Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Oh, nein, ich bitte Sie! Es geht mir um die Frage von 15.000 Ärzten. Sie sind der Meinung, dass 15.000 Ärzte zusätzlich ins deutsche Krankenhaussystem gehören. Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Dr. Altherr?

(Zurufe des Abg. Dr. Altherr und weiterer Abgeordneter der CDU)

Wenn einer antwortet, habe ich es leichter.

(Dr. Altherr, CDU: Nicht von heute auf morgen!)

Nicht von heute auf morgen.

Sie glauben auch, dass das deutsche Gesundheitssystem diese zusätzliche Belastung verkraften könnte?

(Dr. Altherr, CDU: Das schafft doch Arbeitsplätze!)

Ja, wunderbar! Am besten 4 Millionen Ärzte, Herr Dr. Altherr. Dann haben wir alle Probleme auf einmal gelöst.

(Beifall der FDP und bei der SPD – Dr. Altherr, CDU: Das ist sehr abenteuerlich! – Creutzmann, FDP: Das müssen wir doch bezahlen, Herr Dr. Altherr!)

Das Wort hat Herr Staatsminister Gerster.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann an vieles Gesagte anknüpfen, das ich nicht wiederholen möchte.

Es ist richtig, dass die Forderung des Marburger Bundes besteht, 15.000 zusätzliche Krankenhausärzte einzustellen. Das sagt Herr Montgomery, und derselbe Herr Montgomery räumt ein, dass es diese Ärzte derzeit auf dem Arbeitsmarkt nicht gibt. Sie können auch nicht in kurzer Zeit dafür ausgebildet werden.

(Dr. Altherr, CDU: Es gibt aber 5.000 Ärzte!)

Wenn es ginge, würde die kurzfristige Einstellung von 15.000 Krankenhausärzten bedeuten, dass wir dem gesetzlichen Krankenversicherungswesen und den anderen Kostenträgern Mehrausgaben zumuten, die nicht unter 750 Millionen Euro im Jahr liegen.

(Zuruf von der FDP: Hört, hört!)

Das ist derselbe Betrag, den die Bundesgesundheitsministerin hofft, durch ihre Sparmaßnahmen bei den Ar zneimittelausgaben einzusparen. In dieser Größenordnung möchte die Bundesregierung derzeit einsparen. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Dieses Ziel würde also durch die Einstellung von 15.000 Krankenhausärzten konterkariert. Ich möchte dies nur sagen, damit die Größenordnung deutlich wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Im Übrigen müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass die Gesundheitspolitik eine wichtige Aufgabe hat. Sie nimmt die Verantwortung für die Öffentlichkeit gegenüber den Beteiligten im Gesundheitswesen wahr, und die Bundesgesundheitspolitik normiert gesetzlich und bindet die Beteiligten an die gesetzlichen Vorgaben.

Es kann jedoch nicht so sein, dass die Gesundheitspolitik auf der jeweiligen Ebene für alle Beteiligten im Einzelnen durchführungshaftbar gemacht wird. Es kann nicht sein, dass der Gesundheitsminister die Instanz ist, wenn beispielsweise die Arbeitszeitregelungen bei einem bestimmten Krankenhausträger nicht stimmen.

Wenn mit Arbeitszeitregelungen nicht vernünftig umgegangen wird, ist die erste Beschwerdeinstanz nicht der Gesundheitsminister, sondern es gibt die Tarifvertragsparteien, den Krankenhausträger oder die Instanzen, die die Einhaltung von Gesetzen überprüfen und die wir im Augenblick gezielt darauf ansetzen. Es gibt vielfältige Beteiligte. Die Macht und die Zuständigkeit der Gesundheitspolitik ist gewissermaßen auf die Rahmengebung und die Überwachung darüber begrenzt, dass diese Rahmengebung weitgehend eingehalten wird, nicht

jedoch auf die Durchführung der einzelnen gesetzlichen Vorgaben.

Es ist unbestritten, dass wir nur Probleme im ärztlichen Bereich, nicht jedoch im Pflegesektor haben. Dies hängt damit zusammen, dass bisher alle Beteiligten der Überzeugung waren, dass ein volles Schichtsystem bei den Ärzten, unabhängig davon, ob es von ihnen gewünscht wäre – dazu ist von Herrn Kollegen Brinkmann und anderen etwas gesagt worden –, die Folge hätte, dass Ärzte dann im Krankenhaus sind, wenn nichts los ist.

Dann sind sehr wohl Schwestern erforderlich, aber nicht in jedem Fall eine besonders hohe Zahl fachärztlich qualifizierter und spezialisierter Ärzte. Diese braucht man, wenn sozusagen der Hauptbetrieb läuft, und man braucht sie im Bedarfsfall, aber nicht im Regelfall.

(Dr. Altherr, CDU: Wenn es zu spät ist! Wenn es nicht mehr läuft! – Glocke der Präsidentin)

Nein, ich möchte jetzt keine Zwischenfragen.

(Dr. Altherr, CDU: Das ist auch besser so!)

Es gibt natürlich auch eine Vielzahl von Bereitschaftsdiensten, in denen eine Stunde Arbeit und neun Stunden Schlaf möglich sind. Auch das gibt es.

