Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Eine Kurzintervention erfordert zuerst eine Entgegnung desjenigen, auf den die Kurzintervention gemacht wurde, und das war Herr Bracht. Aber auf eine Kurzintervention kann man keine zusätzliche Kurzintervention machen. Entschuldigung!

Herr Mertes, Sie versuchen es mit allen Tricks. Das ist Ihr Geschäft. Sie unterstellen mir etwas Falsches.

Heute geht es um den Regierungsentwurf. Den haben wir seit vier, fünf Tagen vorliegen. An dem haben Sie fast ein ganzes Jahr gearbeitet und daran „herumgewurschtelt“.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Heute geht es um die Kritik an diesem Ding, das Sie uns vorgelegt haben. Wir werden die Haushaltsberatungen nutzen, jede Position im Detail zu erörtern und zu prü

fen, ob das vernünftig ist oder nicht. Wir werden uns am Ende entscheiden, welche Vorschläge wir machen und welche nicht. Aber heute geht es um Ihren Vorschlag.

(Beifall bei der CDU)

Der ist so miserabel, wie ich dies dargestellt habe.

Außerdem gibt mir das Gelegenheit, darauf hinzuweisen, was Sie der Opposition zumuten. Vorgestern haben wir die Haushaltsrechnung des letzten Jahres bekommen. Heute sollen wir konstruktive Vorschläge machen. Das ist aus meiner Sicht eine Frechheit.

(Beifall der CDU – Keller, CDU: So ist es!)

Es ist eine Unverschämtheit, das so zu formulieren, wie Sie es getan haben.

Es gibt keine Totalverweigerung der Opposition, weder hier noch in anderen Dingen. Wenn Sie es weiter behaupten, wird es trotzdem nicht richtiger.

(Beifall der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Thomas das Wort.

Es hat mich überrascht, dass ich jetzt schon dran bin.

Meine Damen und Herren! Herr Mertes, wenn man Sie so hört, müsste man fast Mitleid mit Ihnen haben, dass Sie regieren müssen, einen Regierungsentwurf mit vertreten müssen, an dem – da hat Herr Bracht Recht – die Landesregierung seit Frühjahr „am Basteln“ ist, und zwar mit breitester – beinahe hätte ich gesagt „Kompetenz“ –, zumindest mit breitester Beteiligung der verschiedenen Ministerien.

(Frau Schmitt, SPD: Es gibt ein Aufstellungsverfahren!)

Bei dem Aufstellungsverfahren sind wir nicht beteiligt.

Sie wissen, es gibt ein langes Aufstellungsverfahren. Es ist gute Tradition – nicht nur Herr Mertes, auch Herr Ministerpräsident Beck, Herr Bauckhage auch, und, ich glaube, Herr Kuhn hat es auch gesagt – zu sagen, es sind keine Vorschläge der Opposition vorhanden. Erstens gab es Vorschläge über andere politische Gewichtungen und Zielsetzungen, auch für die kommenden zwei Jahre, und zweitens werden wir das auch in Zahlen gießen können. Dann wollen wir einmal sehen, wie Sie mit den von Ihnen heute lauthals geforderten Vorschlägen von uns umgehen. Wir haben es in der Vergangenheit erlebt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU – Lelle, CDU: Genau!)

Das war Ihnen noch nicht einmal in der abschließenden Haushaltsberatung in den Ausschüssen und geschweige denn, wenn wir im Parlament darüber gesprochen haben, ein Wort wert.

Meine Damen und Herren, ich will auf den einen oder anderen Beitrag noch einmal eingehen und möchte gern mit Herrn Creutzmann beginnen.

Herr Creutzmann, wenn Sie meine Rede heute Morgen oder die von meinem Kollegen Dr. Braun als Bewerbungsrede wahrgenommen haben, dann kann ich nur sagen, da hat Ihnen die blanke Angst vor dem Machtverlust heute die Feder für Ihre Rede geführt; denn sonst hätten Sie zu einer solchen Beurteilung nicht kommen können. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP)

Herr Creutzmann, wenn das eine Bewerbungsrede von mir war, dann haben Sie mich noch nicht werbend erlebt. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Heiterkeit im Hause)

Herr Creutzmann, das ist auch kein Wunder.

