Protokoll der Sitzung vom 13.10.2005

(Dr. Weiland, CDU: Ganz schön durcheinander!)

Weil sich diese Frage für Sie darauf reduziert, die Schlagzeilen von heute zu bestimmen und nicht das Problem zu lösen. Sie machen nichts besser, Sie machen nichts.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP – Dr. Weiland, CDU: Nebelwerfer!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Marz.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn die Anzahl der Kinder etwas darüber aussagt,

wie betroffen man ist, dann hätte ich gar nicht so schlechte Karten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich will Sie an dieser Stelle aber gar nicht spielen, sondern zunächst noch einmal auf die Frage zurückkommen, inwiefern man Ängste wahrnimmt. Herr Kollege Schreiner, ich kann nicht verhindern, dass Sie hier dem einen oder anderen mit Ihren fadenscheinigen Argumenten vorwerfen, man würde die Ängste der Bevölkerung nicht ernst nehmen, aber ich kann Sie nur dringendst auffordern, damit aufzuhören, die Ängste der Menschen auszunutzen, um eine Politik zu verhindern, die wirklich Schaden von den Menschen abwendet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Denn genau das tun Sie. Wir könnten noch darüber hinwegsehen, wenn das einfach so dahergesagt wäre, aber Sie schüren wirklich eine Stimmung in der Bevölkerung, die manchmal eine kluge Drogenpolitik unmöglich macht. (Wirz, CDU: Was nennen Sie denn eine kluge Drogenpolitik?)

Sie tun es dadurch unter anderem, dass Sie den Eindruck erwecken, mit Worten wie „man müsse den Sumpf austrocknen“, man müsse die Drogenszene ausrotten.

(Dr. Weiland, CDU: Legalisierung und Freigabe!)

Sie tun so, als könne man mit polizeilichen Mitteln tatsächlich das Übel an der Wurzel packen und ausreißen.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Straftaten- bekämpfung! Staatliche Aufgabe!)

Sie arbeiten hier mit ganz gefährlichen Illusionen. Das ist das Problem.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nun komme ich doch einmal auf meine Erfahrungen als Vater zurück. Ich habe allen meinen Kindern die Geschichte – – – (Lewentz, SPD: Wie viele?)

Das können Sie im Handbuch nachlesen.

Ich habe allen meinen Kindern die Geschichte vom Räuber Hotzenplotz vorgelesen. Sie können sich vorstellen, ich kann sie inzwischen fast auswendig. Da ist die Welt ganz einfach. Es gibt böse Buben, dann kommt die Polizei, sperrt sie ein, und die Welt ist wieder in Ordnung.

Herr Kollege Schreiner, so einfach ist die richtige Welt leider nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache über die Mündliche Anfrage.

Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung mit dem ersten Teil auf: AKTUELLE STUNDE

„Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und Erzeugerinnen und Erzeuger vor schleichender Verunreinigung mit gentechnisch verändertem Saatgut“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4554 –

Für die Antrag stellende Fraktion erteile ich Frau Abgeordneter Kiltz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Warum gibt es diese Aktuelle Stunde? Weil jetzt schon zum dritten Mal in diesem Jahr ein Ausreißer mit gentechnisch veränderten Organismen passiert ist. Sie erinnern sich, nicht zugelassener Gen-Mais in konventionellem Mais der Firma Pioneer in Hessen, Bt-10- statt zugelassener Bt-11-Mais der Firma Syngenta und jetzt die GenZucchini der Firma Seminis. Wenn wir den Beteuerungen der Firma Seminis im letzten Fall glauben wollen, dass die Gen-Zucchini nur durch ein Versehen nach Deutschland gelangten, stellt sich die Frage, wie diese verantwortlichen Firmen des Agro-Gentechnik-Markts ihre Verantwortung wahrnehmen. Gerade Saatgutfirmen müssen sich doch darüber bewusst sein, dass besondere Sorgfalt geboten ist mit dem Versand, Transport etc. von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen, damit keine Verunreinigungen entstehen auf dem Lieferweg, im Gewächshaus, auf dem Acker, im Garten und letztlich auf dem Teller. Verunreinigungen mit gentechnisch veränderten Organismen sind – das ist das Besondere im Unterschied zu anderen Technologien – nicht rückholbar.

Gentechnisch veränderte Organismen haben die Eigenschaft, sich zu vermehren und genetische Informationen mit anderen Kultur- und Wildpflanzen auszutauschen.

Das Risikomanagement im Umgang damit muss dem Rechnung tragen, dass Inverkehrbringen und Freisetzung irreversibel sind, das heißt, hier sind strenge gesetzliche Regelungen, sorgfältige Kontrolle und Überwachung gefordert, und jede Schlamperei einer Firma verbietet sich von selbst.

Die Agro-Gentechnik ist keine fehlerfreundliche Risikotechnologie. Das müsste bei jedem Handgriff im Betriebsablauf der Gentechnikfirmen bewusst sein, und Fehler, die Verunreinigungen zur Folge haben können, müssen empfindlich bestraft werden.

Meine Bundestagskollegin Ulrike Höfken hat deshalb einen Strafantrag gegen die Monsanto-Tochter Seminis gestellt. Auf den Ausgang dieses Verfahrens bin ich gespannt.

