Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

(Beifall der SPD und der FDP)

Man mag das der Prognose der Steuereinnahmen zugrunde liegende Wirtschaftswachstum für zu optimistisch halten. Doch ich möchte gern darauf hinweisen, dass einige positive Indikatoren im kommenden Jahr ihre Wirkung voll entfalten dürften: Rückläufige Energiepreise, niedrige Preissteigerungsrate, günstige Zinskonditionen und, notwendigerweise, moderate Tarifabschlüsse.

Am 1. Januar 2002 tritt eine weitere Kindergelderhöhung um 16 Euro für das erste und zweite Kind in Kraft, was die Kaufkraft der Familien entsprechend stärken wird. Zudem dürfte die Steuerentlastung der privaten Haushalte, die im Jahr 2001 zu wesentlichen Teilen zur Finanzierung der hohen Ölrechnung beansprucht war, nunmehr nachfragewirksam freigesetzt werden.

Die Steuerreform, die im vergangenen Jahr unter maßgeblicher Beteiligung der rheinland-pfälzischen Landesregierung verabschiedet werden konnte, zeigt ihre Wirkung, der Finanzminister kann ein Lied davon singen. Denn die steuerlichen Entlastungen, die in den privaten Haushalten und in den Unternehmen wirksam werden, sind, da wir es ja mit kommunizierenden Röhren zu tun haben, zugleich auch die Mindereinnahmen des Staates.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle eine Randbemerkung machen. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat hat in der vergangenen Nacht hinsichtlich des Gesetzes zur Fortentwicklung der Unternehmenssteuerreform ein Vermittlungsergebnis erreicht, dem alle Länder und auch die große Mehrheit der Vertreter der Bundestagsfraktionen zugestimmt haben.

Es geht dabei im Wesentlichen um die steuerneutrale Gestaltung sowohl der Unternehmensnachfolge in Einzelunternehmen und Personengesellschaften und um die Neuaufstellung für die mittelständischen Unternehmen im Wettbewerb wie auch um die Möglichkeit zur Bildung einer steuerfreien Investitionsrücklage aus der Veräußerung von Beteiligungen einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft.

Diese steuerfreie Rücklage wird nach der Regelung von heute Nacht ein Volumen von 500.000 Euro haben und kann innerhalb bestimmter Zeiträume wieder für Reinvestitionen in den Unternehmen verwendet werden. Damit ist die letzte verbliebene Unebenheit zulasten des Mittelstands aus der Steuerreform des vergangenen Jahres bereinigt.

Ich halte diese Lösung für einen Durchbruch im Interesse des Mittelstands.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte auch den bescheidenen Hinweis darauf geben, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung an dem nunmehr vorliegenden Ergebnis in sehr lebhafter Weise mitgewirkt hat.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren! Hier und dort ist in den vergangenen Wochen und Monaten die Forderung laut geworden, die in der Steuerreform vorgesehenen Entlastungsstufen für die Jahre 2003 und 2005 bereits auf das Jahr 2002 vorzuziehen. Auch die große Oppositionspartei in diesem Hause hat sich diese Forderung zu Eigen gemacht.

Um es ganz deutlich zu sagen: Ich halte dies für nicht finanzierbar; denn es hätte in den beiden Haushaltsjahren für das Land einen Einnahmeausfall von 660 Millionen Euro zur Folge, für die Kommunen des Landes weitere 470 Millionen Euro. Wie hätte dies ohne massive Verletzung der Verfassungsgrenze, übrigens nicht nur bei uns, sondern in nahezu allen übrigen Ländern und auch bei den Gemeinden finanziert werden sollen?

Inzwischen hat der bayerische Ministerpräsident diese Forderung, jedenfalls soweit sie sich auf die Reformstufe

2005 bezog, wegen Unfinanzierbarkeit zurückgenommen, was ich begrüße: Aus meiner Sicht jedoch ist auch das Vorziehen der Reformstufe 2003 auf 2002 nicht darstellbar. Denn auch diese Maßnahme würde das Land im Doppelhaushalt mit 94 Millionen Euro und die Kommunen mit 67 Millionen Euro belasten.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle auch noch einige Anmerkungen zum bundesstaatlichen Finanzausgleich, der mit den Entscheidungen der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers vom Juni dieses Jahres auf eine neue Grundlage gestellt wurde, die ab dem Jahr 2005 gilt.

Seit der Klageerhebung der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen vor dem Bundesverfassungsgericht waren sowohl die Bundesergänzungszuweisungen für eine Reihe von Sonderlasten, die einzelne Länder zu tragen haben, ebenso gefährdet, wie die weitere Finanzierung des Aufbaus Ost sowie der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne, der ein konstitutives Element unserer Verfassung darstellt, die die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet zum Inhalt hat.

