Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren wir haben auch vernommen, dass der hessische Ministerpräsident nicht nur eine Laufzeitverlängerung ins Auge fasst, sondern auch den Neubau von Reaktoren. Er hat bezeichnenderweise keinen Standort genannt.

Was mich an dieser Debatte immer sehr wundert, ist, dass die CDU-Ministerpräsidenten die atomare Option immer wieder hochleben lassen und ihrerseits noch nie einen Beitrag positiver Art zur Debatte geleistet haben, wenn es sich um die Endlager- und die Entsorgungsfrage von atomaren Müll gehandelt hat.

(Beifall bei der SPD – Schweitzer, SPD: Sehr gut!)

Dies passt sehr gut in diese Diskussion.

Herr Licht, ich sage dies an dieser Stelle deswegen zu Ihnen, weil Sie von Sicherheit der Atomreaktoren sprechen – – –

Ich mache klar den Einschub: Die Koalition hat in der Grundfrage der Atompolitik sicherlich unterschiedliche Auffassungen. Das ist bei uns nicht anders als im Bund. Aber den Atomkosens haben wir im Interesse des Landes und der enormen Erblast gemeinsam mitgetragen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Weil ich auch für die Sicherheit der Atomreaktoren zuständig bin: Ich kann mir keine Sicherheit vorstellen und nicht von Sicherheit reden, solange wir in dem gesamten atomaren System die zentrale Frage einer sicheren und dauerhaften Endlagerung weder in Deutschland noch weltweit gelöst haben. Wir müssen das Gesamtsystem betrachten, wenn wir über Sicherheit reden. Diese Fragen sind bis heute nicht beantwortet. Deswegen von meiner Partei, aber auch von mir, die ich für Sicherheit zuständig bin, ein klares Nein, jetzt noch einmal eine atomare Option aufleben zu lassen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen bei diesen beiden Reaktoren etwas anderes betrachten. Ich habe heute Morgen mit Interesse die Diskussion über die militärische oder die terroristische Bedrohung während der Fußballweltmeisterschaft verfolgt, wo man sich große Gedanken gemacht hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage einer terroristischen Bedrohung und die Auswirkungen auf die Sicherheitsstandards in Deutschland ist eine viel ältere. Ich erinnere noch einmal an 2001. Diese Frage beschäftigt uns seit dieser Zeit. Es ist die Frage, wie sicher unsere Atomreaktoren vor möglichen terroristischen Angriffen sind. Deswegen auch an dieser Stelle: Biblis A und Biblis B sind nicht mit einem modernen Berstschutz ausgelegt, der den Flugzeugabstürzen größerer Passagierflugzeuge Stand halten würde, sondern lediglich mit einem Berstschutz gegen Abstürze kleinerer Flugzeuge. Auch das ist bei dieser Debatte mit zu berücksichtigen, und wir berücksichtigen dies bei unserer Beantwortung der Frage, wie wir mit Biblis A und Biblis B umgehen.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn wir in manchen Grundfragen, was die friedliche Nutzung der Atomenergie anbelangt, unterschiedliche Auffassungen haben, haben wir aber Antworten gegeben, was eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung ist. Diese steht unter dem Dreiklang Klima schützen, Energie sichern und Arbeitsplätze schaffen. Wir haben die Pfade eingeschlagen und Wege für Effizienztechnologien bereitet, die wir fördern, für Einsparenergie, die wir mobilisieren, und für eine große Dynamik auch bei den erneuerbaren Energien mit heimischen Ressourcen.

So und nicht mit Atomreaktoren schaffen wir Arbeitsplätze vor Ort bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen. So stärken wir unsere ländlichen Räume, und so machen wir uns unabhängiger von endlichen Ressourcen. Dies gilt auch für Uran. Auch Uran ist keine sichere Option für die Zukunft.

Herr Licht, es ist endlich wie Erdöl und Gas. Deswegen glaube ich nicht an eine Zukunft mit Atom, sondern an eine Zukunft, wie ich sie in diesem Dreiklang beschrieben habe, auch im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nichtsdestotrotz: Die SPD ist und bleibt in der Frage des Atomausstiegs ein Wackelkandidat oder eine Wackelkandidatin.

(Mertes, SPD: Gequirlter Käse!)

Das liegt zum einen daran – das haben Sie eben selbst gesagt –, dass die Landesregierung dafür gekämpft hat, dass Laufzeiten von Mülheim-Kärlich, einem Reaktor,

der illegal war, der ein Schwarzbau war, auf andere Reaktoren übertragen werden können.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Es ist doch eben direkt gesagt worden: Der Ministerpräsident direkt mit Herrn Schröder an Trittin vorbei. So war das damals doch auch. Natürlich.

(Mertes, SPD: An Trittin ging doch nie ein Weg vorbei!)

Was soll man denn dann machen?

Sie haben damals auf Initiative von Frau Ministerin Martini und vom Ministerpräsidenten diese Restzeiten übertragen lassen.

Sie können hier sagen, wir wollen nicht, dass sie in Biblis genutzt werden. Aber 21,5 Terawatt, also fast drei Jahre, können genutzt werden. Deswegen geht man ohnehin schon davon aus, dass Biblis B bis zum Jahr 2012 laufen kann, also keine weiteren rechtlichen Schritte mehr machbar sind, weil es sich sozusagen rechtlich um eine Übertragung eines alten Reaktors auf einen neuen handelt.

