Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Ich rufe die Punkte 19 und 20 der Tagesordnung auf:

Hochschulzugang für besonders qualifizierte Berufstätige weiter öffnen Antrag der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/4242 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – Drucksache 14/4662 –

Allgemeines Hochschulzugangsrecht für Meisterinnen und Meister und gleich- wertig qualifizierte Berufstätige Antrag (Alternativantrag) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/4489 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur – Drucksache 14/4663 –

Da die Berichterstatterin, Frau Hayn, heute entschuldigt fehlt, entfällt die Berichterstattung. Die Fraktionen haben sich auf eine Redezeit von fünf Minuten pro Fraktion verständigt. Ich erteile der Frau Abgeordneten Schleicher-Rothmund das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung ist eine gemeinsame Zielset

zung aller im Haus vertretenen Fraktionen. Das ist eine Zielsetzung, die im Übrigen auch von Bildungsexperten und von Vertretern der Wirtschaft getragen wird.

(Vizepräsident Creutzmann übernimmt den Vorsitz)

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat sich früh dieser bildungspolitischen Aufgabe gestellt und als erstes Bundesland beruflich Qualifizierten den Zugang zu Hochschulen eingeräumt. Aber auch an anderen Stellen, wie zum Beispiel bei der Reform der berufsbildenden Schulen, hat die Landesregierung dazu beigetragen, beruflich Qualifizierten den Hochschulzugang zu erleichtern.

Mit dem heute von SPD und FDP eingebrachten Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, die bestehenden Regelungen für den Hochschulzugang beruflich Qualifizierter weiter zu öffnen und damit die Förderung der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung voranzutreiben. Dies wiederum wird ein wertvoller Beitrag sein, das Potenzial an qualifizierten Fachkräften zu erweitern. Das ist eine Forderung, die nicht nur von der Wirtschaft, sondern auch von Arbeitsmarktexperten an uns herangetragen wird.

In unserem Antrag fordern wir konkret die Landesregierung auf, den fachbezogenen Zugang von Meistern zur Fachhochschule von den bestehenden Voraussetzungen, wie einem Probestudium, zu befreien. Ebenso fordern wir die Anpassung beim Zugang zu einem Universitätsstudium.

Dabei weisen wir auch darauf hin, dass wir die Unterschiedlichkeit der Hochschularten berücksichtigt wissen wollen. In diesem Zusammenhang – das möchte ich auch erwähnen – meinen wir, dass es gilt, eine Gleichwertigkeit von Abschlüssen herzustellen, es aber nicht gilt, Gleichwertigkeit mit Gleichartigkeit zu verwechseln.

(Beifall bei der SPD)

Dies tun wir im Wissen um die unterschiedlichen Voraussetzungen und die unterschiedlichen Inhalte der verschiedenen Studiengänge. Wir berücksichtigen dabei auch die relevanten Zielsetzungen bei der Auswahl von Studiengängen durch beruflich Qualifizierte.

So soll die fachbezogene Studienberechtigung auch die Betriebswirtschaft umfassen. Mit diesem Schritt unterstützen wir insbesondere Meister, die einen Betrieb gründen oder übernehmen wollen.

Grundsätzlich haben die Bewerber bereits in ihrem Berufsfeld gearbeitet und wollen sich nun mit dem Schatz ihrer beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen weiter qualifizieren. Das ist eine vernünftige und für die berufliche Biographie effektive Entscheidung.

Der von den GRÜNEN vorgesehene Weg der Gleichstellung von Meisterprüfung oder einer gleichwertigen beruflichen Qualifikation mit dem Abitur oder dem allgemeinen Hochschulzugang verkennt meines Erachtens, dass die allgemein bildenden Schulen in der Oberstufe Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die nicht automa

tisch Bestandteil der beruflichen Bildung sind. Ihr Antrag verkennt auch die tatsächlichen Wünsche und Zielsetzungen von beruflich Qualifizierten, die an die Hochschule wollen.

Gestatten Sie mir, dass ich auf einen Artikel aus dem „Deutschen Handwerksblatt“ vom 27. Oktober 2005 verweise. Dort wird die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie folgt wiedergegeben: Deshalb stelle Frau Thomas die Forderung an die Landesregierung, hier endlich Flagge zu zeigen beim allgemeinen Hochschulzugang und nicht halbherzig nur erste zögerliche Schritte zu tun. Schließlich sei die ganze Thematik auch noch nicht über die Ankündigung hinausgekommen.

