halten wir für weit überzogen. Ich möchte gar nicht über Konnexität reden, aber höchstwahrscheinlich würden Sie mit einer verpflichtenden Einführung die Bereitschaft zu mehr Beteiligung für Kinder und Jugendliche auf kommunaler Ebene im Keim ersticken. Das machen wir nicht mit. (Vereinzelt Beifall bei der SPD)
Abschließend: In allen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen gibt es bereits viele Beteiligungsmöglichkeiten. Daraus hat die Enquete-Kommission den optimistischen Schluss gezogen, dass nach Umsetzung der unterschiedlichsten Empfehlungen die Quantität und Qualität von Kinder- und Jugendpartizipation verbessert sein wird. Das Ziel, die Demokratiefähigkeit von Kindern und Jugendlichen zu stärken, zu fördern und die Distanz zur Politik zu verringern, ist erreichbar. Machen wir uns alle auf den Weg!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir freuen uns, Ihnen und vor allen Dingen auch den Kindern und Jugendlichen heute den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Jugend und Politik“ vorstellen zu können. Ich sage bewusst „freuen uns“, weil die Enquete-Kommission zu einem guten Abschluss gekommen ist.
Ich möchte mich im Namen der CDU-Fraktion dem Dank, der jetzt schon in vielfältiger Weise ausgesprochen wurde, anschließen. Ich möchte das nicht im Einzelnen noch ausführen, sondern ich möchte noch einmal der Landtagsverwaltung für die vielfältige Arbeit ganz besonderen Dank sagen, die sie zu bewältigen hatte, den Sachverständigen, die uns während dieser Zeit immer hilfreich unterstützt haben, und vor allem den Kindern und Jugendlichen, die das Interesse mitgebracht haben und uns ihre Ansicht der Dinge vorgetragen haben, und den Fachleuten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Die Enquete-Kommission hat sich einer wichtigen Aufgabe gestellt, Distanz zwischen jungen Menschen und Politik zu überwinden, Beteiligung weiterzuentwickeln und Demokratie zu stärken. So lautete die Aufgabe. Genau genommen hat es in der jungen Geschichte unserer Bundesrepublik von Anfang an immer wieder Phasen gegeben, in denen Jugendliche und junge Erwachsene sich aus Politik ausklinken wollten oder sich ausgeklinkt haben. Da gab es in den 50er-Jahren eine Bewegung, die hieß: Ohne mich! –
Auch später – etwa zu Beginn der 80er-Jahre – waren Politikverdrossenheit und das zurückgehende Engagement unter Jugendlichen ein Thema. Eines ist klar, die Rahmenbedingungen haben sich von früher zu heute gewaltig geändert. Was die „Ohne-mich-Bewegung“ der 50er-Jahre von der „Ohne-mich-Haltung“ von heute unterscheidet, ist, dass sie damals ein Ausdruck von Protest war und damit auch politisch motiviert war. Es ist durchaus erschreckend – wie auch schon festgestellt wurde –, wie viele Jugendliche – viele Erwachsene dienen ihnen da als Vorbild – es ablehnen, sich mit Politik zu beschäftigen, es anderen überlassen, die Zukunft für sie mitzugestalten, oder dass es junge Erwachsene gibt, die mit extremen Mitteln gegen unsere freiheitliche Demokratie polemisieren.
Sie dürfen keinen Einfluss auf andere Jugendliche bekommen. Schlagworte wie „Politik-“ oder besser „Politikerverdrossenheit“ sind heute an der Tagesordnung. Wir haben in unserer Arbeit festgestellt, dass Jugendliche, die Politik und Politiker persönlich kennen gelernt haben, ein realistisches Bild von ihnen und ihrer Arbeit bekommen. Politiker sind eben auch Menschen mit ihren Stärken und ihren Schwächen. Sie sind Volksvertreter und sollen es sein. Das zu erkennen, hilft Distanz abzubauen.
Die Arbeit in der Enquete-Kommission hat uns in den Bann gezogen. Natürlich gab es auch unterschiedliche Vorstellungen, die ausdiskutiert wurden. An einigen Stellen hätten wir uns andere Vorgehensweisen gewünscht. Dennoch haben wir den Konsens mit den anderen Fraktionen um der Sache willen gesucht. Das Besondere dabei war, dass alle über die Fraktionen hinweg ziemlich bald das Gefühl bekamen, dass es hier um ein gemeinsames Ziel geht. Das heißt: Förderung der Demokratie.
