf einige Aspekte des Umweltausschusses eingehen. Die Bundesregierung muss eine Position beziehen. Gerade vor dem Hintergrund der nationalen Entscheidungssituation haben wir gegenüber dem Parlament die Punkte hervorgehoben. Bei 1.500 Anträgen war es wichtig, eine Sortierung vorzunehmen. Dem galt diese Intervention. Wir haben die zentralen Punkte in einem Antrag im Deutschen Bundesrat eingebracht. Dieser Antrag ist gestern vom Kabinett verabschiedet worden und wird am Freitag im Bundesrat beraten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einige Punkte daraus hervorheben. Wir müssen ein Interesse haben, bei den problematischen Stoffen schnell zu einer Registrierung zu kommen. Das wollen wir auch aus Sicherheitsaspekten. Wir wollen, dass man eine Prioritätenliste, eine Reihenfolge für die Registrierung und Zulassung der Stoffe macht, die die problematischen Stoffe an den Anfang stellt. Wir wollen den Datenumfang und Untersuchungsaufwand daran orientieren, dass nicht nur die Produktionsmenge der einzige Maßstab dabei ist, sondern dass wir diesen Maßstab mit der Frage verknüpfen, wie gefährlich ein Stoff ist, zum Beispiel Toxizität, und ob er in der Produktionskette in Kontakt mit Mensch und Umwelt kommt. Das ist die Frage der Exposition. Die Produktionsmenge ist maßgeblich für die Bedeutung des Stoffes in der Umwelt. Wir haben deswegen einen sehr einfachen Vorschlag unterbreitet, wie das umsetzbar ist, damit auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit einer solchen Registrierung leben können.

Meine sehr vereehrten Damen und Herren, der Verordnungsentwurf regelt den Umgang mit Importen. Es gibt

noch erhebliche Lücken. Unsere Forderung ist es, dass diese denselben Anforderungen unterliegen wie bei den in Europa produzierten und in Verkehr gebrachten Stoffen. Alles andere macht keinen Sinn und ist vor allen Dingen aus Sicherheitsgründen nicht zu rechtfertigen. Was wäre die Konsequenz? Die Konsequenz wäre, dass die Produktion gegebenenfalls in außereuropäische Länder verlagert würde, weil beim Import weniger Anforderungen gestellt werden, als wenn ein Stoff hier produziert wird. Diese Position ist bei uns im Haus in Kooperation und in Gesprächen mit Unternehmen erarbeitet worden. Ich habe mit Freude gelesen, dass der VCI das in seiner Position aufgenommen hat. Wir haben grundsätzlich zu „OSAR“ ja gesagt, das ist eine Registrierung des Stoffes. Das geschah, um Mehrfachregistrierungen zu vermeiden.

Ich komme zu der Frage der Konsortien. Wir haben gesagt, wir wollen keine Zwangskonsortien. Wie man damit richtig umgeht, müssen wir diskutieren. Worum geht es eigentlich? Es geht um die Zusammenarbeit der Unternehmen bei der Registrierung. Es macht keinen Sinn, wenn 100 Unternehmen denselben Stoff produzieren, dass jeder einzelne eine Registrierung macht und die entsprechenden Kosten trägt.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Das macht auch vor dem Hintergrund der Tierschutzaspekte keinen Sinn. Ich denke, es ist sinnvoll, Anreize zu schaffen, dass Unternehmen zusammenarbeiten. Im Übrigen verfügt die Industrie schon heute über große Erfahrungen bei der gemeinsamen Nutzung von Daten und der damit zusammenhängenden Kostenaufteilung.

Alle diese Punkte sind natürlich bedeutsam für Tierversuche. Wir wollen, dass Tierversuche vermieden werden, soweit dies möglich ist.

Herr Dr. Braun, deswegen verstehe ich an dieser Stelle die Position des Umweltausschusses nicht. Der UmweltAusschuss geht nach wie vor davon aus, dass nur die Menge für den Datenumfang entscheidend ist. Das ist unsinnig, weil auch große, nicht gefährliche Mengen oder solche, die nur im Containment behandelt werden, dann eine Unmenge von Tierversuchen brauchen. Das geht bis zur Mutagenität, wenn schon Stoffdaten vorhanden sind. Dann ist dies überhaupt nicht notwendig. Wir wollen, dass andere Faktoren in die Beurteilung und den Datenumfang mit eingehen.

