Alles in allem können wir in Rheinland-Pfalz für uns in Anspruch nehmen, das Thema dieser Tagesordnung sehr ernst zu nehmen und mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu agieren und zu reagieren.
Natürlich sind weitere Verbesserungen möglich und nötig. Wir werden uns darum kümmern. Diese Aufgabe ist bei uns, bei FDP und SPD, in guten Händen.
Meine Damen und Herren, gestern fiel die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Sicherungsgesetzes. Dies ist auch ganz aktuell eine Entscheidung dazu, wie weit der Staat mit seinen
Mitteln im Kampf gegen den Terrorismus gehen darf oder, wie Heribert Prantl das in der „Süddeutschen Zeitung“ schreibt, bei der Verteidigung des Rechts gegen den Terror darf das Recht dem Terror nicht geopfert werden. Der Terrorismus darf den Gesetzgeber nicht zu Mitteln und Methoden verleiten, welche die Zivilisiertheit eines Landes und seiner Rechtsordnung gefährden.
Meine Damen und Herren, anscheinend geht es bei dem so genannten Kampf gegen den islamistischen Terror immer nur ums Draufsatteln. Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, wie Schutz der Privatheit, Unschuldsvermutung, Verhältnismäßigkeit der Mittel, alles wird zur Disposition gestellt.
In dem vorliegenden Antrag der CDU hat man das Gefühl, Sie habe die kontroversen Debatten um die Terrorismusbekämpfung und vor allem die Umsetzung der Gesetze verschlafen.
Wurde nicht im Bund die Anpassung der Sicherheitsgesetze – ich sage nur „Otto“-Kataloge – an die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus vorgenommen? Wurden nicht die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden erweitert und der Datenaustausch verbessert? Wurden nicht Vorschriften zur Verhinderung der Einreise terroristischer Straftäter geschaffen und identitätssichernde Maßnahmen im Visa-Verfahren eingeführt und die Grenzkontrollen verbessert? Ich könnte noch mehr aufzählen. Mehr als 20 Gesetze wurden auf der Bundesebene geändert. Herr Pörksen hat auch gerade dargestellt, was hier in Rheinland-Pfalz schon geändert wurde im Zuge der Sicherheitsgesetze. Das will ich jetzt nicht noch einmal alles wiederholen.
Meine Damen und Herren von der CDU, was wollen Sie denn noch? Wollen Sie einen völlig durchgerasterten Sicherheitsstaat? Nach dem Lesen Ihres Antrags muss man das beinahe annehmen. Sie haben das Gefühl für die Balance von Sicherheit und Freiheit, die immer schwierig ist und um die wir immer kämpfen müssen, völlig verloren.
Wenn man Ihrem Antrag nachkommen würde, dann hätten die Terroristen gewonnen, und unser Rechtsstaat sowie unsere Demokratie wären durch repressive Gesetze erdrückt worden.
„Auf Verdacht ausweisen“, wie können Sie so etwas fordern? Das widerspricht jeglicher Rechtsstaatlichkeit.
Meine Damen und Herren, natürlich wollen auch wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Gefahr und die Angst
Wir könnten das Ziel von Anschlägen werden, gerade im Hinblick auf die Großereignisse der Weltmeisterschaft.
Aber diese Angst darf von der Politik nicht dazu benutzt werden, Angst und Misstrauen gegen Ausländerinnen und Ausländer im Land zu schüren. Ich kann nur vor einer neuen Form subtiler Fremdenfeindlichkeit unter der Fahne der Terrorismusbekämpfung warnen.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartloff, SPD: Nicht nur unter der Fahne der Terrorismusbekämpfung!)
Meine Damen und Herren, das Grundprinzip jedes Rechtsstaats ist die Verhältnismäßigkeit der Mittel. Dieses Prinzip dürfen wir nie außer Acht lassen.
Jedes Mittel, jede Maßnahme zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger muss sich daran messen, ob sie geeignet, erforderlich, zielgerichtet und verhältnismäßig ist, um das Ziel zu erreichen, in diesem Fall, um terroristisches Handeln zu verhindern.
Aber diese Zielgenauigkeit des Handlungsanlasses fehlt uns vollkommen bei dem vorliegenden Antrag der CDU. Man kann nicht nur einfach an die Debatten der letzten zehn Jahre zum Thema „Innere Sicherheit“ anknüpfen und immer neue Vorschläge bringen.
Es muss uns dabei gegenwärtig sein – darauf hat Herr Pörksen schon hingewiesen –, dass diese Debatte vor dem Hintergrund einer anderen Kultur, einer anderen Religion steht.
Das erfordert deswegen eine klare Abgrenzung. Wir müssen sagen, dass auch Muslime ihre Religionsfreiheit ausüben können, diese aber dort aufhört, wo sie unserem Grundgesetz widerspricht, und natürlich auch Muslime die Glaubensfreiheit anderer anerkennen müssen.
Wenn aber vor diesem Hintergrund diese Auseinandersetzung steht, dann erfordert das eine klare Abgrenzung und ein Höchstmaß an Sensibilität. Es geht nicht allein um neue, bessere, effektivere Maßnahmen und Instrumente, sondern es geht um ihre zum Teil gewollten, aber auch ungewollten Aus-, Nebenwirkungen und Folgen.
Deshalb muss deutlich kommuniziert und verstanden werden, dass wir uns gegen Terror und Gewalt wenden und nicht gegen eine Glaubensrichtung, meine Damen und Herren von der CDU.
Wir müssen uns endlich fragen, wie dieser islamistische Terrorismus arbeitet; denn es ist fraglich, ob die bisher ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung des fundamen
talistisch begründeten Terrorismus, der sich religiös darstellt, überhaupt die angemessenen Mittel sind.
Wir wissen, dass Terrornetzwerke nicht hierarchisch strukturiert sind, sondern durch Dezentralisierung und Delegation von Führungsaufgaben gekennzeichnet sind. Diese Art von Netzwerkorganisation stellt eine neue Herausforderung dar. Man muss erst eine strategische Analyse dieser neuen Herausforderung erstellen und sie wirklich verstehen, um dementsprechend handeln zu können. Davon ist in beiden Anträgen nichts zu spüren.
Meine Damen und Herren, alle Versuche, die Menschenrechte und die rechtsstaatlichen Grundsätze zu relativieren, lehnen wir ab. Wir sind der Meinung, dass die umfangreichen bestehenden Gesetzespakete, die zur Bekämpfung des Terrorismus nach dem 11. September auf Bundes- und Landesebene aufgelegt wurden, schon mehr als genug sind und ausreichen.
Wir brauchen vor allem keine neue Kronzeugenregelung, wie wir es in Ihrem Antrag finden, meine Damen und Herren von SPD und FDP. Herr Kuhn, mich wundert schon, dass Ihre Fraktion diesen Antrag unterschrieben hat.
Aber es zeigt, dass Bürgerrechte und Menschenrechte in Rheinland-Pfalz nicht besonders gut bei der FDP aufgehoben sind.
Meine Damen und Herren, weil wir keine weitere Verschärfung der bestehenden Sicherheitsgesetze wollen, lehnen wir beide Anträge ab.
Es ist für mich meine letzte Rede im rheinlandpfälzischen Landtag. Da kommt trotz allem Hin und Her ein bisschen Wehmut auf.
Immerhin waren es 15 sehr intensive Jahre, das muss man sagen. Hier ist immer, wenn man vorn steht, der ganze Mensch gefordert, finde ich.