Wir selbst sind – vor allem durch die Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen – sensibler für das Thema geworden und haben damit die Sache der EnqueteKommission zu unserer eigenen gemacht.
Wir wollten wissen, wie man junge Menschen für Politik begeistern kann und unter welchen Bedingungen sie bereit sind mitzumachen. Dazu haben wir sehr viele Gespräche mit Kindern und Jugendlichen in ihrem persönlichen Umfeld geführt. Wir haben festgestellt, dass sie schon in den Kindertagesstätten auf spielerische Weise an Politik herangeführt werden können. Das setzt sich in all ihren Lebenswelten fort, von der Schule über Ausbildung und Hochschule. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich später auch für Politik interessieren werden.
Entscheidend ist auch, Jugendlichen zu vermitteln, dass es nicht ausreicht, sich auf die Politik zu verlassen. Wer gesellschaftspolitisch etwas erreichen will, muss sich engagieren. Partizipation ist keine Einbahnstraße. Wir haben bei unseren Besuchen in Jugendtreffs und einzelnen Projekten erfahren, dass es tatsächlich viele engagierte Kinder und Jugendliche gibt, die tolle Projekte und Partizipationsmöglichkeiten vorangebracht und
ermöglicht haben. Sie geben anderen Jugendlichen ein Beispiel. Das müssen wir fördern. Als Politik müssen wir aktive Unterstützung geben.
Ich freue mich, dass heute auch einige sehr engagierte und interessierte Kinder und Jugendliche die Gelegenheit nutzen zu sehen, was aus unseren Gesprächen geworden ist, und sie daran interessiert sind, mit uns Kontakt zu haben. Sie wissen, warum es sich lohnt, mitzumachen und Politik nicht einfach anderen zu überlassen. Sie sind informiert. Sie werden sich später wahrscheinlich für Politik interessieren oder sich sogar engagieren.
Faszinierend war für uns auch die große Bereitschaft von Jugendlichen, sich auf uns einzulassen. So kam es, dass auch Jugendgruppen auf uns zukamen, um uns von ihren Projekten zu berichten. Das zeigt, dass auch bei Jugendlichen ein Interesse besteht, mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Es gibt eben nicht die Jugendlichen, so wie es nicht die Politiker gibt.
Immer wieder stand die Bedeutung der Medien im Mittelpunkt. Für Kinder und Jugendliche sind Medien ganz zentral. Sie vertrauen ihnen. In fast allen Gesprächen wurde deutlich, wie wichtig die Medien für Informationsbeschaffung und Meinungsbildung der Kinder sind. Sie haben damit auch eine Mittlerstellung zwischen Kindern und Politik und damit eine besondere Verantwortung.
Zu den konkreten Ergebnissen im Einzelnen, insbesondere auch zu unserem Sondervotum mit unserer Forderung nach mehr und früherem Sozialkundeunterricht komme ich im zweiten Teil.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch mich freut diese Debatte heute natürlich. Auch ich möchte zuerst meinen Dank aussprechen; denn ich glaube, er ist heute ganz besonders angebracht. Vor allem möchte auch ich den Kindern und Jugendlichen als erstes danken, mit denen wir im Rahmen unserer Arbeit gesprochen haben und die die Inhalte für die 200 Seiten, die Ihnen nun vorliegen, geliefert haben. Ohne das große Engagement dieser Kinder und Jugendlichen, ohne ihre Offenheit und ohne ihre Gesprächsbereitschaft hätte die Enquete-Kommission nur im luftleeren Raum diskutieren können und diese Ergebnisse nicht vorlegen können.
Ich möchte ebenfalls unserer Vorsitzenden Ulla BredeHoffmann ganz herzlich danken. Es war enorm, was sie auf die Beine gestellt hat.
Ich glaube, neben dem Durchhaltevermögen und der Bewältigung von irre viel Papier, war das auch eine große Integrationsleistung. Das ist im Parlament auch nicht immer so üblich. Deshalb hierfür einen ganz besonderen Dank.
