Protokoll der Sitzung vom 13.10.2005

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf noch einige Ausführungen zum ersten Zuwanderungs- und Integrationsbericht der Landesregierung machen.

Es gibt drei Kategorien von Zuwanderern. Die erste sind Zuwanderer, die bereits im Land sind und bei denen es wünschenswert ist, dass sie in Deutschland bleiben. Das sind sicherlich Fälle erfolgreicher Integration, also Menschen, die in Deutschland ein neues Zuhause und Arbeit gefunden haben.

Dann gibt es Zuwanderer, bei denen es wünschenswert und im Interesse von Deutschland ist, dass sie nach Deutschland kommen. Das sind zum Beispiel Fachkräfte und Hochqualifizierte. Im Übrigen wandern jährlich mehr Fachkräfte und Hochqualifizierte ins Ausland aus als aus dem Ausland ein. Das sei dazu vielleicht auch noch einmal angemerkt.

Bei der dritten Gruppe ist oftmals eine Integration nicht möglich, weil diese aufgrund mangelnder Qualifikation nicht in der Lage sind, Arbeit zu finden, oder weil sie

nicht willens sind, sich in die deutsche Lebenswelt einzufügen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, grundsätzlich ist der Integrationsbericht der Landesregierung zu begrüßen. Wenn man sich allerdings den Bericht genauer anschaut, sind dort viele Rechtsvorschriften, Statistiken, Selbstverständlichkeiten und Allgemeinplätze aufgeführt. Der Bericht stellt weniger Lösungen dar als einfach eine Zustandsbeschreibung.

Der Bericht allein ist noch kein hinreichender Beweis dafür, dass in Rheinland-Pfalz Integration gelingt. Die Realität der Integration sieht oftmals anders aus als in diesem Bericht beschrieben.

Das Bildungs- und Qualifikationsprogramm wurde nicht immer optimal genutzt, ist dort zu lesen. Fakt ist, viele Einwanderer haben nur unzureichende Sprachkenntnisse und haben so große Schwierigkeiten, auf dem Arbeits- oder Ausbildungsmarkt eine Stelle zu finden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sprache ist daher der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration. Verpflichtende Deutschkurse bzw. Integrationskurse und möglichst frühzeitige Sprachförderung sind für Einwanderer daher von entscheidender Bedeutung für eine wirkliche Integration. Aus diesem Grund muss noch mehr geleistet werden, als in diesem Bericht aufgeführt ist.

Integration ist keine Einbahnstraße. Die Integration von Menschen, die längerfristig bei uns leben, muss gefördert werden. Diese müssen im Gegenzug die Erfordernisse des Zusammenlebens, Wohnens und Arbeitens in unserer Gesellschaft erfüllen. Dazu gehört beispielsweise das Leben nach unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung.

Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört dazu. Gegen die Verletzung der in Deutschland garantierten Menschenrechte wird die CDU entschlossen vorgehen. Insbesondere der Schutz von Mädchen und Frauen soll dabei gestärkt werden. Meine Kollegin HuthHaage hat dazu schon einiges ausgeführt. Ich denke, wir werden das im Ausschuss intensiv thematisieren.

Beispielsweise müssen Zwangsverheiratungen stärker bekämpft werden. Der Straftatbestand der Nötigung zur Zwangsheirat muss geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Integration ist eine wichtige Aufgabe für unsere Gesellschaft. Lieber Herr Staatssekretär Stadelmaier, aus Ihrer Presseerklärung zum Integrationsbericht war zu entnehmen, dass Sie von einer Generationenaufgabe ausgehen. Von 20 bis 30 Jahren war dort zu lesen. Das ist ein Zeitrahmen, den Sie etwa vorgegeben haben. Ich denke, man muss klar sagen, unsere Gesellschaft kann sich nach unserer Ansicht diese lange Zeit nicht mehr erlauben. Wir müssen jetzt handeln und reagieren. Die Probleme dürfen wir nicht länger auf die lange Bank hinausschieben. Es

wäre wichtig, jetzt zu reagieren; denn es ist vor allem wichtig für unsere Gesellschaft.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Frau Kollegin Morsblech hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz noch ein paar Worte zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion zur Situation muslimischer Frauen und Mädchen sagen. Ich denke, man sollte noch einmal darauf hinweisen, dass es gesellschaftspolitisch natürlich eine wichtige Diskussion ist. Es ist wichtig, diese anzustoßen.

