Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

...............................................................................................................749 Präsident Grimm:......................................................................................................................... 749, 760

13. Plenarsitzung am 12. Dezember 2001

Die Sitzung wird um 14:01 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Barbara Schleicher-Rothmund und Matthias Lammert. Herr Lammert führt die Rednerliste.

Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten Gerd Itzek, Dr. Dieter Schiffmann, Anne Spurzem, Dr. Walter Altherr und Ute Granold.

Ich freue mich, bereits jetzt Gäste im Landtag begrüßen zu können, und zwar Bacchanten aus dem Landkreis Cochem-Zell, Redakteure und Journalisten des Wochenspiegels für den Bereich Mayen und Cochem-Zell, Unteroffiziere des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz sowie Schülerinnen und Schüler der 12. und 13. Klasse des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums Andernach. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Gestatten Sie mir einige wenige Hinweise zur Tagesordnung. Die Fraktionen sind übereingekommen, den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen „Schienengüterverkehr in Rheinland-Pfalz“ – Drucksache 14/520 – zu behandeln. Die Tagesordnung ist so zu ergänzen. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann stelle ich die Tagesordnung so fest.

Meine Damen und Herren, einziger Punkt der Tagesordnung ist heute die Einbringungsrede des Herrn Finanzministers.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Landeshaushaltsgesetz 2002/2003 (LHG 2002/2003) Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/505 – Erste Beratung

dazu: Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2001 bis 2005 Unterrichtung durch die Landesregierung – Drucksache 14/506; Vorlage 14/575 –

Ich erteile Herrn Finanzminister Mittler das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung legt dem Parlament heute den Haushaltsentwurf für die Jahre 2002 und 2003 sowie die mittelfristige Finanzplanung vor. Damit wird die erste parlamentarische Beratung eines Landeshaushaltsentwurfs im neuen Jahrhundert eingeleitet.

Der Doppelhaushalt 2002/2003 ist zugleich der erste Haushalt in neuer Währung, dem Euro. Das ist gewiss eine Zäsur, nicht nur für die staatlichen Ebenen, sondern auch für die privaten Haushalte und die Wirtschaftsunternehmen. Knapp drei Wochen trennen uns von der Abschaffung der D-Mark und der übrigen nationalen Währungen in den Partnerländern der Währungsunion und der Einführung des einheitlichen Bargelds.

Wir wissen, dass vielen Menschen in Deutschland der endgültige Abschied von der D-Mark schwer fällt und sie dem neuen Zahlungsmittel mit Skepsis, teilweise sogar mit Abneigung begegnen. Dennoch sollten und müssen wir feststellen, dass die Entscheidung vom Dezember 1991, also von vor genau 10 Jahren, mit dem Maastricht-Prozess eine weitere Stufe der europäischen Integration einzuleiten und in eine Währungsunion münden zu lassen, nicht nur mutig, sondern auch aus historischer Sicht konsequent und unter ökonomischen Aspekten zwingend war. Wie anders als mit einer einheitlichen Währung will Europa, der größte Binnenmarkt der Welt, im weltweiten Wettbewerb der Wirtschaftsregionen auf Dauer bestehen?

(Beifall der SPD und der FDP)

Gerade eine so exportabhängige Volkswirtschaft wie die deutsche – dies gilt für die rheinland-pfälzische Wirtschaft in besonderer Weise – muss ein elementares Interesse daran haben, durch die Ausschaltung des Währungsrisikos für nahezu 60 % der Ausfuhren ein höchstmögliches Maß von Sicherheit der eigenen Kalkulationsgrundlagen zu schaffen. Zudem war es vernünftig, die nationalen Volkswirtschaften nach dem Grundsatz der „Stärkung durch Bündelung“ ihrer nationalen Währungen von den spekulativen Einflüssen der internationalen Kapitalmärkte unabhängiger zu machen und damit zu festigen.

Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass die Ausschläge bei den Währungsparitäten zu Verwerfungen in den internationalen Wettbewerbsstrukturen und zu Wachstums- und damit Wohlstandsverlusten geführt haben. Insoweit bin ich zutiefst davon überzeugt, dass im Hinblick auf die großen Verunsicherungen der Märkte, insbesondere in den vergangenen drei Monaten, der Euro seine erste große Bewährungsprobe bereits bestanden hat.

