Protokoll der Sitzung vom 01.12.2005

Die Argumentation, dass man es zur Haushaltskonsolidierung bräuchte – natürlich ist Haushaltskonsolidierung notwendig, und wir werden daran auch gar nicht vorbeikommen, und die prekäre Lage ist auch unbestreitbar – und man das vorher nicht wusste, obwohl man einen Finanzminister stellte, obwohl man unzählige Haushaltsberatungen im Bund gemacht hat, ist allerdings wenig glaubwürdig. Dann reicht es auch nicht mehr, wenn jetzt hier zwei stellvertretende Bundesparteivorsitzende sagen: Eigentlich wollte ich das nicht, oder ich habe das nicht gewollt, oder diese Kröte mussten wir schlucken, meine Damen und Herren.

(Ministerpräsident Beck: Das ist doch alles schon im Bundestag debattiert!)

Wer zweimal lügt, dem glaubt man gar nicht mehr. Deswegen wollen wir hier eine klare Positionsbeziehung.

Diese Mehrwertsteuererhöhung ist – ich glaube, das kann niemand bestreiten – sozial ungerecht, weil sie eine allgemeine Steuererhöhung ist, die bei den privaten

Haushalten zu einer spürbaren Mehrbelastung führen wird. Sie verschärft die soziale Ungerechtigkeit, weil Arbeitslose, Rentner und Renterinnen sowie Studierende besonders belastet werden. Die werden keine Chancen haben, eine Entlastung über die beabsichtigte Senkung in der Arbeitslosenversicherung zu bekommen. Deswegen muss man deutlich machen, dieser Schritt ist sozial ungerecht und verschärft soziale Ungerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wurde mehrfach festgestellt, dass bei den Haushalten mit niedrigem Einkommen die relative Belastung bei den Haushaltseinkommen besonders hoch wird. Auch das verstärkt diese Aussage noch einmal.

Das Zweite ist, dass diese Mehrwertsteuererhöhung beschäftigungsfeindlich ist, weil sie das Konsumklima belasten wird. Ich will das nur in Stichworten sagen. Es wird erwartet, dass es Wachstumsverluste von bis zu 1 % gibt, sich die Schwarzarbeit erhöhen wird, sich die Konjunkturerwartungen insgesamt eintrüben werden, und das allenfalls kurze Aufflackern 2006, weil man da hofft, vielleicht den einen oder anderen mehr zum Kauf zu motivieren, wird ins Leere laufen.

Meine Damen und Herren, wir wollen deswegen ein klares Votum aus diesem Haus. Die Stellungnahme der Handwerkskammer und vieler anderer, die wir in der Vergangenheit und bis zum heutigen Tag in den Medien lesen konnten, gehen genau in die gleiche Richtung. Hier geht es nicht um Krötenschlucken, sondern hier geht es um Maßnahmen, die sinnvoll sind für dieses Land für Beschäftigung und für soziale Gerechtigkeit. Wir werden deswegen alles daransetzen, diesen unsinnigen Schritt zu verhindern, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Ich muss noch nachtragen, die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von fünf Minuten verständigt. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Ramsauer.

(Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh je, das ist schwierig, Herr Ramsauer!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst einmal die Freude, hier um ungefähr 19:30 Uhr Herrn Professor von Arnim in Speyer aus diesem angeblichen Feierabendparlament recht herzlich zu grüßen.

Aber ich komme jetzt doch lieber zum Antrag. Liebe Frau Thomas, ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen diebische Freude gemacht hat, diesen Antrag zu formulieren; denn man erkennt natürlich die Absicht und ist

wenig überrascht. Es kann ja nicht um die Sache gehen; denn wenn es – – –

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Natürlich geht es um die Sache! – Heiterkeit im Hause – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was glauben Sie denn, warum sonst?)

Es kann nicht um die Sache gehen; denn wenn es um die Sache ginge, dann hätten Sie sich nicht nur die Mehrwertsteuer herausgenommen, sondern das ganze Paket, das die Große Koalition jetzt zur Konsolidierung des Haushalts und zur Fortentwicklung der Finanzpolitik beschlossen hat.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn es um die Sache gegangen wäre, hätten wir die Debatte hier nicht abends geführt!)

Nein, Sie haben sich diese eine Maßnahme aus dem Gesamtpaket herausgezogen, weil Sie glauben, Sie könnten die Koalition hier in Mainz damit spalten.

(Kuhn, FDP: Ich dachte, die andere!)

Meine Damen und Herren, nun ist es so, die sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz regiert nach wie vor erfolgreich. Sie wird sich auch durch einen solchen Antrag nicht auseinander dividieren lassen.

