Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestern wollte Herr Dr. Gölter mit meiner Kollegin Frau Thomas „Großer Gott wir loben dich“ anstimmen. Jetzt – so oft passiert das nicht – könnte ich mit der CDU „Wenn wir schreiten Seit’ an Seit’“ tatsächlich anstimmen,

(Unruhe im Hause)

weil momentan im ganzen Land die Abiturprüfungen im Gange sind.

Als ich Abitur gemacht habe – das ist noch nicht lang her – war es klar, dass am Ende eine bestimmte Note, die geschrieben wurde, oder die Durchschnittsnote auf dem Abiturzeugnis erscheint.

In diesem Jahr ist in Rheinland-Pfalz vieles anders. Die Schülerinnen und Schüler streiten mit dem Bildungsministerium darüber, nach welcher Prüfungsordnung das Abitur abgelegt wird. Die Schülerinnen und Schüler protestieren. Die Ministerialverwaltung rotiert. Die Schulen müssen Stellungnahmen verfassen. Die Gerichte verhandeln über Klagen betroffener Schülerinnen und Schüler. Jetzt ist die Frage auch noch Gegenstand der heutigen Landtagsdebatte.

Das sind nicht gerade optimale Rahmenbedingungen für die derzeitigen Abiturientinnen und Abiturienten in den Prüfungswochen.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Meine Damen und Herren, all das geschieht, weil die Bildungsministerin im Januar 2004 rückwirkend die Abiturprüfungsordnung für die Abiturjahrgänge ab 2006 geändert hat. Gegen diese Neuerung gab es schon damals insbesondere von der Landesschülervertretung heftige Proteste. Nicht nur, dass durch diese Verordnung die Bedingungen für die Schülerinnen und Schüler, eine gute Abiturdurchschnittsnote zu erreichen, erschwert wurden, (Frau Brede-Hoffmann, SPD: Wie 1999!)

auch ist offensichtlich, dass der Informationsfluss zwischen dem Ministerium und den Betroffenen nicht so funktioniert hat, wie es hätte sein müssen.

Meine Damen und Herren, Anfang Dezember hat das Verwaltungsgericht in Neustadt der Klage eines Schülers des Gymnasiums in Wörth stattgegeben, der darlegen konnte, dass er über die Verordnung des Bildungsministeriums nicht ausreichend informiert worden sei. Das Gericht hat damit vehement dem Ministerium und der Ministerin widersprochen, die immer auch im zuständigen Fachausschuss gesagt hat, alle Schülerinnen und Schüler seien umfassend und richtig informiert gewesen.

Jetzt hat es lange Diskussionen gegeben. Nunmehr gibt es zwei Schulen, an denen es Ausnahmeregelungen gibt. Das ist auf der einen Seite ein Erfolg für die protestierenden Schülerinnen und Schüler, die sich gegen die starre Haltung des Ministeriums gerichtlich durchgesetzt haben, auf der anderen Seite aber auch eine große Peinlichkeit für diese Landesregierung, die die Beschwerden von Schülerinnen und Schülern nicht hinreichend ernst genommen hat, sodass diese den Klageweg beschreiten mussten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Leider geht das schlechte Theater immer noch weiter, wie wir den Medien entnehmen können.

Meine Damen und Herren, die Facharbeit ist zurzeit keine wirklich freiwillige Leistung, da ohne diese Arbeit die optimale Punktzahl für das Abitur nicht erreicht werden kann. Nicht nur, dass diese Regelung rückwirkend eingeführt wurde, sondern vor allem, dass Zweifel an der ausreichenden Information aller Schülerinnen und Schüler gerichtlich bestätigt wurden, erzwingen aus unserer Sicht ein Handeln der Ministerin.

Frau Ministerin, für uns Grüne ist klar, dass das Bildungsministerium die offensichtlichen Versäumnisse endlich eingestehen und dem ganzen Abiturjahrgang 2006 in Rheinland-Pfalz die Wahlmöglichkeit zwischen alter und neuer Prüfungsordnung eröffnen sollte, bevor immer neue Problemfälle auftauchen.

