Nun sagen Sie: Damals hatten wir auch andere Investitionsvolumen. – Das ist richtig. Das wird auch nicht bestritten – jedenfalls relativ. Nur, wenn Sie darauf abheben, dann widerlegt dies meine Aussage überhaupt nicht. Wenn Sie allerdings dann die Kreditfinanzierungsquote der Investitionen heranziehen, dann kann ich Ihnen sagen, dann haben Sie wiederum schlechte Karten. Dann liegen Sie in den 80er-Jahren auch schlechter im Vergleich gegenüber den Werten im vergangenen Jahrzehnt. Ich sage auch dies, damit nicht Legendenbildung geschieht. Ich rate, mit Zahlen und Fakten sehr sorgfältig umzugehen.
Nun eine letzte Anmerkung zu dem, was zum Länderfinanzausgleich gesagt worden ist. Herr Abgeordneter Dr. Gölter, im Zusammenhang mit der Diskussion, die wir seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 11. November 1999 hatten, die dann im Sommer in die Entscheidung der Ministerpräsidenten gemeinsam mit dem Bundeskanzler eingeflossen sind, hat es leiden
schaftliche Diskussionen gegeben, an der auch die Wissenschaft in nicht unwesentlichem Maß beteiligt gewesen ist. Natürlich haben auch die Stiftungen der Parteien viel Hilfreiches, weniger Sympathisches – wie das immer so ist – beigetragen, auch die FriedrichEbert-Stiftung. Das ist alles unbestritten.
Nur stellt sich dann die Frage für diejenigen, die Politik zu machen haben, da uns allen das Hemd näher ist als die Hose: Was bedeutet dies denn konkret in unseren Ländern? – Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Böhr, natürlich haben wir das Modell, das Sie vorgelegt haben, was nicht unehrenhaft ist – wie käme ich denn dazu, das zu behaupten; das habe ich auch nicht getan – durchgerechnet und sind zu dem Ergebnis gekommen: Bei einer Umsetzung 1 zu 1 würde dies zu einer Mindereinnahme des Landes in einer Größenordnung von 1 Milliarde DM führen. Da hilft es uns überhaupt nicht weiter, wenn wir dann mit Schlagworten wie Wettbewerbsföderalismus um uns werfen. Was ist das überhaupt?
Das Bundesverfassungsgericht hat den Terminus in seinem Urteil nicht einmal erwähnt, obwohl es der rote Faden in den Klageschriften der Klageländer gewesen ist. Auch unser Grundgesetz kennt keinen Wettbewerbsföderalismus. Unser Grundgesetz kennt aber den Bundesstaat und den kooperativen Föderalismus. Bei uns ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Ländern Verfassungsgebot. Davon spricht das Grundgesetz.
Dann kommt der Vorschlag – vorhin wiederum; er ist nicht neu –, man müsse zu einem Trennsystem bei der Zuweisung von Steuern kommen. Dem Bund die Umsatzsteuer und den Ländern die direkten Steuern, also Einkommensteuer, Lohnsteuer – wobei letztere nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer ist – und die Körperschaftsteuer. Das würde dem Bund so passen. Ich will Ihnen nur einmal die Zahl nennen. Bei den direkten Steuern, Einkommensteuer, Lohnsteuer und Körperschaftsteuer, hatten wir von 1999 bis 2001 einen Einbruch von 14,4 %, während die Umsatzsteuer munter weiter wächst. In diesem Jahr gibt es eine leichte Delle, aber das ist eine Ausnahme. Dann frage ich mich, wie kann eigentlich jemand aus der Interessenlage eines Landes einem solchen Trennsystem von Steuern das Wort reden?
Ganz unabhängig davon, dass man, wenn man schon zu einem Trennsystem käme, allenfalls anders darüber diskutieren könnte, weil nämlich auch nach unserem Gesetz für Stabilität und Wachstum aus dem Jahr 1967 die Konjunktur steuernden Maßnahmen, für die der Bund zuständig ist, allesamt Bezug nehmen auf die direkten Steuern, wenn also die Länder in Bezug auf die direkten Steuern Steuergläubiger sind und der Bund für die Konjunkturpolitik zuständig ist, für die er steuernd die direkten Steuern einsetzt, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht und fröhliche Weihnachten.
Ich denke, dabei wird viel Unausgegorenes dahergeredet, ohne wirklich in die Tiefe der Problematik vorzudrin
gen. Ich will Ihnen sagen, das war unser Ansatz nicht, auch aus einem anderen Grund nicht, weil es sehr zufällig ist, ob in Baden-Württemberg, in Hessen oder in Rheinland-Pfalz bestimmte Steuern entstehen.
