Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Ich komme zum letzten für mich sehr wichtigen Punkt. Das ist die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Auch dabei ist das Land Rheinland-Pfalz vorbildlich. Seit 1998 läuft das Projekt „Jugend in Arbeit“. Seit vielen Jahren können kontinuierlich die Zahlen der Jugendlichen, die dadurch erreicht werden, erheblich gesteigert werden. Ich freue mich, dass auch den Jugendlichen, die auf normalen oder regulären Schulen keinen Schulabschluss machen können, die Möglichkeit gegeben wird, den Hauptschulabschluss zu machen. Damit wird diese schwierige Schnittstelle von der Schule zum Beruf aufgefangen. Ich nenne das Beispiel der Jobfüxe, die in drei Mainzer Grundschulen alle Beteiligten beraten.

Ein Beispiel möchte ich noch aus meiner Kommune nennen, dem Landkreis Mainz-Bingen. Wir haben dort den so genannten Jugendberufshelfer. Das ist deshalb mein Lieblingsbeispiel, weil es zeigt, wie einwandfrei und reibungslos die Zusammenarbeit und Verzahnung von Land und Kommunen laufen kann, wenn beide zielstrebig an einem Strang ziehen. Dieser Jugendberufshelfer – das Projekt wird zur Hälfte vom Land und zur Hälfte vom Kreis finanziert – hat hohe Vermittlungsdaten und ist für unseren Landkreis ein großer Erfolg.

Abschließend möchte ich sagen, dass es neben den vier Bereichen, die ich aufgezeigt habe, noch viele weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen gibt, zum Beispiel präventive Arbeitsmarktpolitik oder auch Arbeitsmarktpolitik für Wiedereinsteigerinnen, die nach der Familienpause wieder in den Beruf zurück möchten.

Ich glaube, wenn wir in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen so weitermachen, werden wir die Arbeitslosenzahlen noch weiter reduzieren können, als uns das bisher gelungen ist.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Thelen, gestatten Sie mir noch eine kurze Anmerkung. Sie haben gesagt: Trocknen Sie die Hydra aus. – Wie wäre es – darauf freue ich mich –, wenn wir im Ausschuss nicht nur Kritik hören, sondern uns darauf verlassen könnten, dass Sie mit uns gemeinsam die Hydra austrocknen? Es wäre schön, wenn wir uns mit vielen kreativen Ideen der Oppositionsparteien auseinander setzen könnten.

Danke schön. (Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Herr Abgeordneter Marz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Gerster, es ist schön zu beobachten, wie Sie versuchen, alle mitzureißen. Alle sollen mitmachen. Das ist prima. Wir wollen, dass die Arbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft wird. Wenn es an umfassenden Informationskampagnen liegt, machen wir sie. Sie wollen an Bushaltestellen werben. Seit wann fährt Rainer Brüderle eigentlich mit dem Bus? Glauben Sie, Sie könnten ihn damit erreichen? Das größte Problem dieser Landesregierung in diesem Punkt scheint mir zu sein, dass sie den Hauptquertreiber in den eigenen Reihen hat, auch wenn er in Berlin sitzt, aber der kleineren Koalitionsfraktion vorsteht.

Nun fragen Sie sich, wie es eigentlich zustande kommt, dass so unterschiedliche Zahlen über den möglichen erhofften Erfolg des Kombilohns auf Bundesebene im Raum herumschwirren. Daran sind Sie selbst beteiligt. Sie haben mit gewissen Erwartungen, die Sie nun zweifelsohne unterschritten haben, das „Mainzer Modell“ gestartet.

Der zweite Punkt: Sie schaffen es, innerhalb weniger als einer Woche – das ist die Zeit, die zwischen der Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses und der heutigen Plenarsitzung des Landtags liegt – Zahlen zu präsentieren, die sehr differieren. Am letzten Freitag haben Sie noch von bis zu 100.000 gesprochen. Heute sprechen Sie von bis zu 50.000. Das ist natürlich interessant. Wir sprechen von 15.000 bis 30.000. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Verwirrung entsteht. Ich kann Ihnen sagen, wie die 15.000 bis 30.000 zustande kommen.