(Beifall und Heiterkeit im Hause)

Aber Sie haben heute Morgen eine Rede erlebt, die von einer Opposition zu halten ist, wenn ein Haushaltsentwurf einer Landesregierung vorgelegt wird, nämlich dass es eine Bewertung Ihrer Schwerpunkte, des Zahlenkonstrukts gibt, das Sie darunter gelegt haben, und es zu sehr kritischen Anmerkungen bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit kommt. Das ist Aufgabe der Oppos ition, weil diese kritische Überprüfung von Ihnen als Fraktionen nicht wahrgenommen wird. Genauso werden wir diese Haushaltsberatungen begleiten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Herr Creutzmann, Ihre Argumentation von heute für das liberale Mobilitätskonzept und das Instrument des LSV hat genau das bestätigt, was ich heute Morgen gesagt habe. Sie haben über nichts anderes geredet. Das zeigt, wie abhängig Sie von diesem Konstrukt des LSV sind. Ohne den LSV – deswegen sitzen Sie so ängstlich dahinter, dass irgendetwas daran gekratzt werden könnte – wären Sie in dieser Landesregierung nichts. Sie sollten auch überhaupt nicht versuchen, sich als Verwaltungsmodernisierer darzustellen. Wir wissen noch genau, was in den letzten fünf Jahren mit Ihren Vorschlägen, die Bezirksregierungen aufzulösen, passiert ist. Das war der FDP-Vorschlag bzw. der von Herrn Dieckvoß. Was ist dabei herausgekommen? – Eine mittelmäßige Reform der Mittelinstanz und mehr nicht. Dass Sie mehr Computer in die ehemaligen Bezirksregierungen gestellt haben, das feiern Sie dann noch einmal unter Ihrem Multimediaprogramm ab. Aber ansonsten ist dabei doch nichts herausgekommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich will Ihnen einmal sagen – Sie waren bei der abschließenden Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss nicht dabei; ich komme noch einmal auf den LSV –: Wenn Sie gesehen hätten, wie Ihr Fraktionsvorsitzender Werner Kuhn gezuckt hat, als Staatssekretär Eymael sein Verständnis dieses Landesbetriebs vorgestellt und dargestellt hat, dass es doch wichtig ist, – –

Herr Schwarz, Sie lachen an der richtigen Stelle.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

dass das Wirtschaftsministerium eng mit dem Landesamt für Straßen und Verkehr kooperiert, das wir derzeit noch in Koblenz haben, und es deswegen genauso wichtig ist, dass das Wirtschaftsministerium eng mit dem Landesbetrieb kooperiert, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass Ihr Staatssekretär und wahrscheinlich auch Sie nicht verstanden haben, was es heißt, einen Landesbetrieb zu gründen. Sie reden von betriebswirtschaftlichen Instrumenten, die Sie machen. Sie haben doch nichts anderes vor, als Ihre Politik des Hineinregierens aus dem Wirtschaftsministerium, Ihre Politik des Vor- und Zurückschiebens des Bauprogramms weiter fortzusetzen, und zwar unter einem anderen Etikett.

Deswegen sagen wir Nein zu diesem Landesbetrieb, da Sie damit nicht umgehen können und die FDP und das Wirtschaftsministerium insbesondere nicht.

Wenn Sie wirklich einen Landesbetrieb gründen, dann heißt das: Die Finger des Ministeriums müssen raus. Dann sind Sie Auftraggeber und bezahlen. Mit dem Rest haben Sie nichts mehr am Hut. Dann heißt das auch, dass Sie nicht einen ehemaligen FDP-Staatssekretär an die Spitze dieses Betriebes setzen können, damit Sie dort noch hineinregieren können. Wenn Sie einen Landesbetrieb schaffen wollen, dann muss ein Fachmann oder noch besser eine Fachfrau eingesetzt werden, die diesen Laden wirft und sich gegen solche unlauteren Versuche des Wirtschaftsministeriums zur Wehr setzen kann. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Creutzmann, mit Bilanzen kennen Sie sich doch aus. Wenn Sie wirklich betriebswirtschaftlich operieren wollen, müssen Sie zunächst einmal zu einer vernünftigen Bewertung der Straßen kommen. Herr Brüderle hat vor wenigen Jahren gesagt, dass das Straßennetz in Rheinland-Pfalz insgesamt etwa 15 Milliarden DM, also rund 7,5 Milliarden Euro, wert sei.

