Protokoll der Sitzung vom 01.12.2005

Wir schlagen vor – damit sind wir sehr nah an dem dran, was Herr Kollege Lelle gesagt hat –, die Schuleingangsphase flexibel zu gestalten. Schülerinnen und Schülern wollen wir die Möglichkeit geben, die ersten beiden Klassenstufen in der Grundschule in einem bis zu drei Schuljahren absolvieren zu können. Die Kinder sollen so auch in der Grundschule gut Fuß fassen können. Ihre individuelle Förderung soll gleich zu Beginn der Schullaufbahn möglich sein. Ich bin der Auffassung, dass damit den Eltern die Entscheidung leichter fallen wird, wann sie ihr Kind einschulen lassen. Es kann aber nicht sein – insofern haben wir ein großes Problem mit dem Antrag der Fraktion der CDU –, dass wir jetzt Kinder mit fünf Jahren zwangseinschulen wollen. In NordrheinWestfalen gab es unter Rotgrün eine flexible Schuleingangsphase. Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung unter CDU-Führung hat die flexible Schuleingangsphase abgeschafft. Deshalb müssen Sie erst einmal für sich überlegen, was Sie eigentlich wollen. Sie fordern hier etwas, was Sie in anderen Ländern abschaffen. Das ist das Problem mit Ihren Vorschlägen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, frühkindliche Bildung und Förderung sind Zukunftsinvestitionen.

(Glocke des Präsidenten)

Zukunft kann aber nicht mit Halbherzigkeiten gestaltet werden. Das hat sich bereits bei der Reform des Kindertagesstättengesetzes Ende des Jahres 2002 gezeigt. Deswegen rufe ich Sie auf und ermuntere Sie: Seien Sie mutiger und stimmen Sie unseren Vorschlägen zu, damit nicht erneut an Kindern, Eltern und an der Zukunft vorbei gehandelt wird.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Gäste begrüße ich die Fußballjugend (C-Jugend) DJK Schwarz/Weiß Frankenthal sowie Mitglieder des Männergesangvereins Köttinger Höhe aus Wissen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Es spricht nun Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zum Ausbau der frühen Förderung als wichtiger Baustein des Programms „Zukunftschance Kinder –

Bildung von Anfang an“ ist sehr zügig und intensiv in diesem Haus beraten worden. Es freut die FDP-Fraktion sehr, dass wir gegen Ende dieser Legislaturperiode in dieser Koalition noch einen solchen Meilenstein in der frühkindlichen Bildung und Betreuung auf den Weg bringen können.

(Beifall bei FDP und SPD)

So etwas Gutes für Kinder und Eltern zu machen, macht Freude in der parlamentarischen Arbeit. So macht Gestalten Spaß.

Im Ausschuss für Bildung und Jugend haben wir eine schriftliche Anhörung durchgeführt, die heute bereits thematisiert wurde. Grundsätzlich gab es einen sehr breiten Konsens zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen zu diesem Gesetzentwurf. Wir haben natürlich festgestellt, dass man das eine oder andere im Detail anders machen könnte und natürlich immer etwas mehr gefordert wurde. Im Großen und Ganzen wird das Gesetz allerdings von allen Betroffenen begrüßt und ebenso natürlich auch die große Investition, die damit verbunden ist.

Die Kindertagesstätte wird künftig in Rheinland-Pfalz als erste und wichtige Bildungsinstitution in der Bildungsbiographie von Kindern einen hohen Stellenwert erhalten. Wir werden Kinder künftig gezielt auf die Grundschule vorbereiten und die Übergänge erheblich erleichtern. Die Sprachförderung rückt bei der frühkindlichen Bildung ins Zentrum. Mit der Beitragsfreiheit unterstreichen wir die Ernsthaftigkeit des Bildungsangebots im letzten Kindergartenjahr. Damit schaffen wir einen Zugang für alle zu diesem Angebot. Auch diejenigen Kinder, die noch nicht in einer Kindertagesstätte sind, werden hinsichtlich ihrer Sprachkompetenz diagnostiziert und gefördert.