Wir wollen, dass mehr Alternativmethoden zu Tierversuchen bei der Registrierung zugelassen werden und sich die Europäische Union hier stärker engagiert. Je nachdem, welche Alternativmethoden zugelassen werden, geht es um eine Größenordnung von 1,2 Millionen bis 5 Millionen Tierversuchen. Es lohnt, zu Vereinfachungen zu kommen.

Ich will noch einen letzten Punkt kurz ansprechen. Wir wollen, dass nicht die nationalen Behörden die Stoffe in Zukunft bewerten. Wenn das der Fall wäre, wäre es einfach, sich die Länder für die Bewertung eines Stoffes auszusuchen, in denen die Standards entsprechend gering sind. Im Interesse für einen fairen Wettbewerb für

alle Unternehmen und Produkte soll die Bewertung bei der Europäischen Chemikalienagentur verbleiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Ich denke, an dieser Stelle und an diesem Verfahrensstand macht die Landesregierung deutlich, wir sind uns unserer Verantwortung für den Chemiestandort Rheinland-Pfalz und den Chemiestandort Deutschland in Europa bewusst. Wir wollen, dass Sicherheit, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit keine sich ausschließenden Gegensätze sind. Wir denken, dass wir dies mit unseren Vorschlägen immer wieder deutlich gemacht haben. Sie gehören in der Strategie einer nachhaltigen Entwicklung der Chemiebranche in Europa zusammen. Nur so kann die Chemie ihren Beitrag dazu leisten, dass die Lissabon-Strategie Erfolg hat, Europa zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat Herr Dr. Gebhart.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei all dem, was gesagt wird, was wir uns wünschen, müssen wir feststellen, Fakt ist und bleibt das, was der Umweltausschuss vor wenigen Tagen beschlossen hat. Es ist so. Ich kann es nur noch einmal sagen, das war mit den Stimmen der Sozialisten, der GRÜNEN und der Liberalen.

(Mertes, SPD: Die Schadenfreude ist Ihnen anzusehen! – Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Es ist die Wahrheit.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns ansehen, was dort beschlossen worden ist, und es mit Ergebnissen verschiedener Studien über die Auswirkungen von „REACH“ vergleichen, müssen wir feststellen, wenn es so beschlossen würde, wie es im Moment auf dem Tisch liegt, dann wird es in Europa und auch in RheinlandPfalz am Ende viele Arbeitsplätze kosten.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn „REACH“ Anreize zu Produktionsverlagerungen setzt und am Ende die Fertigerzeugnisse aus dem außereuropäischen Ausland nach Europa exportiert werden, dann haben wir alle nichts gewonnen. Die Wirtschaft hat nichts gewonnen. Die Menschen, die hier Arbeit suchen, haben nichts gewonnen. Die Umwelt hat auch nichts gewonnen.

Wir müssen Folgendes sehen: Es ist und bleibt die große Crux an dieser Regelung, „REACH“ ist so konzipiert, dass die Stoffe in Fertigerzeugnissen, die am Ende in

China oder sonst wo in der Welt hergestellt und am Ende zu uns exportiert werden, nicht den gleichen Anforderungen unterliegen wie Stoffe, die in Europa hergestellt werden.

Deswegen geht es nicht, und es ist deswegen ein Grundfehler, dass wir in Europa einseitig die Anforderungen exorbitant nach oben treiben. Am Ende wird uns das sehr schaden. Deswegen brauchen wir ein besseres „REACH“.

(Glocke des Präsidenten)

Klar ist, die Position des Umweltausschusses ist schlecht. Sie schadet uns. Sie muss vom Tisch. Ich fordere Sie nochmals auf, tragen Sie vonseiten der Landesregierung dazu bei.

(Beifall der CDU)

Es spricht noch einmal Herr Abgeordneter Ramsauer.

Lieber Herr Dr. Gebhart, wir sollten uns gegenseitig nicht den Willen absprechen.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD)

Richtig ist, dass Sozialdemokraten in den beiden Ausschüssen – im Binnenmarktausschuss und im Industrieausschuss – natürlich für den vernünftigen Kompromiss gearbeitet haben. Richtig ist, dass alle maßgebenden Sozialdemokraten in Deutschland für diesen vernünftigen Kompromiss arbeiten.