Mit zu diesem Klima beigetragen haben alle Kolleginnen und Kollegen und die Sachverständigen der EnqueteKommission. Ich hoffe, dass uns diese vielleicht auch bei der Umsetzung in dem einen oder anderen Fall erhalten bleiben und wir auf ihren Sachverstand noch manchmal beratend zurückgreifen können.
Vielen Dank an die Landtagsverwaltung und die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen für die hervorragende und sehr umfangreiche Arbeit, ebenso Herrn Staatssekretär Professor Dr. Hofmann-Göttig und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ministerium sowie den Erwachsenen, die wir im Rahmen unserer Arbeit getroffen haben und die die Jugendlichen engagiert unterstützen.
Es ist schon vieles zur Arbeitsweise der EnqueteKommission gesagt worden. Auch ich kann im Nachhinein nur feststellen, dass die Arbeit sehr viel Spaß gemacht hat, vor allem deshalb, weil sie unvoreingenommen war und wir sehr lebensnahe Erfahrungen sammeln durften, weil wir neue Kontakte mit Kindern und Jugendlichen und Menschen, die mit ihnen arbeiten, geknüpft haben und weil uns diese Begegnungen in unserem Wissen, aber auch in unserem Empfinden sehr weit vorangebracht haben.
Die Rahmendaten, vor deren Hintergrund wir gearbeitet haben, kennen wir mehr oder weniger alle in diesem Hause schon über einen längeren Zeitraum. Viele dieser Daten sind von dem Gutachten von Herrn Professor Dr. Schrapper auch noch einmal bestätigt worden.
Engagement ist bei Kindern und Jugendlichen breit vorhanden. 38 % engagieren sich ehrenamtlich. Die Verdrossenheit gibt es gegenüber den politischen Akteuren und Parteien. Das eigene Verhältnis hängt bei vielen jungen Menschen nach wie vor davon ab, wo sie aufwachsen, ob in der Stadt oder auf dem Land, welchen Bildungsweg sie gehen, mit welchem Geschlecht sie geboren wurden und ob sie einen Migrationshintergrund haben oder nicht.
Eines hat sich allerdings nach der Arbeit der EnqueteKommission für mich als unabdingbar herausgestellt: Es ist enorm wichtig, dass wir diese Phase des Feststellens und des Lamentierens endlich hinter uns lassen, um von einer Phase, die wir jetzt durchgemacht haben, wie es denn gehen kann, hin zu einer Phase des Anpackens zu gelangen.
Zwei Dinge sind für mich zentral. Erstens: Jeder muss sich erst einmal an die eigene Nase fassen und sich überlegen, was er selbst dazu beiträgt, das Verhältnis von Kindern und Jugendlichen zu uns, der Politik, zu verbessern. Für jeden von uns gibt es sehr viele Möglichkeiten, die Quantität, aber auch die Qualität unserer Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen zu verbessern, Vertrauen und Freude an der Demokratie herzustellen. Jeder kann und sollte sich nach dem heutigen Tag den Bericht vorknöpfen und sich zumindest mit den jeweils zentralen Empfehlungen beschäftigen und auch die eigene Arbeit im Hinblick auf gelungene Kooperation und Partizipation von und mit Jugendlichen überprüfen.
Mein zweiter zentraler Punkt: Wir haben die Aufgabe, die zahlreichen Akteurinnen und Akteure in den unterschiedlichen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen über die Ergebnisse unserer Arbeit nicht nur zu informieren, sondern ihnen auch Anstöße und Hilfestellung bei der Umsetzung gelungener Partizipation, gelebter Demokratie und gelungener Kontakte zur Politik zu geben.
Um wirklich auf jeden Bereich eingehen zu können – hier sieht man die Redezeit gar nicht mehr so gut –, ist auch eine Viertelstunde wieder zu knapp. Das haben meine Vorrednerinnen auch schon treffend bemerkt. Deshalb möchte ich zu jedem Bereich, den wir wirklich gesehen und erlebt haben, einige kurze Sätze sagen.
