Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Verstehen Sie, das wäre das, was Sie hätten sagen können und was uns in Rheinland-Pfalz berührt. Sie haben gesagt: „Nein, wir machen alles richtig. Es geht nicht weiter. Wir brauchen auch nicht mehr.“

Herr Innenminister, die Innenministerkonferenz wird sich sicher in den nächsten Tagen mit diesen Diskussionen beschäftigen. Ich bin schon ein bisschen gespannt, wie wir uns insgesamt zu diesen Fragen deutschlandweit einstellen.

Ich sage Ihnen das ganz deutlich, die Diskussion, die jetzt losgebrochen ist, ist notwendig. Sie ist notwendig, weil wir Einbürgerung nicht nur als ein Kommen von anderen oder als eine Aufnahme von anderen Menschen verstehen müssen, sondern auch unsere Gesellschaft – das habe ich immer wieder in diesen Debatten gesagt – muss aufnahmebereit bleiben.

Das kann sie nur, wenn sie sieht, dass diejenigen, die eingebürgert werden wollen, sich auch mit unserem Wertesystem auseinander gesetzt haben und bereit sind, sich anzupassen.

Meine Damen und Herren, das ist wirklich entscheidend. Ich sehe es schon, dass wir in Deutschland ein Problem haben, weil wir selbst mit unserer Geschichte und unserer Kultur fremdeln, wie wir in meiner Heimat dazu sagen.

Wir haben das Problem, dass wir keine eindeutige Identität mit unserer Kultur und unserem Land haben. Zumindest in ganz bestimmten Bereichen gibt es das so nicht.

(Ministerpräsident Beck: Dafür gibt es gute Gründe!)

Wie will eine Gesellschaft, die mit sich selbst nicht im Reinen ist, anderen ein Angebot machen, sich in ihr zu integrieren, meine Damen und Herren? Diese Frage würde ich schon geklärt haben wollen.

(Beifall der CDU)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Leopold-von-DaunRealschule Daun und Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der Hauptschule am Tonberg, HöhrGrenzhausen. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hohn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland hat mit dem Zuwanderungsgesetz Migranten ein Angebot zur Integration gemacht. Jeder Einwanderer kann bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen deutscher Staatsbürger werden.

Wer aber Bürger dieses Landes werden will, sollte Grundsätzliches über das Leben dieses Landes wissen und seine Regeln und Gesetze akzeptieren. Er sollte sich zur Verfassung dieses Landes bekennen.

Es gibt keinen Automatismus, Deutscher zu werden, sondern es ist ein Angebot. Dies ist an die Zustimmung

zu der Grundordnung gebunden, die sich unser Land selbst gegeben hat.

Meine Damen und Herren, das Staatsangehörigkeitsgesetz verlangt:

1. Das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes erfolgt mit einer Loyalitätserklärung.

2. Jede Person über 16 Jahre, welche die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit anstrebt, muss diese Erklärung höchstpersönlich abgeben und unterschriftlich anerkennen.

3. Im Verfahren der Bekenntnisprüfung wird die einzubürgernde Person über die Bedeutung der Loyalitätserklärung belehrt.

4. Obligatorisch ist die Befragung, ob die einzubürgernde Person Handlungen vorgenommen hat, die der Einbürgerung entgegenstehen.

Meine Damen und Herren, die rheinland-pfälzischen Einbürgerungsbehörden besitzen eine Erläuterung zu dem Begriff „freiheitlich-demokratische Grundordnung“. Diese Praxis hat sich seit dem Jahr 2000 bewährt. Bewährtes sollte nicht ohne Not geändert werden.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ergänzend wird in Rheinland-Pfalz noch eine Anfrage an die Verfassungsschutzbehörde gerichtet, um auszuschließen, dass dort Erkenntnisse vorliegen, die der abgegebenen Loyalitätserklärung entgegenstehen.

Meine Damen und Herren, dieses Verfahren gilt in Rheinland-Pfalz für jede Person – ich sage ausdrücklich: für jede Person –, die eine Einbürgerung beantragt. Es gibt keine Abstriche bei der Anwendung dieser Regelung auf eine oder mehrere Religionsgruppen.

In der Gesetzesbegründung zu § 85 des Ausländergesetzes, heute § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, ist ausgeführt, dass bei acht Jahren Aufenthaltsdauer im Inland der Grundtatbestand der Anspruchseinbürgerung gegeben ist.

Meine Damen und Herren, auf den baden-württembergischen Vorschlag eines Gesprächsleitfadens für Muslime möchte ich im zweiten Teil meiner Rede eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD – Zuruf von der SPD: Das ist gut!)

Es spricht nun Frau Abgeordnete Grützmacher.

Meine Damen und Herren! Ich finde es ganz richtig, dass die SPD-Fraktion dieses Thema heute für die Aktuelle Stunde beantragt hat; denn es ist – das sagten Sie selbst, Frau Kohnle-Gros – inzwischen ein Thema, das überall diskutiert wird.