Verehrte Frau Staatsministerin Conrad, wir unterstützen den Antrag des Ministerrates nicht nur, sondern wir arbeiten mit ihnen zusammen, dass das auch umgesetzt werden kann, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Herr Dr. Braun, wenn Sie sagen “hart an der Sache“, der Spannungsbogen war tatsächlich so. Wir sagen Ihnen jetzt noch einmal unsere Forderungen, die im Wesentlichen mit den Beschlüssen der beiden genannten Ausschüsse übereinstimmen. Wir wollen: Ein Stoff, eine Registrierung. – Wir wollen aussagekräftige Grunddatensätze in der Vorregistrierungsphase. Wir wollen Stoffpriorisierung nach Risikomaßstäben, und wir wollen eine vereinfachte Expositionsbeurteilung mit Expositionskategorien und Stärkung der Chemikalienagentur, die maßgebend sein muss.

Meine Damen und Herren, wir sagen, es ist falsch, Stoffe lediglich nach ihren Eigenschaften, nicht aber nach ihrem Nutzen zu bewerten.

Meine Damen und Herren, die generelle Registrierungspflicht von geringen Herstellungsmengen ist nach wie vor nach unserer Auffassung unvernünftig. Das sind die

wichtigen Punkte, die unterstreichen, warum wir sagen, dass es uns massiv darum geht und wir uns massiv dafür einsetzen, dass europaweit ein flexibles marktwirtschaftliches Instrument installiert wird, das einen erkennbaren ökologischen Nutzen schafft und auf eine überbordende Bürokratie verzichtet wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es muss aber auch von kleineren und mittleren Unternehmen getragen werden können. Es muss dazu beitragen, dass hoch qualifizierte Arbeitsplätze in unserem Land nicht in Gefahr gebracht werden.

(Beifall bei der SPD und Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will es hier noch einmal sagen, die SPD arbeitet im Land und im Bund und genauso in Europa mit, die Arbeitsplätze in der Chemie und in vielen anderen Gewerben zu sichern, aber gleichermaßen auch die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Stoffen zu bewahren, die gefährlich sein könnten.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Nunmehr hat Herr Abgeordneter Dr. Braun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute ist im „Handelsblatt“ zu lesen, dass der DGBVorsitzende Michael Sommer noch einmal an die SPDEuropaabgeordnete Mann geschrieben hat, dass sie nicht diesen Kompromissen im Binnenmarktausschuss zustimmen soll, sondern sie sich nicht weich klopfen lassen soll und den Vorbedingungen des Umweltausschusses bitte zustimmen soll, und zwar – ich sage das hier noch einmal wörtlich –: „Die bisherigen Beratungsergebnisse des Binnenmarkt- und Industrieausschusses würden den Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz – Arbeitsschutz, meine Damen und Herren von der SPD – in einem Umfang vernachlässigen, der die Ziele des neuen Chemikalienrechts infrage stelle.“

Meine Damen und Herren, es ist doch tatsächlich so, dass wir um einen Kompromiss seit Jahren ringen. Jetzt sind wir nahe an diesem Kompromiss dran. Großbritannien hat einen Kompromiss vorgeschlagen. Jedes Mal, wenn der Kompromiss in der Nähe ist – der Herr Ministerpräsident hat damals VCI, IG BCE und auch das Regierungspapier hier vorgestellt, da war der Kompromiss auch in der Nähe –, kommt die CDU als Lobbyist des VCI und sagt. Dieser Kompromiss ist uns nicht weitgehend genug, wir müssen es noch mehr aufweichen, noch mehr aufweichen und noch mehr aufweichen. – Am Schluss bleibt nichts mehr übrig, Herr Gebhart. Das ist doch das Problem, das wir haben. Wir haben uns doch in Europa auf den Weg gemacht, damit am Schluss ein Ergebnis vorliegt, damit am Schluss eben

nicht die Stoffe unter zehn Tonnen nicht getestet werden, sondern sie auch getestet werden. Wir können nur durch die Tests feststellen, ob sie gefährlich sind oder nicht.

Frau Conrad, es ist schon erstaunlich, dass Sie dann immer den Tierschutz anführen, wenn es um die EUChemikalienrichtlinie geht. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir da nacharbeiten müssen. Wir sind uns sehr bewusst, dass wir alternative Methoden brauchen. Aber wenn es um die transgenen Tiere in der Universitätsklinik in Mainz geht, dann höre ich Sie nicht. Da werden mehr Tiere verbraucht als vorher, wenn dieser neue Bau gemacht wird. Da höre ich Sie nicht so laut, nur wenn es um die Chemikalienrichtlinie geht, Frau Conrad. Da muss man schon ehrlich sein und sagen: Wenn, dann gilt das für alles.