Gerade die Migrantinnen und Migranten aus muslimisch geprägten Ländern stellen aufgrund ihrer Religion in der Integrationsfrage eine besondere Herausforderung dar. Für diese Menschen ergibt sich auch eine besondere Herausforderung. Wenn ich mir die Große Anfrage anschaue, dann ist die wortgleich mit einer Anfrage, die bereits im Bundestag gestellt wurde. Das gilt bis auf die berühmte Frage Nummer 69. Da geht es um RIGG. Ich habe die Frage aufgespürt, die anders ist, weil es mich sehr herausgefordert hat.

Ich bin froh, dass hier der Umfang der Beantwortung ähnlich ist. Ich bin dankbar, dass sich auch diese Landesregierung auf dem grundgesetzlichen Boden und auf dem Boden der Datenschutzgesetze bewegt. Es ist so, dass personenbezogene Daten über die Religionszugehörigkeit nur dann in diesem Land erhoben werden können, wenn es dazu einen triftigen Grund gibt, der diese Ausnahme rechtfertigt. Ich denke, man darf nicht fordern, dass bei einzelnen Religionen Ausnahmen gemacht werden. Dazu müsste man die Gesetze ändern. Solche Dinge zu fordern, finde ich persönlich etwas fragwürdig.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Anmerkungen inhaltlicher Art machen. Wenn man sich die Situation ernsthaft anschauen will, ist es sehr hilfreich, sich anzusehen, was die rheinland-pfälzische Initiative für Integration erarbeitet hat. Es gibt eine Veröffentlichung aus dem Dezember des letzen Jahres zum Thema „Förderung der Integration durch Anerkennung und Gleichbehandlung von Religionen“. Dort sind einige hilfreiche Aussagen enthalten. Das betrifft besonders die Integration der Muslime in unsere Gesellschaft. Es ist natürlich relativ schwierig, weil die hierher kommenden Menschen sich erst einmal eigene Strukturen zur Ausübung ihrer Religion schaffen müssen. Es gibt ungefähr 80 verschiedene Moscheen und Gebetsräume in Rheinland-Pfalz. Hierbei gibt es eine große religiöse und auch ideologische Vielfalt. Dies zu durchschauen, ist nicht immer einfach, zumal die dort predigenden Imame in der

Regel nicht der deutschen Sprache mächtig sind oder nicht auf Deutsch predigen. Deshalb ist die Transparenz für uns mit Sicherheit etwas ganz Wichtiges, um auch den interreligiösen Dialog herzustellen.

Wir können die Fragen nur gemeinsam lösen, indem die Religionen gemeinsam für Frieden und ein Miteinander werben. Ein erster guter Schritt, solchen Anforderungen gerecht zu werden, ist die modellhafte Erprobung des islamischen Religionsunterrichts an der Grundschule in Ludwigshafen seit dem Schuljahr 2004/2005. Ich denke, hier ist ein guter Schritt getan, damit die Religionsgemeinschaften miteinander aufwachsen und eine Transparenz hergestellt ist und ein nachvollziehbarer Dialog stattfinden kann.

