Ich will sagen, was Sie in der Haushaltspolitik machen, ist eine Schönwetterhaushaltspolitik. Sie sind nichts anderes als Schönwetterhaushälter. In den zwei Jahren, in denen die Steuereinnahmen kräftiger als angenommen sprudelten, haben Sie versucht, eine Finanzplanung hinzubekommen. Sobald Ihnen der erste Sturm entgegenkam, es ist nicht nur ein Lüftchen – – –
Ich sage, es ist eine ernst zu nehmende und schwierige Situation. Sobald der erste Sturm geht, fallen Sie um. Sie planen eine Neuverschuldung von 2,1 Milliarden DM. Da gebe ich Herrn Bracht Recht, so viel hat das Land noch nie in einem Jahr an Schulden neu aufgehäuft. Sie fallen auch um, wenn es um die Maßnahmen geht, die Sie für die Kommunen planen.
Ich will abschließend mit einer Geschichte aufräumen. Sie sagen, die Kommunen werden in den kommenden zwei Jahren nicht mit den prognostizierten Steuerausfällen belastet.
Ich will deutlich machen, was das Land dafür leistet, es sind letztendlich nur die Zinsausgaben für genau diesen Betrag, das heißt, den Anteil der Kommunen an den Mindereinnahmen.
Ich sage, das sind vielleicht 2 oder 3 Millionen DM, die Sie den Kommunen zustecken. Dafür wollen Sie sich das Etikett „kommunalfreundliches Land“ ans Heft stecken. Das wird nicht funktionieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Thomas, ich mache zum Letzten nur eine Anmerkung. So diffus und unredlich in einer Diskussion im Umgang mit den Argumenten wie heute, habe ich Sie noch nie erlebt.
Ich will Ihnen nur einen Hinweis geben. In den vergangenen vier Jahren hatten wir jahresdurchschnittlich ein Wachstum der Ausgaben von 0,6 Prozentpunkten.
Das soll keine Konsolidierung, keine solide Haushaltsführung gewesen sein! Ich bitte Sie. Schon aus Respekt vor sich selbst sollten Sie mit den Fakten sorgsamer umgehen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen heute überhaupt keine vorgezogene Haushaltsdebatte zu führen. Wir können es aber auch.
Ich dachte, Ausgangspunkt sei die Steuerschätzung und die Auswirkungen auf das Land und die Kommunen. Es wäre doch angemessen, wenn wir die Kraft fänden, mit dem, was wir an objektiven Kriterien vorfinden, in argumentativer Weise und bewertend umzugehen. Das gilt beispielsweise für das, was der Sachverständigenrat in seinem gestern erst veröffentlichten Gutachten em pfiehlt. Es stellt sich die Frage, was eigentlich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung zu tun ist. Es besteht die Frage, ob es Sinn macht, Konjunkturprogramme der öffentlichen Hände aufzulegen.
Ich lese in der letzten Woche, ich glaube in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Keynes ist tot.“ – Ich stimme dem zu, Keynes ist tot. Wir sollten auch nicht den untauglichen Versuch machen, ihn wiederzubeleben.
Aber es gibt einige andere Aspekte. Ich denke, der Therapie hat immer die Diagnose vorauszugehen. Was gehört zur Diagnose? Der Sachverständigenrat hat vier zentrale Punkte in seinem gestern veröffentlichten Gutachten genannt, die maßgeblich für die Verschlechterung der Konjunktur im Jahr 2001 sind. Ich darf sie schwerpunktmäßig nennen.
1. Die harte Landung in den Vereinigten Staaten und die daraus resultierende Dämpfung der Weltkonjunktur mit der Folge, dass eine wie keine andere Volkswirtschaft vom Export abhängige Nation wie die deutsche in besonderer Weise davon betroffen ist.
2. Der inflationsbedingte Kaufkraftentzug war stärker als erwartet. Das hat mit der Ölpreisexplosion und der im ersten Halbjahr vorhandenen Verteuerung zu tun. Es hat auch mit der Verteuerung der Nahrungsmittel aufgrund der Tierseuchen zu tun. Dies hat im privaten Konsum einen Wachstumsverlust von 0,7 Prozentpunkten bewirkt.
3. Die Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen ist überschätzt worden, sagen die Wissenschaftler. Dies hat insbesondere seine Ursache in dem abrupten Abschwung im Informations- und Kommunikationssektor in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dies konnte nicht folgenlos bleiben.
4. Der Rückgang der Bauinvestitionen ist erheblich stärker gewesen, nämlich um 0,7 Prozentpunkte das Bruttoinlandsprodukt betreffend.
Wenn wir von dieser Diagnose her kommen, denke ich, kann man die Frage stellen, was eine angemessene Therapie sein kann.
Ich will zu der Frage der vorgezogenen Steuerreform nichts sagen, weil es erörtert worden ist und auch aus Zeitgründen nicht. Auf eines will ich hinweisen. Deutschland hat mit der Steuerreform ein Steuerentlastungsprojekt mit 45 Milliarden DM in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Das ist ein Prozent bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Das ist etwa die Größe, die die Vereinigten Staaten von Amerika aufgrund der Ereignisse vom 11. September jetzt auf den Weg bringen.
Meine Damen und Herren, allen Unkenrufen zum Trotz, die Steuerreform greift. Sie greift. Wir sehen es doch an unseren Steuermindereinnahmen. Wer könnte mehr als der Finanzminister die Verschuldung beklagen? Wir dürfen die Augen vor den Fakten nicht verschließen. Wir haben in diesem Jahr eine Steuermindereinnahme aufgrund der Steuerreform in der Größenordnung von knapp 900 Milliarden DM zu verkraften. Das macht sich an sehr konkreten Steuereinnahmenentwicklungen fest.