In der Umsetzung des TAG wird das Land RheinlandPfalz eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir werden mehr Krippenplätze fördern. Wir werden bis zum Jahr 2010 den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Zweijährige schaffen. Außerdem werden wir Tagespflegepersonen in größerem Umfang qualifizieren und als wichtigen Bestandteil heute in das Gesetz aufnehmen. Damit gehen wir entscheidende Schritte zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz etwas zu den vorliegenden Änderungs- und Entschließungsanträgen sagen. Zum Antrag der CDU: Sie möchten die Tagespflege stärker institutionalisieren. In unserem Gesetzentwurf nehmen wir die Tagespflege erstmals als wichtigen Bestandteil frühkindlicher Betreuung mit in das Kindertagesstättengesetz auf. Darüber hinaus werden wir zusätzliche Mittel für die Qualifikation von Tagespflegepersonen in die Hand nehmen. Meiner Ansicht nach muss bei allen Maßnahmen, die wir in diesem Bereich ergreifen, das Ziel sein, dass es Eltern leichter haben müssen, geeignete Personen zu finden und einstellen zu können. Ob das mit einem zusätzlichen Verwalten und Regulieren der Tagespflege erreicht wird, ist für mich nach allem, was wir über die derzeitigen Strukturen im Land wissen, zumindest zum Teil fraglich. Deshalb sollten wir zunächst einmal abwarten, wie die neuen Qualifikationsangebote angenommen werden und wie sich der

Markt, der jetzt schon Börsen und Ähnliches zulässt, entwickelt, bevor wir in diesem Bereich weiter regulierend eingreifen.

Zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben das formuliert, was Sie immer formuliert haben, nämlich dass Sie immer früher dran sind, Sie aber selbst nicht mitbekommen haben, was in den vergangenen Jahren im Land passiert ist. Ich kann Ihnen deshalb nur empfehlen – Herr Kollege Mertes hat das dankenswerterweise mit Zwischenrufen bereits deutlich gemacht –, sich einmal in der Landschaft umzuschauen. Sie sollten sich einmal ein paar Zahlen und Gesetze ansehen.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So etwas Arrogantes!)

Sie sollten vor allem aber auch einmal in die Einrichtungen vor Ort gehen.

Sie hinterlassen einen merkwürdigen Eindruck. Interessant fand ich, dass Sie versucht haben, das mit der neuen schwarzgrünen Koalition im Grundschulbereich abzuschwächen. Das fand ich sehr spannend.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine flexible Schuleingangsweise ist eine Idee der GRÜNEN!)

Es hat mich überrascht, dass da die Modelle sehr konform gehen, die Sie in Ihren Anträgen vorschlagen. Zum Koalitionsgedanken möchte ich jetzt nichts weiter sagen. Ich würde aber gern noch inhaltlich etwas dazu sagen. Natürlich hat das, was Sie für die Grundschule vorschlagen, Charme, aber wir diskutieren zunächst einmal den Anfang und damit die Kindertagesstätte, wo wir wirklich große Schritte vornehmen. Der gilt meiner Meinung nach auch die Priorität an dieser Stelle. Ihren Vorschlägen, in denen Sie auch eine sehr üppige Versorgung im Hinblick auf die Schüler-Lehrer-Relation und Ähnliches mehr fordern, fehlt auch jede finanzielle Basis.

(Lelle, CDU: Die Frage dürfen Sie sich doch nicht stellen!)

Wenn ich mich an die Äußerungen des Herrn Kollegen Böhr in den Haushaltsdebatten erinnere, ist das schon ein wenig fragwürdig.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die FDPFraktion hat in der vergangenen Woche einen eigenen Änderungsantrag zum Gesetz der frühen Förderung vorgestellt. Im Rahmen der Anhörung und im Rahmen von vielen Gesprächen mit Betrieben, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Verbänden hat man uns gesagt, dass es in Rheinland-Pfalz auch ein großes Interesse an einer betriebsnahen Kinderbetreuung gibt.

Die Möglichkeit für Eltern, ihr Kind in der Nähe des Arbeitsplatzes betreuen zu lassen, erleichtert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusätzlich, weil natürlich die Arbeitszeiten der Eltern und die Betreuungszeiten ihrer Kinder in der Einrichtung besser in Übereinstimung gebracht werden können und es weniger Reibungsverluste gibt. Kinder müssen auch nicht zwischen verschie

denen Betreuungsinstanzen pendeln. Eltern haben durch eine solche Möglichkeit auch die Chance, tagsüber einmal Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, was manchmal notwendig wird und oft auch ein Hemmnis ist, wenn dies nicht stattfinden kann.

Gerade für den rheinland-pfälzischen Mittelstand wird Familienfreundlichkeit in der Zukunft mit Sicherheit ein wichtiger Wettbewerbsaspekt sein. Wir kennen alle die Daten zum demografischen Wandel. Es werden in der Zukunft immer weniger Fachkräfte am Markt zur Verfügung stehen. Es wird auch für die Unternehmen immer wichtiger werden, gerade die gute Ausbildung und die Kompetenzen von Frauen für sich gewinnen zu können. Da dürfen wir gerade kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Betriebskindertagesstätte betreiben können, nicht im Regen stehen lassen.

