Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass die Diskussion und auch eine Aufklärung über das, was wir mit unserem Änderungsantrag wollen, dringend notwendig ist, weil definitiv nicht verstanden worden ist von einigen Kolleginnen und Kollegen, was wir beabsichtigen.

Nach dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung ist die Landesregierung unserer Meinung nach verpflichtet, nicht nur wenigen Privilegierten, sondern allen Eltern und Schülerinnen und Schülern, die ein Ganztagsangebot brauchen oder möchten, ein solches zur Verfügung zu stellen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Zustimmung des rheinland-pfälzischen Finanzministers zum Beschluss der Finanzminister der Länder, die Bildungshaushalte nach 2005 verstärkt zur Sanierung der Länderhaushalte zu nutzen, müssen den Eltern und den Schülerinnen und Schülern verlässliche Planungsdaten für das von der Landesregierung zugesagte flächen- und bedarfsdeckende Ganztagsschulangebot geboten werden. Deshalb fordern wir Sie in unserem Änderungsantrag auf, den Gesamtbedarf für ein landesweites bedarfsdeckendes Ganztagsschulangebot für die einzelnen

Schularten zu ermitteln und dem Landtag und natürlich auch den Eltern – die schon Eltern sind und auch vielleicht denjenigen, die einmal Eltern werden möchten – eine mittel- und langfristige Finanzplanung für die Umsetzung eines zukünftigen landesweiten bedarfsdeckenden Ganztagsschulangebots vorzulegen. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies sollten doch zumindest die derzeit geplanten Lehrerwochenstunden-Zuweisungen für die Ganztagsangebote enthalten.

Ganz kurz noch einmal zu Ihrem Antrag. Wo Sie wirklich einen direkten Einfluss auf die Qualität der Ganztagsangebote nehmen könnten, dort kneifen Sie meiner Meinung nach. Deshalb fordern wir Sie in unserem Änderungsantrag weiterhin auf, qualitative Anforderungen an die Konzepte der beantragenden Schulen zu stellen und diese dann tatsächlich auch präzise zu formulieren.

(Mertes, SPD: Warum denn dieses Misstrauen?)

Jeder macht was er will.

(Mertes, SPD: Das scheint schlimm zu sein! – Weitere Zurufe von der SPD)

Bei uns macht nicht jeder, was er will. Herr Kollege Mertes, es geht auch überhaupt nicht darum, dass wir rigide festlegen wollen, was denn überhaupt an den Schulen angeboten werden soll, aber es müssten wenigstens qualitative Bestandteile festgelegt werden. Diese sind unserer Meinung nach nicht ausreichend festgelegt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mertes, SPD: Die sind nicht nur aus- reichend, die sind hinreichend!)

Deswegen fordern wir in unserem Änderungsantrag, dass Sie bei der Auswahl der Schulen die Anträge bevorzugen, die ein Ganztagsangebot beinhalten, das an den Schulen ein ganztägiges Bildungsangebot in weitgehender Verantwortung und Begleitung von Lehrerinnen und Lehrern oder pädagogischen Fachkräften vorsieht. Ich glaube, so schwer ist das nicht zu verstehen.

Wir fordern in unserem Änderungsantrag weiterhin, dass Anträge bevorzugt genehmigt werden, die von Schulen und Schulträgern gestellt werden, die oftmals schon seit Jahren einen ganz hohen pädagogischen, organisatorischen und finanziellen Anteil daran haben, dass ein Angebot in ihrer Kommune funktioniert. Genau deshalb sind wir der Meinung, dort ist definitiv nachgewiesen, der Bedarf ist vorhanden. Warum können diese Schulen nicht bevorzugt behandelt werden und bevorzugt in diese Förderung mit eingebaut werden? Genau das fordern wir nämlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere im Bereich der Grundschulen wird die Einrichtung von Ganztagsangeboten oft in eine unfaire Konkurrenz mit bereits bestehenden Ganztagsangeboten in Kindertagesstätten und in Horten münden. Die Eltern werden zu Recht darauf verweisen, dass das Ganztagsangebot an der Schule weitgehend kostenfrei ist.

Die Kostenträger der Kindertagesstätten und der Horte werden zu Recht auf ihre Investitionen und die personelle Ausstattung in ihren Einrichtungen hinweisen. Deshalb ist es unserer Meinung nach gerechtfertigt, Konzepte und Anträge für Ganztagsangebote bevorzugt zu behandeln, die eine Zusammenarbeit der bisherigen Ganztagseinrichtungen wie zum Beispiel einem Hort mit der neuen Ganztagsschule beinhalten.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin.

Meine Damen und Herren, mit der Umsetzung eines wirklich bedarfsdeckenden Ganztagsangebots bietet sich die Gelegenheit, den Unterrichtsalltag entscheidend und grundlegend zu verändern und die Selbstständigkeit der Schulen entscheidend zu stärken und demokratische Entscheidungsstrukturen zu etablieren. Die SPD-Fraktion versucht in ihrem Antrag, einen solchen Weg anzudeuten. Aber wie wollen Sie mit unserem Änderungsantrag ermutigen, konkrete Schritte, wie wir sie unter anderem in unserem Schulgesetzentwurf aufgezeigt haben, in diese Richtung zu gehen.

(Kuhn, FDP: Das ist gute Tradition!)

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Keller.

(Staatsminister Bauckhage: Jetzt geht’s zur Sache!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor allem gesellschaftspolitische und wirtschaftspolitische Gründe erfordern den Ausbau ganztagsschulischer Angebote. Darüber ist schon von verschiedener Seite gesprochen worden. Diese Erkenntnis ist nicht neu; sie besteht aber auch nicht erst seit Frühjahr dieses Jahres, als die SPD die flächendeckende Einführung der Ganztagsschule versprach und dies noch als pädagogischen Quantensprung bezeichnete. Was man darunter versteht, habe ich vor einigen Stunden erklärt.