(Dr. Altherr, CDU: Sie schauen zu viele Schwesternfilme!)

Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele. Aber wie wollen Sie beispielsweise in einem gut organisierten Krankenhaus, das nicht von einer ganz besonderen Situation, beispielsweise von einer schweren Grippewelle in einer Region oder durch Großschadensereignisse in der chirurgischen Notversorgung erfasst wird, – – – Wenn solche Sondersituationen nicht vorhanden sind, ist es völlig unmöglich, dass wir einen Bereitschaftsdienst, der mit einem hohen Anteil an Ruhemöglichkeiten verbunden ist, wie einen vollen Einsatz bezahlen und das Vollschichtsystem auf alle Ärzte übertragen.

(Dr. Altherr, CDU: Darum geht es auch gar nicht!)

Ich leugne nicht die Probleme, die es in verschiedenen Krankenhäusern gibt. Aber dass diese Probleme in den letzten Monaten des vergangenen Jahres besonders breit dargestellt worden sind, hängt auch damit zusammen, dass Herr Montgomery auf der Bundesversammlung des Marburger Bundes vor seiner Wiederwahl stand.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Herr Montgomery ist ein Gewerkschaftsvorsitzender, der mir voller Stolz gesagt hat: Lieber Herr Gerster, es gibt nur zwei Gewerkschaften, die derzeit bei den Mitgliedern zulegen. Das ist der Marburger Bund und eine weitere Gewerkschaft.

Dann werden solche Muskeln gemacht, und das Ganze ist natürlich auch ein Rollenspiel. Von demselben Herrn wird beispielsweise gesagt: Ich habe der Bundesregierung Vorschläge gemacht, wie sie dieses Problem in diesem Jahr unter Umständen ziemlich tief hängen kann. Aber sie ist darauf nicht eingegangen. – Nun ja!

Ich möchte auch etwas zu der objektiven Veränderung der Belastungssituation für das ärztliche Personal und das gesamte Personal in den Krankenhäusern sagen. Das Verhältnis von Krankenhauspflegetagen zu Vollkräften ist von 6,8 im Jahr 1991 auf 4,5 im Jahr 2000 zurückgegangen.

(Zurufe der Abg. Dr. Rosenbauer und Dr. Altherr, CDU)

Die Wahrheit ist, dass wir eine enorme Verbesserung und Verstärkung des Krankenhauspersonals haben. Die Wahrheit ist, dass wir in Deutschland über 50 Milliarden Euro im Jahr für das Krankenhauswesen ausgeben.

(Dr. Altherr, CDU: Ach, um Himmels willen!)

Die Wahrheit ist auch, dass wir durch eine Verdichtung der Arbeit eine höhere Belastungssituation haben, die aber durch die Mehreinstellung nicht völlig aufgezehrt worden ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Herr Dr. Altherr, wenn Sie neben dem Sich-Aufregen auch ab und zu zuhören würden, – – –

(Dr. Altherr, CDU: Von Ihnen kann ich nichts mehr lernen, Herr Minister!)

Ich bitte nur darum, sonst nichts. Ich bitte nur darum.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD – Pörksen, SPD: Gehen Sie doch raus!)

Die Wahrheit ist auch, dass wir bei unserer derzeitigen Überprüfungsaktion festgestellt haben, dass es Krankenhäuser im Land gibt, in denen es ganz offensichtlich keine Probleme gibt, und dass es andere Krankenhäuser gibt, in denen es diese Probleme gibt. Dort muss man der Situation auf den Grund gehen.

Ich will die ersten Ergebnisse der Schwerpunktaktion der Gewerbeaufsicht knapp skizzieren. Der Endbericht ist noch nicht erstellt. Natürlich wird er Ihnen sehr bald zur Verfügung gestellt, sodass Sie alles im Einzelnen nachvollziehen können.

Die Gewerbeaufsicht war bisher in 45 Krankenhäusern in Rheinland-Pfalz und hat die Arbeitszeiten von mehr als 2.000 Ärzten und mehr als 10.000 nichtärztlichen Beschäftigten überprüft. Sie stellte fest, dass im Bereich des Pflegedienstes feste Schichtpläne bestehen und wir damit dort im Wesentlichen im grünen Bereich sind.

In 36 der 45 überprüften Kliniken waren nach dem Arbeitszeitgesetz Aufzeichnungen über die werktägliche

Arbeitszeit der Ärzte von mehr als acht Stunden zu führen.

In 14 dieser 36 Kliniken, die zu dieser Aufzeichnungspflicht angehalten waren, fehlten die entsprechenden Aufzeichnungen. In 15 Kliniken wurden die geleisteten Überstunden nicht aufgeschrieben. Die tatsächliche Dauer des Bereitschaftsdienstes war in 16 von 45 Krankenhäusern nicht angegeben.

Die größte Problematik zeigte sich bei der Anzahl der Überschreitungen der maximal zulässigen Arbeitszeit von täglich zehn Stunden. In 31 von 45 Kliniken wurde die maximal zulässige Arbeitszeit überschritten.