Das kann beantragt werden. Das ist völlig legal. Das ist der Weg, den Sie damals vorgezeichnet haben, meine Damen und Herren. Sie können jetzt nicht sagen: Das darf nicht sein. Das wollen wir nicht. Das ist eine alte Schrottschüssel. Die müsst Ihr abschalten. – Sie haben dafür gesorgt, dass sie länger laufen kann. Das ist doch die Tatsache.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: So ein Unfug!)

Ich bin froh, dass die FDP als Fraktion klar sagt: Wir wollen nicht, dass Biblis A und Biblis B länger laufen. – Schauen Sie sich einmal Ihr eigenes Wahlprogramm für dieses Jahr an. Herr Hohn, Ihr Programm lautet doch, dass Sie die Option für die Kernkraftwerke weiter offen halten wollen. Herr Hahn in Hessen macht das doch ganz deutlich und offensiv. Sie sind doch diejenigen, die sozusagen in die Bresche springen für die Konzerne, die Sie nachher kritisieren. Sicherheit vor Profit ist etwas ganz Tolles. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt, Herr Hohn. Wenn Sie das in der FDP durchsetzen würden, dann wäre Ihre Politik eine andere. Herr Hahn – Hahn und Hohn liegt dicht beieinander, ich will sie nicht verwechseln – könnte sich dann aber nicht zum nützlichen Idioten von RWE machen, meine Damen und Herren. Das sollten Sie ihm auch einmal sagen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Licht.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Herr Mertes, ich werde das mit Sicherheit erfüllen. Herr Kollege Dr. Braun hat versucht, nur die Landesregierung mit in die Verantwortung hineinzunehmen, in der die Grünen selbst mit drinstecken. Das ist ein Vertrag, der in Berlin abgeschlossen wurde. Herr Ministerpräsident, Sie haben völlig Recht, die Grünen saßen mit im Boot und haben den Vertrag ebenfalls unterschrieben. Wir waren im Land Rheinland-Pfalz dafür. Wir haben nicht gesagt, dass wir die Übertragungen kritisieren.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben immer drumherumgeredet!)

Wenn es aber möglich ist, diese rund 21 % zu übertragen, dann ist das etwas, was ich heute nicht infrage stelle. Das ist Teil des Vertrags.

Frau Conrad, ich bin damit einverstanden, wenn man sagen kann: Wenn Übertragungen, dann dort, wo es am sichersten ist. Dann haben Sie auch uns an der Seite. Wenn man aber schon damals wusste, dass Biblis kritisch ist, dann hätte man Biblis von dem Vertrag ausschließen können.

(Beifall bei der CDU)

Dann hätte der Zeitraum von drei Jahren als Möglichkeit überhaupt nicht mehr in dem Vertrag stehen können. Wenn der hessische Minister, der überhaupt nicht verhandeln kann, nun sagt: „Wir werden aus Sicht des Landes nur mitmachen, wenn es erhebliche Verbesserungen gibt, weil wir wissen, wie die Vertragslage ist.“ –, dann ist das ein Fingerzeig, wie sich Hessen grundsätzlich in dieser Frage verhält.

Deshalb gehe ich davon aus, dass es bei Biblis nicht zu diesem Punkt kommen wird. Die RWE wird sich sicherlich ihren Part dabei denken.

Andererseits muss ich natürlich auch bewerten – ich kann das von dieser Seite aus nicht tun –, wenn RWE beispielsweise sagt: Biblis arbeitet auf einem deutlich höheren Sicherheitsniveau, als bei Neuanlagen anzustreben ist. – Dann muss er sich dabei doch so etwas denken. Ich gehe davon aus, dass der Betreiber durchaus weiß, was dort Sache ist. Ich gehe davon aus, dass Biblis im Zuge des Atomkonsenses nicht in der Form zum Zuge kommen wird.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hohn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist schon sehr doppelzüngig, was Sie sagen nach dem Motto: Der Ministerpräsident hat das mit Mülheim-Kärlich

ausgehandelt, und Herr Trittin war nicht dabei. – Das ist doch ein schlechter Treppenwitz.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat Frau Conrad gesagt, nicht Bernhard Braun!)

Nein, das hat er gesagt.

Meine Damen und Herren, unbeschadet der grundsätzlichen Position der FDP-Fraktion zur Energiepolitik, die auf einen Energiemix setzt und in diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und aus Umweltschutzgründen die Option zur künftigen Nutzung der Kernenergie offen hält – – –

Herr Kollege Dr. Braun, diese Diskussion führen wir doch permanent. Uns geht sehr wohl Sicherheit vor Profit. Genau aus diesem Grund sagen wir, dass wir uns diese Option offen halten müssen. Wir haben doch schon oft genug darüber diskutiert. Es macht doch keinen Sinn, sichere Atomkraftwerke abzuschalten und dann den Strom aus den benachbarten Ländern, zum Beispiel aus der Tschechei, zu importieren, wobei deren Kernkraftwerke weitaus nicht so sicher sind wie Kernkraftwerke in Deutschland.