Größere Betriebe haben in Rheinland-Pfalz oft schon heute eigene Betriebskindertagesstätten. Kleine und mittlere Betriebe könnten theoretisch mit dem Träger der Kindertagesstätte und dem Jugendamt Belegrechte für ihre Beschäftigten vereinbaren, wenn diese nicht am Sitz des Betriebs wohnen. Das geschieht in der Praxis allerdings derzeit nur selten, weil die Jugendämter der Kommunen ihre Kosten für Kinder aus anderen Wohnbezirken in der Regel nicht erstattet bekommen. Man müsste dazu bilaterale Vereinbarungen unter den Jugendämtern treffen zur Kostenerstattung für jedes Kind. Das machen die meisten Kommunen derzeit nicht, weil das damit zusammenhängende bürokratische Verfahren gescheut wird.

Unser Änderungsantrag sieht nun vor, dass das aufnehmende Jugendamt beim Land Zuweisungen zur Kostenerstattung für seinen Anteil an den Personalkosten beantragen kann. Die Zuweisungen sollen analog den Bestimmungen des Kindertagesstättengesetzes gewährt werden.

Betriebe sollen die Möglichkeit haben, mit einer Kindertagesstätte in ihrer Nähe eine Vereinbarung über die gewünschten Belegplätze zu treffen. Sie sollen sich natürlich auch an den Kosten des Trägers angemessen beteiligen, weil sie schließlich daraus einen Vorteil ziehen. Das wird sich mit Sicherheit in einem überschaubaren Rahmen bewegen, wenn man sich die Trägerkosten derzeit ansieht.

Diese Lösung ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die unser Land prägen, sinnvoll. Es wird hiermit auch ein Anreiz für die Jugendämter geschaffen, betriebliche und betriebsnahe Lösungen in ihrer Bedarfsplanung zu berücksichtigen, weil sie für diese Kinder keinen eigenen Kostenanteil aufbringen müssen. Das Konnexitätsprinzip wird bei unserem Vorschlag voll berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass wir heute in großer Übereinstimmung in dieser Koalition dieses Gesetz und das, was wir als Änderung vorschlagen, beschließen können. Die Kooperation war sehr angenehm. Wir werden auf diesen Gesetzentwurf meiner Meinung nach insgesamt eine sehr positive Resonanz im Land erhalten und werden damit einiges verbessern können.

Ich freue mich schon jetzt auf den Besuch der Einrichtungen, wenn man die ersten Ergebnisse sehen kann.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Frau Staatsministerin Doris Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Das ist ein wichtiger Tag für die Kinder und für die Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz. Ich sage auch, das ist ein wichtiger Tag für die Kinder und die Eltern in Rheinland-Pfalz.

Ich bin froh und glücklich darüber, dass seit der Beschlussfassung über das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ in Riesenschritten das Landesgesetz zum Ausbau der frühen Förderung konzipiert und mit einer wirklich großen Fachöffentlichkeit besprochen wurde und – darum bitte ich – heute auch beschlossen wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe zunächst allen Grund, mich zu bedanken. Ich bedanke mich bei Ihnen für die zügige und konstruktive parlamentarische Beratung. Ich bedanke mich aber auch ausdrücklich bei Herrn Ministerpräsidenten Beck und bei meinen Kabinettskolleginnen und -kollegen, die diese Schwerpunktsetzung so nicht nur mitgetragen, sondern voll unterstützt haben. Ich füge hinzu: Ich bedanke mich auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns geholfen haben, dass wir heute dieses Gesetz beschließen können.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es ist mir wichtig, an dieser Stelle eine Gruppe besonders anzusprechen, nämlich die Erzieherinnen und Erzieher, weil ich sie in den vergangenen Wochen und Monaten oft erlebt habe – mit vielen von Ihnen gemeinsam – und gesehen habe, wie engagiert und konstruktiv an diesem großen Projekt im Kindertagesstättenbereich gerade auch seitens der Erzieherinnen und Erzieher mitgearbeitet wurde. Dafür gilt ihnen mein herzlicher Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Lassen Sie mich noch einige wenige Punkte aufgreifen, die kurz angesprochen worden sind.

Zum Thema „Schnelligkeit“: Ich darf noch einmal daran erinnern, dass damals, als die sieben Handlungsfelder aus PISA beschlossen wurden, bei denen unter anderem auch die Ganztagsschule eine Rolle spielt, aber auch die frühkindliche Bildung, wir in Rheinland-Pfalz

bereits die Ganztagsschulen auf den Weg gebracht hatten und die Novellierung des Kindertagesstättengesetzes, die wichtige Voraussetzungen für das jetzige Projekt geschaffen hat, gerade vor der Tür stand. Uns vorzuwerfen, wir hätten nicht rechtzeitig reagiert, obwohl viele andere zuerst abgewartet haben, was das Land Rheinland-Pfalz macht, ist aus meiner Sicht abwegig.

(Beifall der SPD und der FDP)