Aufgrund der Struktur der Bundesergänzungszuweisungen waren die finanziellen Interessen des Landes Rheinland-Pfalz in besonderer Weise berührt, auch gefährdet, stärker übrigens als die der anderen Länder. Diese Gefährdung konnte jedoch durch das solidarische Handeln der Mehrheit der Länder vermieden werden, und wir sind nicht nur mit einem Achtungserfolg aus den Verhandlungen, die mittlerweile in Gesetzesform gebracht wurden, hervorgegangen.

(Beifall des Abg. Kuhn, FDP)

In anderen Ländern haben die jeweiligen Oppositionsparteien ihre Landesregierung in diesem Verteilungskampf, um den es ja in Wahrheit ging, unterstützt. In Rheinland-Pfalz war dem nicht so.

(Beifall der SPD – Mertes, SPD: So ist das!)

Stattdessen hat der Herr Oppositionsführer ein eigenes Modell des bundesstaatlichen Finanzausgleichs entwickelt,

(Böhr, CDU: Ein sehr gutes sogar!)

das, wäre es umgesetzt worden, für Rheinland-Pfalz einen Verlust in der Größenordnung von einer Milliarde DM jährlich zur Folge gehabt hätte.

(Beifall der SPD – Zuruf von der SPD: Hört, hört! – Jullien, CDU: Die Rechnung ist zu kompliziert für Sie!)

Dieser Betrag liegt sogar noch ein Mehrfaches über dem, was die drei Klageländer sich zum Ziel gesetzt hatten.

Meine Damen und Herren! Das war kein Beitrag zur Wahrung rheinland-pfälzischer Interessen,

(Dr. Weiland, CDU: Aber hallo!)

sondern das Gegenteil davon.

(Beifall der SPD)

Aber andererseits hat es im Ergebnis auch nicht geschadet, weil auch in unionsgeführten Ländern kein Mensch diese Vorschläge ernst genommen hat.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Ich räume gerne ein, dass in diesem Zusammenhang die Sprachlosigkeit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Land dienlicher gewesen ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren! Im Doppelhaushalt 2002/2003 sind der Einstieg in das flächendeckende Angebot von Ganztagsschulen und die Mobilitätsoffens ive zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur die beiden wichtigsten Schwerpunkte.

(Jullien, CDU: Auf Kosten der Kommunen!)

Beide dienen der Zukunftssicherung unseres Landes und stellen wichtige Investitionen in das Humankapital und die Infrastruktur unseres Landes dar.

Die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen und der gleichzeitige Ausbau des Angebots an Hortplätzen und Ganztagskindergärten ist aus pädagogischer, wirtschaftspolitischer und demographischer Sicht überfällig und stellt eine wichtige Voraussetzung zur Herstellung der Chancengleichheit von Frauen und Männern dar.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das verheerende Ergebnis der PISA-Studie hat gezeigt, dass das bundesdeutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich deutlich an Konkurrenzfähigkeit verloren hat.

Wir müssen deshalb die Qualität der schulischen Ausbildung erheblich verbessern. Dafür ist ein ausreichendes Angebot an Ganztagsunterricht unabdingbar.

(Beifall der SPD – Zurufe von der CDU: Jawohl!)

Innerhalb der nächsten vier Jahre werden wir daher in Rheinland-Pfalz ein flächendeckendes Angebot aufbauen. Damit sind wir bundesweit Vorreiter, und die vielen Anfragen aus anderen Bundesländern, die wir bereits haben, zeigen, dass unser Projekt bereits jetzt Nachahmer findet.

Ein solches Ganztagsangebot ist auch aus wirtschaftspolitischer Sicht notwendig. Es kann nicht sein, dass durch eine niedrige Erwerbsquote die Beschäftigungs

und Wachstumschancen verschlechtert werden und gut ausgebildete junge Leute entweder auf ihren Kinderwunsch verzichten oder erleben müssen, dass zu lange Berufspausen zu einer Entwertung des erworbenen Wissens und einem Verlust an adäquaten Berufschancen führen.

(Beifall der SPD)

Aus demographischer Sicht ist eine Erhöhung der Erwerbsquote unerlässlich und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine der wichtigsten Voraussetzungen zur langfristigen Wiederherstellung des demographischen Gleichgewichts.

Schließlich, um es noch einmal zu unterstreichen, ist ein ausreichendes Angebot an Ganztagsbetreuung eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Chancengleichheit von Mann und Frau.

(Beifall der SPD und der FDP)

Trotz des engen Haushalts haben wir wie angekündigt 15 Millionen Euro in 2002 und 35 Millionen Euro im Jahr 2003 für den Ausbau des schulischen Ganztagsangebots in den Haushalt eingestellt. Im Endausbau wird diese Summe ab 2005 auf rund 60 Millionen Euro ansteigen.

Das Angebot des Landes trifft dabei auf eine außerordentlich hohe Nachfrage in den Kommunen, bei den Schulen, den Eltern, den Lehrern und den Schülern.