Besonders berührt haben uns die Besuche in den Kindertagesstätten. Es war beeindruckend, wie Kinder schon im Vorschulalter ihre Meinung vorbringen, diskutieren, gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten für ihre Probleme suchen und über ihre eigenen Belange nicht nur entscheiden, sondern sich auch Mehrheitsvoten beugen können. Mir hat das eine ganz zentrale Erkenntnis gegeben, die mir vorher vielleicht noch nicht so bewusst war: Menschen haben offenbar von vornherein eine gewisse Begabung zur Demokratie. Auch sehr junge Menschen sind schon bereit und fähig, sich für ihre Anliegen stark zu machen, aber auch gemeinsam im Diskurs über ihr Lebensumfeld zu entscheiden, zu bestimmen und sich im demokratischen Prozess zu einigen.
Was wir dabei gesehen haben, heißt dann auch, offenbar müssen wir Demokratiefähigkeit nicht künstlich erzeugen, sondern sie ist im Menschen angelegt, und offenbar ist unsere Gesellschaft leider zurzeit teilweise so gestrickt, dass den kleineren oder auch größeren Menschen nach und nach diese Demokratiefähigkeit und diese Demokratielust ausgetrieben wird. Genau da müssen wir ansetzen.
Wir haben gesehen, dass Teilhabe selbstverständlich werden kann, auch schon in diesem jungen Alter, aber in der Tat das Elternhaus eine wichtige Sozialisationsinstanz ist und mitziehen muss und ein solches Engagement auch in der Grundschule und in weiteren Lebensbereichen fortgeführt werden muss.
Ich glaube, dass die engere Abstimmung zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen über das Programm „Zukunftschance Kinder“ auch in diesem Bereich vielleicht eine zusätzliche Möglichkeit bietet.
In der Schule haben wir es dann schon mit einem sehr viel größeren Spektrum unterschiedlicher Altersgruppen, Lebensumfelder und Bedingungen zu tun. Deshalb muss hier als oberstes Prinzip festgestellt werden, dass Kinder und Jugendliche dort durchgängig ernst genommen werden und ihren Alltag mitgestalten müssen.
Ich glaube, die Instrumente sollten sich jede Schule, jede Schülerschaft und jede Lehrerschaft mit der Schülerschaft selbst suchen. Aber eines ist wichtig: Lehrerinnen und Lehrer müssen gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern Wege finden, eine dauerhafte und wirkungsvolle demokratische Kultur zu etablieren.
Positive Ansätze dazu haben wir viele gesehen. Schülerinnen und Schüler nehmen auch schon Politiker und politisches Geschehen sehr wohl sehr aktiv und aufmerksam wahr, leider allzu oft noch über die Medien. Deshalb sind wir alle gefragt zu schauen, wie wir noch stärker Formen wie Live-Begegnungen von Politikerinnen und Politikern mit Schülern möglich machen und etablieren können. Politische Erfahrungen sollten nicht nur aus den Medien gesammelt werden. Vor allem muss es auch die Möglichkeit geben, dass Jugendliche über ihre eigenen Interessen und Themen mit Verantwortlichen diskutieren und sich mit uns auch genauso auseinander setzen können, wie andere Bevölkerungsgruppen das auch tun.
Wir haben nahezu von allen Schülerinnen und Schülern gehört, dass dieser Dialog mehr wert ist, als Institutionsschemata zu lernen. Deshalb und genau aus diesem Grund bin ich eigentlich bei dem Vorschlag der Opposition, wir machen früher und mehr Sozialkundeunterricht, etwas skeptisch, ob das unbedingt der allein selig machende hilfreiche Ansatz ist; denn zum einen wird – das hat die Kollegin schon gesagt – wie immer nicht gesagt, was stattdessen wegfallen soll oder wie man die Stundentafel umgestalten will.
Zum anderen glaube ich aber, dass in vielen Fällen mehr von demselben Unterricht uns leider keinen Schritt weiter bringen würde. Die Qualität des Unterrichts muss so sein, dass Politik authentisch erlebt werden kann, junge Menschen vor allem befähigt werden, sich selbst Möglichkeiten zu schaffen, aktiv an der Demokratie teilhaben zu können. Wenn wir das nicht schaffen, wird uns mehr Unterricht auch nichts nützen.