Die Entwicklung der Branntweinsteuer in Deutschland ist leicht rückläufig. Aber das Aufkommen aus der Branntweinsteuer ist in diesem Jahr höher als das Aufkommen aus der Körperschaftssteuer, die noch ganze 1,7 Milliarden DM in die öffentlichen Kassen bringt. Das waren im Jahr davor noch mehr als 20 Milliarden DM. Ich will den Hinweis darauf geben, dass wir in Rheinland-Pfalz bis Ende Oktober eine Negativentwicklung bei der veranlagten Einkommensteuer haben. Wir haben mehr an die Bürger zurückgegeben, als wir an Steuern eingenommen haben. Dann soll noch einer daherkommen und davon reden, dass die Steuerreform nicht greift. Natürlich greift sie. Man muss fragen, wo wir heute stünden, wenn wir sie im vergangenen Jahr nicht gemacht hätten und wenn wir sie nicht so gemacht hätten, wie sie ist.
Der Sachverständigenrat sagt heute, die Schelte und der Vorwurf, die Steuerreform sei mittelstandsfeindlich, sind falsch. Bezüglich der Personengesellschaften und der Einzelunternehmen ist sie nicht mittelstandsfeindlich, sondern mittelstandsfreundlich. Das ist im Gutachten nachzulesen. Aber man muss auch nicht alle Fakten zur Kenntnis nehmen. Ich lese, dass Herr Kollege Bracht vor einigen Tagen hier in einer Presseerklärung gesagt hat, ich zitiere: „Zu hohe Steuersätze lähmen die Wirtschaftskraft und führen deshalb zu weniger statt zu mehr Steuereinnahmen. Das hat die SPD bis heute nicht begriffen.“ So weit das Zitat aus der Presseerklärung.
1998 hatten wir noch einen Eingangssteuersatz von 25,9 %. Dieser beträgt dieses Jahr 19,9 % bei einem um 1.700 DM erhöhten Freibetrag steuerlichen Existenzm inimums. Der Spitzensteuersatz hat im Jahr 1998, als Sie den Bundesfinanzminister gestellt haben, noch 53 % betragen. Heute beträgt er 48 %. Er wird auf der Zeitschiene aufgrund des beschlossenen Gesetzes bis zum Jahr 2005 auf 42 % sinken. Der Eingangssteuersatz wird auf 15 % sinken.
Doch. Wir haben schon kapiert und haben verstanden. Nun müssen Sie es auch bitte schön zur Kenntnis nehmen.
und auch sonst in der politischen Diskussion bundesweit einmal eine Debatte darüber führen zu können, wie eigentlich unsere gesamte steuerliche Architektur aussehen soll, in welchem Umfang bestimmte Steuerarten zum Gesamtsteueraufkommen beitragen sollen und vor allen Dingen wie hoch der Anteil des Staates dauerhaft am Bruttoinlandsprodukt sein soll. Wir leisten uns den Luxus, den Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt, der sich in der volkswirtschaftlichen Steuerquote ausdrückt, ständig weiter zurückzufahren. Ich nehme es mit Freude zur Kenntnis, dass im Kreis der CDU-Finanzministerkollegen die Sensibilität für diesen Aspekt zunehmend wach wird. Es ist auch notwendig, dass wir darüber in einen streitigen und fruchtbaren Dialog kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Was ist in dieser Situation angemessen? Ich denke, es ist das Angemessene, was die Wirtschaftswissenschaftler in ihrem Herbstgutachten empfehlen, was durch das Sachverständigengutachten ebenso bestätigt wird: Lasst die so genannten Stabilisatoren wirken. – Das ist der Terminus, auf dem man sich auch im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts verständigt hat, dass konjunkturbedingte Steuereinnahmen nicht durch weitere Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite kompensiert werden, sondern durch eine maßvolle Erhöhung der Verschuldung, sofern sie nicht strukturell dauerhaft, also nachhaltig, angelegt wird, um das Übel der Nachfrageschwäche durch staatliches Handeln nicht noch zu verschärfen.
Verehrte Frau Kollegin Thomas, vielleicht ist es Ihnen möglich, diesen Gedanken nachzuvollziehen, deswegen haben wir den Kommunen angeboten, dass wir sie an den Mindereinnahmen des Landes im Rahmen des
Doppelhaushalts 2002 und 2003 nicht partizipieren lassen, (Glocke des Präsidenten – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber Sie tun es doch an anderer Stelle!)
weil damit nämlich nicht nur die Zinsen gespart werden, sondern die Investitionstätigkeit in den Kommunen hoch und aufrecht erhalten wird.
(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum nehmen Sie es ihnen an anderer Stelle? Sagen Sie doch dazu etwas!)
Wir haben uns damit schon in einigen Aussprachen hier befasst. Es geschieht auch heute. Ich kann aus Zeitgründen darauf jetzt nicht eingehen.
Ich will nur einen Hinweis darauf geben, was die Grunderwerbsteuer angeht, meine Damen und Herren. Die Kompensation, die wir bei der Grunderwerbsteuer vor fünf Jahren vorgenommen haben, ist in voller Höhe in die Landeskasse geflossen. Das war auch nicht anders möglich, weil es – die anderthalb Prozentpunkte – eine Teilkompensation für die weggefallene Vermögensteuer gewesen ist. Davon brauchen wir den Kommunen nichts wegzunehmen, das hat das Land schon längst. Das war auch logisch. Es geht jetzt darum, dass wir bezüglich der Grunderwerbsteuer den Rechtszustand herstellen, den es in allen anderen Ländern gibt.