Die Bürgerinnen und Bürger haben allen Grund, der neuen Währung zu vertrauen; denn der Euro wird eine stabile Währung sein, wie die D-Mark es gewesen ist. Ich weise darauf hin, dass die Preissteigerungsraten nicht nur bei uns, sondern europaweit niedrig sind und sich das Zinsniveau auf einem historischen Tiefstand befindet.

Neben all dem, was aus ökonomischer Sicht von Bedeutung ist, bitte ich jedoch, nicht und niemals zu übersehen, dass die europäische Währung auch und insbesondere eine politische Dimension hat: Die Aufgabe war und ist, eingedenk geschichtlicher Erfahrungen, in Europa Strukturen zu schaffen, die es dauerhaft verhindern, dass die europäischen Nachbarvölker noch einmal in feindliche, gar kriegerische Auseinandersetzungen zurückfallen und unser Kontinent noch einmal dort stehen

könnte, wo er während der gesamten ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gestanden hat.

(Beifall der SPD und der FDP)

Die Währungsunion, in der die wirtschaftlichen Interessen der Völker eng miteinander verbunden sind, ist ohne Zweifel ein herausragender Beitrag zur Schaffung solcher Strukturen.

Meine Damen und Herren, die Beratung des Entwurfs des Doppelhaushalts 2002/2003 findet vor dem Hintergrund einer von Unsicherheit geprägten Wirtschaftsentwicklung statt. Vor genau einem Jahr sind alle Konjunkturforscher von einem Wirtschaftswachstum für das Jahr 2001 von mindestens 2,4 % ausgegangen; dies gilt ebenso für den Sachverständigenrat wie für die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, für die Bundesbank ebenso wie für die Volkswirte der Großbanken, übrigens auch für die internationalen Finanzinstitutionen.

Heute wissen wir, dass die Entwicklung anders verlaufen ist. Für das laufende Jahr wird mit einem Wachstum von gerade einmal einem Viertel des ursprünglich prognostizierten Wertes gerechnet. Das hat insoweit Folgewirkung auf den Doppelhaushalt, als in den beiden nächsten Jahren der negative Basiseffekt des Jahres 2001 nachwirken wird. Zudem sind auch für die nächsten Jahre die Wachstumserwartungen nach unten korrigiert worden.

Es wird erneut deutlich, dass die prognostische Kraft der Menschen begrenzt ist. Ich bitte, dies nicht als Schelte an die Prognostiker misszuverstehen. Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit Schätzungen selbst im kurzfristigen Bereich der Politik eine zuverlässige Orientierungshilfe sind. Um es mit den Worten des Bundesfinanzministers deutlicher zu sagen: „Die Geschichte der Wirtschaftsprognosen ist die Geschichte ihrer kompletten Irrtümer. Sie werden umso genauer, je mehr sie von der Prognose der Zukunft in die Beschreibung der Vergangenheit übergehen.“

(Beifall des Abg. Lewentz, SPD)

Zurzeit streiten die Fachleute über den aktuellen Stand der wirtschaftlichen Entwicklung und die vorhersehbare Richtung. Die „Frankfurter Allgemeine“ vom 28. November sieht Deutschland „am Rande einer leichten Rezession“. „Ifo-Präsident Sinn sieht Deutschland in schwerer Rezession“, titelte die „Financial Times Deutschland“ am 4. Dezember 2001. Jedoch wird in dem folgenden Artikel von positiven Signalen in den Vereinigten Staaten berichtet. Die DGZ-Deka-Bank wird zitiert: „Wir scheinen eine Bodenbildung zu erreichen.“

Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, wird in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 7. Dezember nach einer Sitzung des EZB-Rats folgendermaßen zitiert: „Die Voraussetzungen für das Wirtschaftswachstum im Laufe des Jahres sind da.“ Es gebe keine größeren Ungleichgewichte in Europa, die Finanzierungsbedingungen seien sehr komfortabel, der Rückgang des Ölpreises und die sinkende Inflationsrate würden die verfügbaren Einkommen erhöhen und die Nach

frage stützen. Zudem signalisierten die Finanzmärkte ebenfalls eine optimistische Sicht.

Heute titelt das „Handelsblatt“: „Konjunktur vor der Wende.“ Nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft ist der konjunkturelle Tiefpunkt in Deutschland erreicht. Eine Umfrage des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung signalisiert „die Konjunkturwende zum Positiven“.