Den Vorlagen des Wirtschaftsministeriums sind aber keine 7,25 Milliarden Euro zu entnehmen. Ich komme auch nicht auf den Wert, wenn ich zum Beispiel den Unterhaltungsstau davon abziehe. Dann finde ich 1,5 Milliarden Euro. Wenn Sie betriebswirtschaftlich arbeiten wollen, müssen Sie die Eröffnungsbilanz richtig eröffnen. Darüber hinaus müssen Sie dafür sorgen, dass der Betrieb die entsprechenden Abschreibungen mobilisieren kann. Dann kommen Sie sehr schnell an die Grenze Ihrer betriebswirtschaftlichen Instrumente. Wirtschaftlichkeit wollen Sie also nur auf dem Papier haben.

Herr Creutzmann, Sie wissen, was man alles in Bilanzen verstecken kann. Sie wissen genau, bei dem Vermögen

und der Einschätzung des Immobilienbesitzes des Landes ist man auch weit unter die von der KPMG geschätzte Größe zurückgegangen. Damit hat man große Volumina stiller Reserven eingebaut. Mit dem Verkauf der Immobilien mobilisieren Sie diese stillen Reserven und sorgen dafür, dass dieser Betrieb auf dem Papier wirtschaftlich läuft. Genauso läuft das, und genauso haben Sie das vor. Deswegen sagen wir an dieser Stelle Nein.

Dann will ich Ihnen noch etwas zu dem sagen, was Sie zur Bildungspolitik, zur Ganztagsschule und zu dem gesagt haben, was Sie in Hochschulen investieren wollen. Das steht genau im Gegensatz zu dem, was Sie in die Mobilität investieren wollen. Ich kann Ihnen eins sagen: Die Ergebnisse der PISA-Studie, die Ergebnisse der TIMS-Studie und die Ergebnisse der MARKUSStudie der vergangenen Jahre haben für uns eines gezeigt: In diesem Land ist es notwendig, dass wir in Köpfe investieren, aber nicht in Asphalt und Beton. Das wird unsere Leitlinie sein für die Beratungen des Haushaltsentwurfs.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch etwas zu Ihnen sagen, Herr Ministerpräsident. Ich hatte den Eindruck, dass Sie schwer in Bedrängnis geraten sind. Wenn Sie alle Register ziehen müssen, von der Rolle des ehemaligen Bürgermeisters über die Rolle des Ministerpräsidenten bis hin zur Rolle des internationalen Staatsmannes, der dort agiert, dann müssen Sie tatsächlich in Bedrängnis gekommen sein; denn zum Haushalt selbst haben Sie wenig gesagt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

Deshalb habe ich dazwischengerufen, dass es unverschämt ist, wenn ausgerechnet Sie fragen, wo denn die Vorschläge für Einsparungen von 700 Millionen Euro sind? Sie werden Vorschläge für Einsparungen in diesem Volumen nicht bekommen. Wir wissen sehr genau, wie schwierig die Haushaltslage ist. Das ist aber nicht der Punkt, den wir an diesem Haushaltsentwurf kritisieren.

Wir kritisieren, dass Sie einen unsauberen und unseriös berechneten Haushaltsentwurf vorlegen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war bei den vergangenen Haushaltsberatungen die einzige Fraktion, die Ihnen mit Änderungsanträgen Vorschläge gemacht hat, um deutlich unter der Verschuldungsquote zu bleiben, die Sie vorgeschlagen haben.

(Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Herr Bracht, ersparen Sie es mir bitte jetzt, etwas zu den Änderungsanträgen der CDU-Fraktion der vergangenen Jahre zu sagen. Ansonsten halte ich Ihnen bei vielem die Seite, aber dazu möchte ich wirklich nichts sagen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP – Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Wenn Sie behaupten, dass Sie einen Haushalt vorgelegt haben, der nicht prozyklisch wirkt, sollten Sie im gleichen Atemzug aber auch darauf hinweisen, dass Sie dann Ihre Vision, Ihre Ankündigung, bis zum Jahr 2006 die Neuverschuldung auf Null zurückführen zu können, nicht einhalten können. Dann sollten Sie doch so redlich sein und das offen legen.

Wir haben Sie im Mai nicht gedrängt, von Ihrer ursprünglichen Ankündigung von 2008 auf 2006 auszuweichen. Das ist doch in Ihren Häusern und in Ihren Köpfen gewachsen. Dann müssen Sie so redlich sein und einräumen, dass Sie diese Ankündigung bzw. dieses Versprechen zurücknehmen, weil es unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr einzuhalten ist.