Fangen wir mit dem zuletzt Gesagten an. Was meinen Sie denn mit „über die Ankündigung hinausgekommen“? Hätte die Landesregierung bereits vor der Verabschiedung der Anträge handeln sollen? Sie wären wahrscheinlich dann die Ersten gewesen, die das kritisiert hätten.

Was ist zum anderen mit „nur erste zögerliche Schritte zu tun“ gemeint? Ich halte eines fest: Seit der Veröffentlichung dieses Antrags – seitdem sind schon ein paar Monate vergangen – hat sich nicht einer bei uns gemeldet und gefordert, bitte geht doch hin und modifiziert euren Antrag in die Richtung, wie sie uns von den GRÜNEN vorgestellt worden ist.

Wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass dieser Artikel im „Deutschen Handwerksblatt“ erschienen ist, bin ich der Meinung, dass Sie die Bedürfnisse und Anforderungen, die von den Betroffenen selbst formuliert werden, gar nicht richtig erkennen und in diesem Zusammenhang einfach über das Ziel hinausschießen.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Daher bin ich mir sicher, dass unser Antrag den gegebenen Voraussetzungen im System und dem, was die Menschen mitbringen, gerecht wird. Deshalb ermuntere ich alle, die den Zugang von beruflich Qualifizierten zur Hochschule erleichtern möchten, unserem Antrag zuzustimmen. Herr Wiechmann, ich sage es schon einmal vorweg: Ich könnte mir vorstellen, dass Sie jetzt gleich auf das verweisen werden, was in Berlin von der Koalition vereinbart worden ist.

(Glocke des Präsidenten)

Auch das wird uns nicht irritieren. Wir sind uns sicher, dass wir hier den richtigen Weg gehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kohnle-Gros das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben schon mehrfach über den Antrag bzw. den Gesetzentwurf diskutiert. Frau Kollegin, ich hätte aus dem „Deutschen Handwerksblatt“ noch viel lieber den letzten Absatz gehört, weil die GRÜNEN da so ein bisschen hopsgenommen werden, da sie auf der einen Seite all das, was im Handwerk mit dem Meister zu tun hat, am liebsten abschaffen würden, aber gleichzeitig für den Hochschulzugang für Meister kämpfen. Das ist eigentlich das Nette an diesem Artikel. Die Handwerker verstehen meiner Meinung nach, was wirklich dahintersteckt.

Sie wissen, dass wir dem Antrag von SPD und FDP zustimmen werden. Ich habe schon gesagt, dass wir mit der darin enthaltenen Tendenz durchaus einverstanden sind. Allerdings muss ich auch auf das zurückkommen, was Sie gesagt haben, nämlich dass in der Koalitionsvereinbarung offensichtlich eine ganz neue Lösung angedacht worden ist. Der Minister schüttelt den Kopf. Dann stimmt das offenbar so noch nicht so ganz.

Auf jeden Fall hat sich der Bund aber zunächst einmal für den Hochschulbereich vorbehalten, dass er den Hochschulzugang für alle allein regeln will. Das scheint ein Teilaspekt davon zu sein. Wenn das so kommt, sind wir ohnehin nicht mehr gefragt. Dann wird das so geregelt. Nach dem „Handelsblatt“ soll es so kommen, dass der Hochschulzugang nach der Vereinbarung der beiden großen Fraktionen für die Fachhochschulen und die Universitäten völlig freigegeben wird. Dann müssen wir uns ohnehin noch einmal ganz neu mit der Situation auseinander setzen.

Wie gesagt, für Rheinland-Pfalz finde ich den von der SPD und FDP vorgeschlagenen Weg richtig. Wir bleiben bei unserer Zustimmung. Den anderen Antrag lehnen wir ab.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Wiechmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wurde schon auf Berlin verwiesen. Deshalb kann ich mir das sparen. Ich möchte aber noch einmal ein bisschen in die Historie hineinblicken.

Die vorliegenden Anträge beschäftigen sich mit einem einfachen und überschaubaren Tatbestand. Meine Fraktion will ein allgemeines Hochschulzugangsrecht für Meisterinnen und Meister und gleichwertig qualifizierte Berufstätige. SPD, FDP und CDU wollen den Hochschulzugang für besonders qualifizierte Berufstätige lediglich weiter öffnen.