(Starker Beifall der SPD und Beifall der FDP)

Natürlich ist es in Berlin eine andere Situation. Die FDP ist dort genauso wie die GRÜNEN hier und dort in der Opposition. Bei unterschiedlichen Verantwortlichkeiten hat man auch unterschiedliche Verantwortlichkeiten vor Ort im Gesamtrahmen der Politik, meine Damen und Herren.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Reden Sie doch nicht am Thema vorbei!)

Zur Sache selbst kann ich Ihnen sagen: Natürlich hätten wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die öffentlichen Haushalte lieber durch andere fiskalische Maßnahmen gestaltet. Nun haben aber die Wählerinnen und Wähler leider keine rotgrüne Mehrheit beschert, sondern sie haben uns faktisch – – –

(Böhr, CDU: Leider!)

Ja. Natürlich.

Sie haben uns faktisch nur eine Große Koalition zugelassen.

Meine Damen und Herren, eine Große Koalition bedeutet auch große Kompromisse.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Wählerbeschimpfung!)

Diese Kompromisse waren aber nicht nur koalitionstechnisch notwendig, sondern sie sind auch von der Sache her notwendig; denn in einem müssen wir übereinstimmen: Bei einer Steuerquote von unter 20 % muss gehandelt werden;

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn dieser Staat braucht zur Erfüllung seiner Aufgaben auch die entsprechenden Einnahmen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn das so ist und es nur über diesen Kompromiss möglich ist, mussten wir in der Tat diese Kröte schlucken, liebe Frau Thomas. Deswegen stehen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unter den obwaltenden Umständen auch zu dieser Entscheidung.

Um das Abstimmungsverhalten des Landes RheinlandPfalz zu beeinflussen, brauchte es Ihren Antrag nun wirklich nicht. Sie können sicher sein, dass diese Koalition sich so, wie sie es immer getan hat, in gegenseitiger Verantwortung richtig entscheiden wird.

Schönen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Jullien das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dieser vorgeschrittenen Stunde, allerdings vor vollem Hause, diskutieren wir heute Abend den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Mehrwertsteuererhöhung – beschäftigungsfeindlich und sozial ungerecht“. Ich glaube, das muss man auch einmal betonen. Mit dem Kollegen Pörksen haben wir eben schon einen Dialog geführt. Ich glaube, § 46 der Geschäftsordnung des Landtags lässt grüßen.

Meine Damen und Herren, es ist ein Antrag, zu dem ich gleich vorab sage, dass er nicht nur populistisch und reine Effekthascherei ist, sondern auch als ein Stück heuchlerisch bezeichnet werden muss.

(Beifall der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Mertes, ich glaube, Sie sollten mit dem Beifall etwas zurückhaltender sein; denn man muss schließlich auch einmal fragen, wie sich die derzeitige Haushaltslage im Bund gestaltet, und die Frage genauso stellen und beantworten, wer für diese desolate Haushaltslage verantwortlich zeichnet.

(Beifall der CDU – Zurufe von der SPD)

Seit 1998 hat es in Berlin eine rotgrüne Bundesregierung gegeben. Ich glaube, dass die jetzige Haushaltslage, so wie sie sich derzeit gestaltet, doch im Wesentlichen – Herr Mertes – auf diese rotgrüne Bundesregierung zurückzuführen ist.

Herr Kollege Mertes, um das auch zu begründen, muss man schon einmal auf die Haushaltslage eingehen, wie sie sich derzeit gestaltet.

Wir alle hier im Haus wissen, dass das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2005 bei 4 % des Bruttoinlandsprodukts liegt. Der Bundeshaushalt überschreitet die Verfassungsgrenze der Neuverschuldung in diesem Jahr um 35 Milliarden Euro. Genau um diesen Betrag muss die jährliche Deckungslücke des Bundeshaushalts geschlossen werden, um die Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrags zu erfüllen.

Meine Damen und Herren, auch die Zinslast des Bundes liegt zwischenzeitlich bei 40 Milliarden Euro jährlich, und das bei einem seit langem extrem niedrigen Zinssatz, das heißt, der Bund muss neue Kredite aufnehmen, um die Zinsen für seine Schulden zu finanzieren. Das jährliche strukturelle Haushaltsdefizit liegt bei rund 65 Milliarden Euro.

Diese Verantwortlichkeit und diese Zahl sind natürlich eine Errungenschaft der abgelösten rotgrünen Bundesregierung in Berlin. Diese ist auch verantwortlich für die Haushaltslage so, wie sie nun vorgefunden wird.

Frau Kollegin Thomas, rotgrün: Da war Ihre Partei ein Teil dieses Regierungsbündnisses und ein Teil, wofür sie sich dann auch für diese Haushaltslage zuschreiben lassen müssen.

(Beifall bei der CDU)