(Beifall der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lelle, CDU)

Das haben auch die Landesschülervertretung und der Landeselternbeirat gefordert. Es kann nicht angehen, dass Schülerinnen und Schüler benachteiligt werden, nur weil Frau Ahnen das Gesicht nicht verlieren will.

(Hartloff, SPD: So ein Quatsch!)

Frau Ministerin, entscheiden Sie im Sinn der Schülerinnen und Schüler, und lassen Sie ihnen die Wahl zwischen alter und neuer Prüfungsordnung.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Sie werden sehen, dass sich mit ein bisschen Gnade und Gerechtigkeit viele Probleme in Wohlgefallen auflösen.

(Hartloff, SPD: Welches Rechts- verständnis haben Sie denn?)

Frau Ministerin, ich verspreche Ihnen, dass ich keine hämische Pressemitteilung machen werde, wenn Sie über Ihren Schatten springen und dem ganzen Abiturjahrgang endlich diese Möglichkeit eröffnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe im Hause)

Für die FDP-Fraktion hat Frau Abgeordnete Morsblech das Wort.

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau BredeHoffmann, Herr Hartloff und Herr Wiechmann, das Wort hat Frau Morsblech.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrte Damen und Herren! Mit Verordnung vom 16. Januar 2004 wurde, wie richtigerweise gesagt wurde, die Abiturprüfungsordnung vom 14. Juli 1999 geändert. Die schon 1999 bestehende Möglichkeit, eine Facharbeit anzufertigen und in die Abiturleistung einzubringen, wurde somit wieder eingeführt. Die Bedingungen sind dieselben wie zuvor. Die Anfertigung einer Facharbeit ist freiwillig. Nur wer die Facharbeit tatsächlich einbringt, kann auch die maximal mögliche Punktzahl im Abitur erreichen.

(Zurufe aus dem Hause)

Wenn man mich nicht versteht, können Sie das Protokoll lesen. Ich komme mit dieser Anlage nicht klar. Ich versuche es, ich kann andere Kollegen teilweise gar nicht verstehen. Wenn ich zu denen gehöre, die man hier nicht mehr verstehen kann, tut mir das leid.

Ich komme zum Thema zurück. Es ist beschrieben worden, dass die zwischenzeitlich bestehende Anrechnung von Punkten aus den Halbjahreskursen entfällt. Man muss, um die maximale Punktzahl einzubringen, eine Facharbeit anfertigen. Meiner Ansicht nach macht diese Regelung Sinn, gerade weil Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Erarbeitung einer Facharbeit wichtige Kompetenzen erbringen müssen, die im Hinblick auf das wissenschaftliche Arbeiten von Bedeutung sind und auch die Studierfähigkeit fördern. Alle Beteiligten waren auch der Meinung, man sollte dies wieder einführen.

Lassen Sie mich zu den Vorwürfen der CDU-Fraktion einige Punkte sagen:

1. Die Schulen wurden sehr konkret und umfangreich über die Änderung unterrichtet. Es gab eine MSS-LeiterTagung, die Veröffentlichung der Änderungsverordnung im Amtsblatt und im Anschluss daran eine Versendung eines Papiers, das ausführlich Möglichkeiten zur Anfertigung einer Facharbeit und Konsequenzen für die Qualifikation dargestellt hat, inklusive eines Rechenbeispiels zum Vergleich der neuen mit der alten Regelung. Das Papier konnte auch in Form von Austauschseiten in die MSS-Broschüre eingelegt werden. Darüber hinaus konnte man alles noch einmal im Internet abrufen. Die Landesregierung ist somit ihrer Informationspflicht sehr umfangreich und sorgfältig nachgekommen.