Meine Damen und Herren, was aber, wenn hinter den drei benannten Vorkommnissen dieses Jahres Methode stecken sollte? – Ganz unvorstellbar ist das nicht. Wir wissen, dass die US-amerikanischen Gentechnikfirmen, vorneweg ihr Lobbyist Präsident Bush, seit Jahren schon die widerspenstigen Verbraucherinnern und Verbraucher in Europa im Visier haben, die sich noch immer gegen die gentechnische Zwangsbeglückung auf Acker und Teller wehren.

Die Strategie gegen diesen Widerstand heißt schon lange schleichende Unterwanderung bzw. Verunreinigung. Wir erleben ständig, dass die Befürworter der Agro-Gentechnik damit argumentieren, gentechnisch veränderte Organismen seien doch schon überall, und sie verweisen hierbei auf die Futtermittel.

Ich will Ihnen einen Ausschnitt aus der „Frankfurter Rundschau“ zitieren – einen Kommentar zu diesen GenZucchinis –, der sagt: „Manchmal drängt sich der Verdacht auf, dass die Konzerne die Ausfälle bewusst in Kauf nehmen; denn ein Nebeneffekt könnte ein schleichendes Gefühl der Ohnmacht sein. Weil man nichts mehr gegen die Durchsetzung der Gentechnik tun kann, schluckt man die vermeintlichen Errungenschaften, obwohl sie keiner braucht und kaum einer will. An den Irrtümern sind praktisch alle Multis beteiligt.“ Auch das ist hier gesagt. Es kommt als Forderung eine ganz deutliche, die ich hiermit in der ersten Runde schon einmal an die Landesregierung richten will: „Für die in Deutschland bekannt gewordenen Fälle kam prompt die Entschuldigung der Firmen für das Versehen. Aber reicht das? – Das Netz der Lebensmittelkontrollen hat schon heute weite Maschen. Es muss wegen der mit der Gentechnik verknüpften ungewissen Risiken enger geknüpft werden; denn auf die Industrie ist kein Verlass.“

Dem kann man an der Stelle erst einmal nichts hinzufügen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Elsner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Rheinland-Pfalz ist es zu einer Anpflanzung gentechnisch veränderter Pflanzen durch die Firma Seminis gekommen. Hier sind offenbar 90 Gramm Saatgut für Zucchinis verwendet worden.

Dieser Vorfall war für uns Anlass, dies in der letzten Sitzung des Ausschusses für Landwirtschaft und Weinbau auf die Tagesordnung zu setzen.

Trotz dieser geringen Menge ist dies ein illegaler Eingriff gegen das Gentechnikgesetz. Hieran gibt es überhaupt nichts zu deuten. Das Unternehmen hat bei der Weitergabe des Saatguts eindeutig illegal gehandelt. Fest steht, dass das Unternehmen erst spät die Behörden informierte, nachdem die gentechnisch veränderten

Pflanzen außer Landes gebracht worden sind. Nach Angaben des Unternehmens waren die Behörden bei Auspflanzung des Saatguts nicht informiert.

Wir wissen sehr gut, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sehr sensibel auf solche Nachrichten reagieren – zu Recht, wie ich meine.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Die Einhaltung strenger Richtlinien bei der grünen Gentechnik ist notwendig, um eine Koexistenz von der herkömmlichen Landwirtschaft und der Landwirtschaft unter Zuhilfenahme von gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgut zu gewährleisten. Dies gilt in gleichem Maß auch für die Forschung im Bereich der grünen Gentechnik.

Im vorliegenden Fall sind die Zucchinipflanzen vor der Blüte wieder aus dem Freiland entfernt worden. Also eine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung hat nicht bestanden.

Nach Auskunft des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums ist keine Kontamination auf andere Felder erfolgt, und der Saatboden ist nicht verunreinigt worden.

Festzuhalten ist – da schließe ich mich meiner Kollegin durchaus an –, dass es innerhalb der Bundesrepublik strenge Gesetze gibt, die einzuhalten sind, und dennoch wurde versucht, diese zu umgehen. Dies gilt auch für das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel, das von der Europäischen Kommission als Meldesystem von akuten Gefahren eingesetzt wird. Ebenso wurde von einem Verwaltungsgericht gegen Saatguthersteller entschieden, die Gen-Mais vertreiben wollten.

Der Vorfall zeigt aber auch – das ist uns sehr wichtig –, dass sehr große Risiken für die Landwirtschaft bestehen. Deutlich gesagt werden muss, dass es keinem Bauern zuzumuten ist, sein Saatgut ständig überprüfen zu lassen. Auch hier wird langfristig Vertrauen zerstört, ebenso wie bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Dass wir die Gentechnik zukünftig nicht aufhalten können, ist jedem realistisch denkenden Menschen klar. Aber die Konsumenten haben ein Recht darauf zu wissen, ob sie genmanipulierte Erzeugnisse kaufen wollen oder nicht. Deshalb gibt es auch die von der EU gefassten sehr strengen Deklarierungsvorschriften.

Auch die Landesregierung hat unmittelbar gehandelt und erwogen, rechtliche Schritte gegen die Firma Seminis zu unternehmen. Der erste Prozess von Frau Höfken wird jetzt natürlich einmal abgewartet.

Aus dem Vorgang wird deutlich, dass sich an bestehende Gesetze gehalten werden muss und die Firmen wissen, dass es schwerwiegende Sanktionen gibt, wenn diesen Gesetzen zuwidergehandelt wird.