Nehmen Sie beispielsweise die Großbanken, die ihre Gewinne allesamt in Frankfurt, in Hessen versteuern. Wenn dann in Hessen das Körperschaftsteueraufkommen sprunghaft beträchtlich anwächst, wie das in den letzten Jahren der Fall gewesen ist, weil sich die Banken dumm und dusselig verdient haben, dann ist das doch nicht die Tüchtigkeit der Hessen, die sich in einem Wettbewerbsföderalismus auszahlen müsse, sondern dann hängt das damit zusammen, dass die Zweigstellen, die Filialen der Deutschen Bank, der Dresdner Bank, der Commerzbank in Mainz, in Kaiserslautern, in Düsseldorf und in Hannover dazu auch einen Beitrag leisten. Was hat das mit Wettbewerbsföderalismus zu tun?
Wenn beispielsweise ein großer Konzern aus organisatorischen Gründen die Lohnbuchhaltung von einem Standort in Rheinland-Pfalz – ich nenne den Standort nicht, sonst wüsste jeder, um welche Firma es sich handelt – in die Konzernzentrale verlegt und dort künftig die Lohnabrechnungen macht, was hat das eigentlich mit der Tüchtigkeit der württembergischen Landesregierung zu tun, wenn aufgrund dieses Ereignisses das Lohnsteueraufkommen dort so beträchtlich ansteigt?
Ein letzter Gesichtspunkt kommt hinzu, der mit den Organschaften in unserem Steuerrechtssystem zu tun hat. Bei diesen werden Ergebnisabführungsverträge abgeschlossen. Die Konzernmütter – jetzt kann ich sagen: Nehmen wir einmal die BASF – machen das mit ihren Töchtern, sodass die Steuern, die dort eigentlich entstehen, weil die Gewinne in den Filialen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg oder wo auch immer entstehen, nunmehr nach Ludwigshafen transferiert werden, und dort entsteht ein höheres Körperschaftsteueraufkommen. Was hätte denn die Tüchtigkeit der rheinland-pfälzischen Landesregierung damit zu tun? Nichts.
Ich denke, daher sind wir gut beraten, bei der Erörterung dieser Frage immer im Auge zu haben, dass wir einen Bundesstaat haben und uns auch gedanklich und in der politischen Auseinandersetzung vor dem Gedanken hüten sollten, es könnte doch ganz schön sein, wenn wir aus Deutschland steuerpolitisch einen Flickenteppich machen würden. Nein, das wollen wir nicht.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister Mittler, Ihre Erwiderung,
aber noch mehr für mich die Zwischenrufe des Herrn Ministerpräsidenten während der Ausführungen des Kollegen Bracht zeigen, dass es in Deutschland nicht möglich ist, an ein Problem heranzugehen, ohne dass der politische Gegner sofort mit der kleinstmöglichen Elle zu erwidern versucht und das alles in Bausch und Bogen verdammt.
Herr Ministerpräsident, Entschuldigung, lassen Sie mich doch einmal reden. Sie reden ununterbrochen dazwischen. Setzen Sie sich doch dann da vorn hin. Sie machen in einer solchen Sitzung die meisten Zwischenrufe, obwohl von der Regierungsbank eigentlich keine gemacht werden sollen.
Ich habe viele Jahre neben Herrn Vogel gesessen. Er hat in einem Jahr nicht ein Zehntel von dem an Zwischenrufen gemacht, was Sie in einer Sitzung machen. Entschuldigen Sie bitte, so war das. Das wissen auch manche Kollegen von Ihnen. Sie lösen damit nicht immer in diesem Haus auf allen Seiten nur Begeisterung aus. Sie müssen sich manchmal auch ein bisschen zurücknehmen.
Ich war Vorsitzender dieser Kommission, in der eine ganze Reihe auch junger Wissenschaftler mitgearbeitet hat, bis hinein nach Sankt Gallen. Wir haben uns alles angeschaut, was es gibt.
Wir haben uns alles angeschaut, was es gibt. Meine Damen und Herren, wenn renommierteste Wissenschaftler in Deutschland wie beispielsweise der Kronberger Kreis, mit denen sich Politiker sonst schmücken, ein Trennsystem vorschlagen, wenn die Naumannstiftung ein Trennsystem vorschlägt, wenn die Bertelsmannstiftung in einem Arbeitskreis unter Vorsitz von Dohnanyi ein Trennsystem vorschlägt, so muss man doch wenigstens die Größe haben zu akzeptieren, dass in Deutschland renommierte wissenschaftliche Stiftungen ein Trennsystem vorschlagen und zu dem Zustand der 50er-Jahre zurück wollen. Damals war die Souveränität der Länder in Steuerfragen viel größer als heute.
Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt. Wir wollten vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichts und der Diskussion über die Reformfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland einen sehr grundsätzlich vorgehenden Beitrag zu dieser Entwicklung leisten. Wir haben durchgerechnet und kamen zu anderen Ergebnissen. Aber wir haben in unserem Arbeitskreis lang
überlegt, ob wir aufhören und mit dem Argument an die Öffentlichkeit gehen: Darüber haben wir geredet. Die werden durchrechnen und werden sagen: Ihr Vaterlandsverräter.
Ich habe mich durchgesetzt, dass das Papier trotzdem veröffentlicht wird, da es ein Teil der Diskussion ist, die Bundesrepublik Deutschland aus dieser vermaledeiten Reformunfähigkeit herauszuführen, die im Übrigen auch Ihrer eigenen Bundesregierung zurzeit so zu schaffen macht. Diese Republik ist festgefahren.
Dazu gehört auch, dass der Bund durch die extensive Ausnutzung der konkurrierenden Gesetzgebung immer mehr Kompetenzen an sich gerissen hat. Die Juristen unter Ihnen werden mir Recht geben. Die konkurrierende Gesetzgebung sollte ursprünglich ein Auffangbecken für das sein, was die Länder nicht machen. Daher wurde sie damals im Grundgesetz verankert. Aber heute ist die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes der Normalfall, und für die Länder bleibt nichts anderes übrig. Die Gewinner sind die Regierungen durch den Machtzuwachs über den Bundesrat. Das ist hochinteressant geworden, es ist sogar von der Tagesordnung des Bundesrats interessanter geworden als in den 50er- und den frühen 60er-Jahren.
Aber die Verlierer sind die Länder. Wenn Sie nicht merken, dass die Landtage in einer großen Krise sind und wir darüber nachdenken müssen, dass auch die Länder wieder Kompetenzen zurückgewinnen müssen, dann überschätzen Sie den rheinland-pfälzischen Landtag und haben ansonsten noch nichts gesehen. Wir haben eine ganze Reihe unbequemer Vorschläge gemacht, auch gegen Baden-Württemberg und Bayern. Wir haben die volle Einbeziehung der kommunalen Ertragskraft in das System vorgeschlagen. Wir haben es uns nicht leicht gemacht.
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie damit etwas souveräner und großzügiger umgehen als das Kleinkarierte, das Sie heute produziert haben.
Herr Minister, was die Kreditfinanzierungsquote und die von Ihnen konkret genannten Zahlen aus den 80erJahren betrifft, sind wir uns einig. Das ist die gleiche Unterlage, die auch ich habe. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gestehen Sie aber zu, dass die Vergleichbarkeit der Zahlen aus den 90er- mit den Zahlen der 80er-Jahre nicht gegeben ist, weil nun Bahnreformmittel vom Bund dabei sind und die Länder über den Solidarpakt erhöhtes Steueraufkommen zugesprochen
Bezüglich der Investitionsquote kann ich nur auf die Unterlage zurückgreifen, die mir vorliegt, meine Damen und Herren. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat am 12. September 2001 in der Drucksache 13/1401 den dortigen Landtag über die Finanzplanung des Landes Nordrhein-Westfalen unterrichtet. Darin sind die Zahlen schwarz auf weiß dargelegt, die ich zitiert habe. Da Nordrhein-Westfalen die Federführung unter den Ländern hat, was die Koordinierung dieser Finanzzahlen anbelangt, gehe ich davon aus, dass die Zahlen aus Ihrem Ministerium stammen, Herr Minister.
Im Jahr 2000 sind wir bei der Investitionsquote an die dritte Stelle hinter das Saarland abgerutscht. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir sind zwar knapp hinter dem Saarland, aber wir sind auf die dritte Stelle abgerutscht. Im Soll des Jahres 2001 sind wir mit 11,2 % auf die vierte Stelle hinter Bayern, Niedersachsen und das Saarland abgerutscht.
Das wollte ich dargelegt haben. Es ist schriftlich festgehalten, und dem können Sie auch nicht widersprechen.
Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende der Debatte über das Landeshaushaltsgesetz und die darin einbezogenen Tagesordnungspunkte.
Es wird vorgeschlagen, das Landeshaushaltsgesetz 2002/2003 – Drucksache 14/505 – sowie den Finanzplan des Landes Rheinland-Pfalz für die Jahre 2001 bis 2005 – Drucksache 14/506 – an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – unter Beteiligung der Fachausschüsse zu überweisen.
Das Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes über die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Kreisverwaltungen – Drucksache 14/494 – soll an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss und den Rechtsausschuss überwiesen werden.
Das Landesgesetz zur Änderung der Landeshaushaltsordnung – Drucksache 14/502 – soll an den Haushaltsund Finanzausschuss – federführend – und an den Rechtsausschuss überwiesen werden.
Der Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/476 – soll an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen werden.