Allerdings frage ich mich – das ist mir nicht ganz klar geworden bei der Rede von Herrn Hohn –, welche Rolle eigentlich die FDP spielt. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie stellen in Baden-Württemberg mit Herrn Goll den Justizminister. Dieser ist auch für Integration zuständig.

Wie kann es sein, dass Sie in Rheinland-Pfalz immer wieder in Ihren Reden für Bürgerinnen- und Bürgerrechte und Freiheitsrechte kämpfen, aber dort, wo Sie an der Regierung sind, wo Sie mitbestimmen können, lassen Sie diese Gesinnungsprüfung zu, so wie wir das in Baden-Württemberg finden?

Meine Damen und Herren von der FDP, nein, wenn es um Bürgerinnen- und Bürgerrechte, um Freiheitsrechte geht, dann kann man sich schon lange nicht mehr auf Sie verlassen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Meine Damen und Herren, der Gesprächsleitfaden, der sich speziell – das wurde schon gesagt – an Einwanderer und Einwanderinnen aus muslimischen Ländern und solchen muslimischen Glaubens richtet, ist ein Gesinnungstest. Dies wird im Titel der Aktuellen Stunde spezialisiert.

Damit wird eine Gesinnungsprüfung verfolgt, die eindeutig über das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung hinausgeht, ein Bekenntnis, das wir natürlich auch unterstützen.

Dieser Gesprächsleitfaden enthält Fragen nach persönlichen Einstellungen, nach moralischen Überzeugungen, die in die intime Privatsphäre der Einbürgerungswilligen gehören und den Staat nichts angehen, wie zum Beispiel die Fragen 29 und 30, in denen es um die Einstellung zu Homosexualität geht. Herr Klöckner hat dies schon vorgelesen.

Was will die CDU in Baden-Württemberg damit erreichen? Soll jemand, der kritisch zur Homosexualität steht, nicht eingebürgert werden, meine Damen und Herren von der CDU? Darf man nur Deutscher werden, wenn man Homosexualität als etwas Normales ansieht? Sehr merkwürdig, dass diese Vorstellung gerade von der CDU so verlangt wird.

Meine Damen und Herren, damit wir uns richtig verstehen, der Staat kann natürlich von allen Bürgern Gesetzestreue und die Akzeptanz unserer Rechtsvorschriften verlangen. Es wurde schon darauf hingewiesen, der § 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes verlangt von den Einbürgerungsbewerbern und -bewerberinnen ein Bekenntnis zur Verfassungsordnung.

Die Einbürgerung kann versagt werden – so steht es im Gesetz – wenn „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer oder die Ausländerin verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt.“ – Ein ganz wichtiger juristischer Grundsatz.

Aber zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die gerade von Herrn Hohn auch beschworen wurde, gehört auch Anerkennung der Grundrechte, zum Beispiel des Gleichheitsgrundsatzes, Artikel 3 des Grundgesetzes, und des Persönlichkeitsrechts, Artikel 2 des Grundgesetzes.

Meine Damen und Herren, beide Grundsätze sind in diesem Gesprächsleitfaden, in diesem Gesinnungstest unter der Vorgabe, dass die Verfassung geschützt werden soll, selbst verletzt worden.

So soll der Leitfaden nur gegenüber Menschen Anwendung finden, die der muslimischen Religion angehören. Dies verstößt eindeutig gegen den Gleichheitsgrundsatz. Zum Zweiten zielen die Fragen auf Werturteile, die der Privatsphäre unterliegen, in der der Staat nichts zu suchen hat. Das verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, natürlich geht es auch uns darum – das halten wir für sehr wichtig –, dass Einbürgerungswillige an die Grundordnung des Grundgesetzes gebunden werden. Das lässt sich aber doch nun wirklich nicht durch solch einen diskriminierenden Gesinnungstest erreichen. Im Gegenteil, wenn wir wollen, dass Menschen, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen, unsere Verfassung und unsere Grundrechte respektieren, können wir ihnen doch nicht als erstes einen Gesinnungstest vorlegen, in dem gerade solche Grundrechte verletzt werden.

Meine Damen und Herren von der CDU, aber auch von der FDP, darum machen Sie Ihren Einfluss in BadenWürttemberg geltend. Sorgen Sie dafür, dass dieser Fragenkatalog zurückgezogen wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Innenminister Bruch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hält eine strenge Prüfung der Einbürgerungsvoraussetzungen für erforderlich. Dazu gehört insbesondere das Bekenntnis zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Eine Überprüfung der persönlichen Einstellungen der Einbürgerungsbewerberin oder des Einbürgerungsbewerbers auf der Grundlage von Gesinnungsprüfungen lehnen wir ab.