Ich möchte für meine Fraktion heute nur noch einmal zwei Punkte aus der Diskussion im September-Plenum und auch der Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Ende September 2005 aufgreifen. Ich möchte erst einmal eine Pressemitteilung vom 11. November 2004 der FDPFraktion aus dem Landtag Rheinland-Pfalz zitieren: „Kuhn und Handwerkskammern fordern uneingeschränkten Hochschulzugang für Meister. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, Werner Kuhn, und Vertreter der rheinland-pfälzischen Handwerkskammern fordern den uneingeschränkten Hochschulzugang für Meister.“ – Dann heißt es weiter: „Die FDP wird sich in der Koalition dafür einsetzen, dass besonders qualifizierte Berufstätige – insbesondere Meister – möglichst noch in dieser Legislaturperiode den uneingeschränkten Zugang zur Hochschule erhalten, sagte Kuhn nach einem Gespräch mit den Handwerkskammern.“

Im September-Plenum des letzten Jahres war die Aussage schon ein bisschen undeutlicher. Darin hat Herr Kuhn gesagt: „Wir vertrauen auf die Entscheidungskraft derjenigen Menschen, die diesen beruflichen Werdegang hinter sich gebracht haben.“ – Dann führt er weiterhin aus: „Insofern ist es nach unserer Einschätzung nicht mehr notwendig, diese Hürden zu belassen. Es geht in der Tat auch um ein Stück Freiheit und Vertrauen in das Individuum, das in der Lage ist, seinen beruflichen Weg und seinen Bildungsweg selbst zu bestimmen.“

Herr Kollege Kuhn, in der darauf folgenden Ausschusssitzung haben Sie nur noch gesagt, dass Ihre Fraktion der Meinung sei, dass eine weitere Öffnung der Fachhochschulen für Meisterinnen und Meister vernünftig sei. Sie seien davon überzeugt, dass es nicht richtig wäre, diese Öffnung so weit zu ermöglichen, dass auch ein Zugang zu den Universitäten möglich werde.

Herr Kollege Kuhn, das zeigt Ihre Entwicklung und die Wankelmütigkeit der FDP in Rheinland-Pfalz. Sie sind wieder einmal als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger gelandet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir bleiben bei unserer Meinung, dass Meisterinnen und Meister und gleichwertig qualifizierte Berufstätige ausreichend qualifiziert sind, eine verantwortliche Entscheidung für ein Studium zu treffen und ein Hochschulstudium ihrer Wahl mit Erfolg abzuschließen.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt erwähnen. Ich möchte auch hier mit einem Zitat beginnen, und zwar von Frau Kollegin Schleicher-Rothmund. Diese hat im Plenum im September letzten Jahres gesagt: „Hier ist die erfreuliche Feststellung zu machen, dass die Zahl der Studierenden im Probestudium im Wintersemester 1997/1998 bei 62 Studierenden lag und auf 328 Studierende im Wintersemester 2004/2005 gestiegen ist. Damit lag der Anteil der Studierenden im Probestudium bei 0,35 %, eine Prozentzahl, die sich mit einem erleichterten Hochschulzugang steigern lässt, ohne dass es dabei zu Qualitätseinbußen käme.“

Frau Schleicher-Rothmund, zwei Dinge sind bei diesem Beitrag, den Sie vorgebracht haben, bemerkenswert, und zwar zum einen die wirklich geringe Zahl an Studierenden ohne Abitur aus dem Berufsleben und zum anderen Ihre Aussage, dass es durch diese Studierenden nicht zu Qualitätseinbußen kommen würde. Ich stimme Ihnen bei beiden Sachen zu.

Frau Kollegin, machen Sie diese Tatsachen auch einmal Ihrem Minister klar. Dieser sieht nämlich den Untergang des gesamten Bildungswesens kommen, wenn 0,35 % aller Studierenden – 328 von über 90.000 – ohne Abitur ein Studium beginnen.

Herr Zöllner, ich möchte Sie gern zitieren. Sie sagen: „Die Konsequenzen würden … nach meiner festen Überzeugung das gesamte Bildungssystem aufs Schwerste irritieren und gefährden.“ – Wenn man das Plenarprotokoll weiter liest, sagen Sie an meine Fraktionsvorsitzende gewandt: „Hinter Ihrer Forderung steht, dass unter dem Mantel der Gleichwertigkeit das Schulsystem mit dem Virus der Beliebigkeit infiziert wird und wir Gefahr laufen, durch Erkrankung und Qualitätsverlust massive Schäden zu bekommen.“

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, diese Zitate sprechen für sich. Ich kann mit aller Ruhe und zum Abschluss feststellen, dass wir uns in unserer Haltung bestätigt fühlen, dass hoch qualifizierte Berufstätige oder Meisterinnen und Meister durchaus in der Lage sind, eine eigenverantwortliche Entscheidung für ein mehrjähriges Studium zu treffen und dies auch mit einem überdurchschnittlichen Erfolg. Deswegen wollen wir eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung für Meisterinnen und Meister und hoch Qualifizierte.