Über die Ursachen, die zur jetzigen Situation geführt haben, mögen die Meinungen auseinander gehen. Daher beschränke ich mich auf die vier Gründe, die der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2001/2002, das im vergangenen Monat veröffentlicht wurde, benannt hat. Danach sind für die ausgeprägte Verschlechterung der Konjunktur im Jahr 2001 folgende Gründe zu nennen:

1. Die harte wirtschaftliche Landung in den Vereinigten Staaten und die daraus resultierende Dämpfung der Weltkonjunktur, die die Exportdynamik wesentlich stärker abkühlte als erwartet.

2. Der inflationsbedingte Kaufkraftentzug, der vor allem in höheren Energiekosten und den aufgrund der Tierseuchen verursachten Preissteigerungen für Nahrungsmittel seine Ursache hatte.

3. Die Investitionsschwäche bei den Ausrüstungsinvestitionen, die durch den abrupten Abschwung im Informations- und Kommunikationssektor der Vereinigten Staaten seine Ursache hatte, flankiert von sinkenden Aktienkursen und schlechteren Gewinnerwartungen, die sich auf die Investitionstätigkeit in Europa übertrug.

4. Der starke Rückgang bei den Bauinvestitionen.

Was auch immer im Detail und über die genannten Gründe hinaus ursächlich gewesen sein mag: Schwächeres Wirtschaftswachstum bedeutet auch geringere Steuereinnahmen.

Meine Damen und Herren, der Planung der Steuereinnahmen für die Haushaltsjahre 2002 und 2003 haben wir das Ergebnis der Steuerschätzung vom November 2001 zugrunde gelegt. Die danach zu erwartenden Steuereinnahmen bleiben hinter dem zurück, was die Landesregierung bei der Verabschiedung des Landeshaushaltsentwurfs im Ministerrat angenommen hatte. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung haben wir bereits kräftige Abschläge von den Schätzwerten der Steuerschätzung im Mai 2001 vorgenommen, die sich jedoch als nicht ausreichend herausgestellt haben.

Die Landesregierung hat sich dafür entschieden, diese Mindereinnahmen von 146 Millionen Euro in 2002 bzw. 154 Millionen Euro in 2003 nicht durch zusätzliche Sparmaßnahmen aufzufangen, sondern insoweit die Nettokreditaufnahme anzuheben. Wir haben uns für diesen Weg entschieden, weil wir, nachdem die konsumtiven Ausgaben bereits in einem sehr strengen

Rahmen gestaltet sind, ein Zurückfahren der Investitionsausgaben vermeiden wollten, da dies aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kontraproduktiv gewesen wäre.

(Beifall der SPD und der FDP)

Mit der von uns gewählten Verhaltensweise sehen wir uns in Übereinstimmung mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstand. Ich darf daran erinnern, dass der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten ausdrücklich dazu rät, die „automatischen Stabilisatoren“ wirken zu lassen, das heißt konkret, konjunkturbedingte Steuerausfälle hinzunehmen und vorübergehend eine höhere Kreditaufnahme in Kauf zu nehmen.

Die Landesregierung hat ihrem Haushaltsentwurf für die Jahre 2002/2003 folgende Eckwerte zugrunde gelegt:

1. Die Steuerschätzung basiert auf der gesamtwirtschaftlichen Projektion der Bundesregierung und geht für 2002 von einem realen Wirtschaftswachstum von 1,25 % aus, für 2003 wurden die Werte entsprechend fortgeschrieben.

2. Das Ausgabenwachstum beträgt im Jahr 2002 0,9 %, im Folgejahr 1,9 %.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

3. Die Nettokreditaufnahme ist im Haushaltsentwurf 2002 für den Kernhaushalt mit 918 Millionen Euro veranschlagt, einschließlich der Betriebshaushalte beläuft sie sich auf 1.136 Millionen Euro; für das Jahr 2003 lauten die entsprechenden Werte auf 876 Millionen Euro bzw. auf 1.092 Millionen Euro.

4. Die Personalausgaben im Landeshaushalt betragen in beiden Jahren 40,7 bzw. 41,2 % der Gesamtausgaben. Die Investitionsquote, also der Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben des Landes, beträgt 10,4 bzw. 9,9 % im Kernhaushalt. Einschließlich der Betriebshaushalte liegt die Investitionsquote mit 12,0 % im nächsten Jahr bzw. 11,5 % im Jahr 2003 deutlich höher. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, dass dies nach wie vor im bundesweiten Vergleich die zweithöchste Investitionsquote aller alten Flächenländer ist.

(Beifall der SPD und der FDP)