2. Eingegangene Beschwerden sind sorgfältig geprüft worden. Es wurde eine Stellungnahme der Schule angefordert und gegebenenfalls auch eine schriftliche Dokumentation der Abläufe. Hier wurde korrekt gehandelt.

3. Bei der Klage und dem Urteil für das Europagymnasium Wörth war entscheidend, dass den Schülerinnen und Schülern durch den MSS-Leiter nicht das genannte Rechenbeispiel, das die Konsequenzen für die Erreichung von Punktzahlen durch die neue Änderung klarmacht, ausgehändigt wurde.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts, der in diesem Fall dem Antrag eines Schülers stattgab, sich deshalb auf die alte Regelung berufen zu können, bedeutet in der Konsequenz, dass alle Schüler an dieser Schule, die keine Facharbeit geschrieben haben, ihr Abitur nach der vorher geltenden Prüfungsordnung ablegen können. Diejenigen, die eine Facharbeit geschrieben haben, können zwischen der alten und der neuen Regelung wählen.

4. Das Ministerium hat nach diesem Urteil zu Recht entschieden, bei weiteren Beschwerden jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen und nur bei tatsächlich nachweisbaren Informationsdefiziten an einer Schule ebenfalls die alte Regelung zuzulassen.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Die Anwendung sollte deshalb nur sehr sparsam zum Zuge kommen. Das kann ich gut nachvollziehen, weil damit der Vorteil für diejenigen, die von der neuen Regelung ausgegangen sind, sich daran gehalten und die Facharbeit angefertigt haben, nun keinen Vorteil mehr daraus haben. Es gibt auch bereits Beschwerden. Natürlich ärgern sich die Schülerinnen und Schüler darüber. Auch das sollte man berücksichtigen und kann man verstehen. Jede Ausnahme beinhaltet auch eine gewisse Ungerechtigkeit.

5. Bis heute liegen von elf der insgesamt 147 Schulen mit gymnasialer Oberstufe Beschwerden vor. Das zur Dimension. In der Zwischenzeit wurde an einer zweiten Schule ein weiterer Antrag auf einstweilige Anordnung bei Gericht gestellt. An einem weiteren Gymnasium wurde die Ausnahmeregelung gewährt.

Lassen Sie mich zusammenfassen. Die neue Abiturregelung ist sinnvoll und politisch begründet. Das Ministerium hat umfangreich und sorgfältig über diese informiert. Dennoch gab es bisher an zwei Schulen Mängel in der Weitergabe der Information durch die MSSLeitung an die Schülerinnen und Schüler. Diese Schülerinnen und Schüler bekommen die Möglichkeit, ihr Abitur nach der neuen oder nach der alten Regelung abzulegen. Jeder Einzelfall wird deshalb sorgfältig geprüft, – –

(Glocke der Präsidentin)

Ich bin gleich mit der Zusammenfassung fertig.

weil die Ausnahmeregelung auch zu Ungerechtigkeiten gegenüber denjenigen führt, die die Leistungen einer Facharbeit erbracht haben.

Ich bin persönlich der Meinung, dass es richtig ist, diese Einzelfälle deshalb genau zu prüfen, und allein auf unsere politische Handlungsfähigkeit insgesamt gesehen denke ich auch, dass es möglich sein muss, in einem angemessen Zeitraum und mit einer solch umfangrei

chen Information eine neue Regelung einzuführen, sonst verballhornen wir uns irgendwann auch selbst. Ich bin mir sicher, dass an diesen 136 nicht betroffenen rheinland-pfälzischen Schulen auch die leistungswilligen Schülerinnen und Schüler sehr davon profitieren,

(Glocke der Präsidentin)

dass sie diese neue Regelung haben und die Facharbeit künftig wieder eine Bedeutung haben wird.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Frau Bildungsministerin Ahnen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in fünf Punkten noch einmal kurz darauf eingehen, worüber wir hier reden und wie sich das Ministerium bisher verhalten hat und wie es sich weiter verhalten wird.