Bereits 1990 hatte die CDU-geführte Landesregierung mit der Einführung der betreuenden Grundschule dem

wachsenden Betreuungsbedarf Rechnung getragen. Die betreuende Grundschule – das betonen fast alle – ist bis heute eine Erfolgsstory geblieben. Aber – dies gehört zur historischen Wahrheit – die SPD lehnte damals diesen wichtigen Schritt zu mehr Betreuung mit fadenscheinigen Begründungen ab.

(Lelle, CDU: So war das! – Beifall der CDU)

Obwohl in den Koalitionsverträgen von 1991 und 1996 der Ausbau des Ganztagsschulangebots enthalten war, geschah in diesen zehn Jahren praktisch nichts. Ganztagsschulen in verpflichtender Form wurden so gut wie nicht mehr genehmigt. Anträge von Kommunen und Schulen auf Landesunterstützung für offene Formen wurden abgelehnt.

Ich wiederhole mich, zehn Jahre lang herrschte in diesem Land Stillstand in puncto mehr Ganztagsangebote. Jetzt will die Landesregierung Ganztagsschulen in offener Form errichten. Die CDU unterstützt diese Zielsetzung.

Geschätzte Frau Kollegin Brede-Hoffmann, Sie hätten besser einmal in einer Fraktionssitzung gesagt, was sich in der letzten Sitzung des Ausschusses für Bildung und Jugend getan hat und wie wir diskutiert haben. Da wäre der eine oder andere vorhin in seinem Auftreten doch etwas ziviler gewesen.

(Beifall der CDU)

Ich habe vorhin auf einige Gestaltungselemente hingewiesen. Wenn man die bereits angesprochenen Gestaltungselemente ernsthaft umsetzen will, stellt sich jedoch die Frage, ob diese mit den vorgesehenen Lehrerwochenstunden sachgerecht verwirklicht werden können.

So fordert man beispielsweise zu Recht Förderkurse für ausländische Schüler, Begabtenförderung, Förderung von Lernschwachen, Hausaufgabenbetreuung und Instrumentalunterricht. Frau Ministerin Ahnen hat vorhin gesagt, wie sich die Kinder darauf freuen. Aber diese Dinge kann man nur in kleineren Gruppen verwirklichen. Die geplanten 26 Lehrerwochenstunden für die Grundschule erlauben bei der Mindestzahl von 36 Schülern, die vorgeschrieben ist, nur die Bildung von zwei Gruppen zu je 18 Schülern oder einmal 30 und einmal sechs Schülern. Wir haben die große Befürchtung, dass kaum eine sinnvolle Qualitätsförderung möglich ist oder erreichbar sein wird.

Wenn wir zustimmen – wir tun dies immer noch, werden aber diese Sache kritisch begleiten –, muss die Frage erlaubt sein, ob die Mindestzahl von 36 Schülern für die Grundschule und 54 für den Bereich der Sekundarstufe I nicht die kleineren Schulen auf dem Land von vornherein zu Nichtganztagsschulen verurteilt. Leidtragender wäre der so genannten ländliche Raum. Man muss irgendwann darüber reden, ob wir uns das leisten können.

(Beifall der CDU)

Wie gesagt, wir warten die Entwicklung ab und begleiten diese Sache kritisch.

Fragen muss man auch, ob die zusätzlichen Kosten für die Schulträger, beispielsweise für die Schülerbeförderung, Mittagessen und Einrichtung, angesichts der dramatischen Haushaltslage vieler Kommunen von diesen auf Dauer allein getragen werden können.

Ich wiederhole, die CDU trägt die Einführung von mehr Ganztagsangeboten mit und wird diese kritisch begleiten. Wir stimmen deshalb dem SPD-Antrag zu, obwohl wir im Ausschuss lange diskutiert haben und bei einigen Formulierungen mehr als Bauchweh hatten. Frau Kollegin Brede-Hoffmann hat vorhin so getan, als hätten uns bei dieser pädagogischen Formulierungskunst die Augen geglänzt.

(Mertes, SPD: War es nicht so?)

Ganz so war es nicht. Wir haben Ihnen mehr als den kleinen Finger gereicht. Aber es war nicht so gemeint, dass Sie uns gleich brutal über den Tisch ziehen können. (Beifall der CDU – Glocke der Präsidentin)

Es gibt einige Formulierungen, die ich gern noch erwähnt hätte, aber dafür reicht die Zeit nicht mehr aus. Dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können wir leider wegen Punkt 1 nicht zustimmen. Die flächendeckende Einführung wollen die SPD, wir und mit Sicherheit auch der Ministerpräsident nicht mehr. Deswegen müssen wir den Antrag ablehnen. Aber, lieber Herr Kollege, Ihnen kann ich im Hinblick auf die Charakterisierung der atmosphärischen Situation vor zwei Stunden zustimmen.

Danke schön. (Beifall der CDU)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich Besucherinnen und Besucher im rheinlandpfälzischen Landtag, und zwar die Klassen- und Schulsprecher der Hauptschule in der Ringstraße Bad Kreuznach. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Frau Morsblech.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich werde jetzt ein Experiment wagen, denn der Kollege Kuhn hat mir extra seine neue Brille mitgegeben, damit ich endlich einmal intelligent aussehe. Ich glaube aber, ich kann damit nicht lesen.

(Keller, CDU: Frau Kollegin, da müssen Sie meine Brille nehmen! – Heiterkeit im Hause)

Nein, Herr Kollege Keller, durch Ihre Brille möchte ich diese Thematik nicht so gern betrachten,