Ich denke, wir müssen auf das Klima achten, wenn wir solche Themen diskutieren. Gerade wenn wir uns zu Recht mit Gewalt und Unterdrückung von Frauen in den verschiedenen Religionen und in diesem Fall im Islam beschäftigen, ist es wichtig, dass wir dabei ein Klima haben, das dafür sorgt, dass von Gewalt betroffene muslimische Frauen und Mädchen sich hier wohl fühlen und sich in der Gesellschaft so zuhause fühlen, dass sie Hilfe suchen und annehmen möchten. Nach Auskunft von Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es auch hier in Rheinland-Pfalz Fälle, die diesen so genannten Ehrenmorden entsprächen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich komme bald zum Schluss.

Wir haben auch Frauen mit muslimischer Herkunft in Frauenhäusern. Man darf das Thema nicht so polemisch diskutieren, wie es manchmal hier geschieht. Ich erinnere beispielsweise an die Kopftuchdebatte.

(Zurufe von der CDU)

Da muss man dann vorsichtig sein. Ich ende mit einem Zitat aus einer Zeitung der muslimischen Frauen Duisburg e. V. Sie sagen: „Es ist ein Leichtes für westliche Feministinnen und die Autoren vom Spiegel, sich beziehend auf „Allahs rechtlose Töchter“ über die Situation von muslimischen Frauen auszulassen.“

(Zuruf von der CDU)

Ich zitiere weiter.

(Glocke des Präsidenten)

„Wenn die Möchtegern-Frauenbefreier tatsächlich an der Lage von Musliminnen interessiert wären, wüssten sie, dass sich an der Situation der muslimischen Frauen viel verändert hat: steigende Bildungsraten, Frauenerwerbstätigkeit, sinkendes Heiratsniveau, rückläufige Geburtenzahlen, Zuwachs der Scheidungsraten und immer mehr allein Erziehende.“

(Glocke des Präsidenten)

Der Individualisierungsprozess ist nicht nur ein Symptom der deutschen Gesellschaft. Ich denke, so differenziert

sollten wir auch diese Frauen betrachten und mit ihnen umgehen.

(Beifall bei FDP und FDP)

Trotz Abschalten des Mikrofons hat sich die Kollegin nicht abhalten lassen.

Für die Landesregierung spricht Herr Staatssekretär Stadelmaier.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den nächsten Tagen habe ich die Gelegenheit, Sie zu einer Ausstellung einzuladen. Sie handelt vom ersten Werbeabkommen für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das die Bundesrepublik Deutschland 1955 mit Italien abgeschlossen hat. Dies zeigt, dass Deutschland und Rheinland-Pfalz Einwanderungsländer sind, schon seit längerem immer stärker geworden sind. 290.000 ausländische Mitbürger leben heute in Rheinland-Pfalz. Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund ist weit höher. Ihre Integration gelingt im Wesentlichen gut. Dies sollte bei dieser Debatte nicht aus dem Blick geraten.

Frau Huth-Haage, an Ihren Ausführungen hat mich besonders gestört, dass Sie den Versuch unternommen haben, die Ausnahme zur Regel, die Ausnahme zur Normalität zu machen. Das ist nicht der Fall.

(Frau Spurzem, SPD: Genau! – Zuruf der Abg. Frau Huth-Haage, CDU)

Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger leben hier friedlich als unsere Nachbarn. Sie arbeiten, sie zahlen Steuern, und sie sind eine Bereicherung unserer Kultur.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Integration und das Zusammenleben von Zugewanderten und Einheimischen sind nicht frei von Konflikten und Spannungen. Das ist überall so. In Deutschland hat das auch zuvörderst mit dem langjährigen Fehlen einer gut durchdachten Migrationspolitik und eines schlüssigen Integrationskonzepts zu tun.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Das Land Rheinland-Pfalz hat frühzeitig auf die Notwendigkeiten einer komplexen Lösung der Integrationsaufgaben hingewiesen und in vielen Fällen auf Bundesebene konkrete Initiativen ergriffen. Dazu zählt der eigene Entwurf eines Zuwanderungs-, Steuerungs- und Integrationsgesetzes von 1997 ebenso wie die entscheidende Rolle, die das Land bei der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts gespielt hat.