Wir rechnen zum Beispiel von dem hoch, was in Rheinland-Pfalz erreicht worden ist. Das bedeutet: Die 400 Menschen, die Sie real in die Maßnahmen hineingebracht haben, ergeben für das Land hochgerechnet etwa 1.600 bis 1.800. Für den Bund hochgerechnet sind das etwa 30.000. So einfach ist das. Jeder, der andere Zahlen präsentiert, sollten sie darüber oder darunter liegen, muss natürlich überlegen, wie er dazu kommt. Diesen Beleg sind Sie, außer Ihren Aufrufen zur Einigkeit, schuldig geblieben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Grosse, es hilft natürlich auch nichts, wenn Sie uns hier ein Kritikverbot erteilen wollen. Was haben Sie für ein Parlamentsverständnis?

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Die Diskussion ist doch im Allgemeinen ganz sachlich verlaufen. Jede Kritik ist fast schon eine Majestätsbeleidigung. Sollen wir jetzt auch noch einmal in die allgemeine Jubelei einstimmen. Dann würde es richtig peinlich werden. Bei Ihnen ist es schon peinlich genug, aber wenn wir das auch noch machen, dann würde es richtig peinlich werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Im Übrigen: Wenn wir dem Ziel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wirklich ernsthaft näher kommen wollen, dann müssen wir doch aus gemachten Fehlern lernen. Wer Fehler nicht korrigiert, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen. Was bedeutet das, wenn wir gemachte Fehler auf Bundesebene wiederholen? Dann haben wir es nicht mit einigen Hundert weniger in Arbeit gebrachten Arbeitslosen zu tun, sondern mit einigen Tausend oder mit einigen Zehntausend. Das kann es wohl nicht sein.

(Zuruf von der SPD: Herr Marz sieht schwarz! – Weitere Zurufe von der SPD)

Weinerlich, Nörgelei, was soll das denn? Schauen Sie einmal – – –

(Hartloff, SPD: Erzählen Sie uns einmal etwas über Konzepte!)

Sie können doch eigentlich völlig souverän sein. Sie laufen durch das Land und sagen: Unser prima „Mainzer Modell“ wird jetzt auf Bundesebene übertragen. – Seien Sie doch einmal ein bisschen souveräner und sagen: Dann nehmen wir das einmal auf, was an Kritik, was an Bedenken vorgetragen wird und versuchen, es besser zu machen. Sie können doch in einem Jahr, wenn Herr Minister Gerster dann die bundesweite Aktion vorstellen kann, sagen: Wir haben 100.000 Arbeitsplätze geschaffen. Dann können Sie doch viel besser dastehen, wenn Sie es jetzt verbessern. Sie wollen jede Kritik, jede Anregung im Keim ersticken. Das ist nicht nachzuvollziehen.

(Zuruf von der SPD)

Herr Gerster, ich will Ihnen noch in einem Punkt widersprechen, bevor mich die Kollegen noch davon abhalten. Sie haben gesagt: Wer arbeitet, muss in jedem Fall mehr erhalten als derjenige, der nicht arbeitet. – Ich will Ihnen in einem Punkt widersprechen. Sie vernachlässigen das in einem Punkt, nämlich in dem – das tun Sie immer wieder –, dass alle, die seriös mit dieser Frage umgehen, Ihnen sagen, dass zwei Drittel der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger im Moment unter den jetzigen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind, und zwar aus objektiven Grün

den. Solange das so ist, müssen wir an die Gründe herangehen

(Staatsminister Gerster: Einverstanden!)

und können nicht diese Leute mit Restriktionen bekämpfen; denn wenn sie nicht können, dann können sie eben nicht. Dann können Sie einen solchen Satz nicht verallgemeinern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der ersten Runde sah es für die Hydra wirklich schlecht aus. Jetzt sieht sie wieder besseren Zeiten entgegen. Wir sind wieder in den alten Ritualen. Es geht munter weiter wie bisher.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das macht doch Brüderle!)

Herr Kollege Braun, wenn wir über die Bundespolitik sprechen, dann sollten wir über die Bundespolitik sprechen. Ich kann das gern von meiner Seite aus beurteilen. Das Thema war an sich „Kombilohn“. Wir können das in alle erwünschten Bereiche erweitern.

Die Frage – genau das, was ich in der ersten Runde gesagt habe – ist entscheidend. Es ist die Frage, ob wir über den großen Wurf sprechen, der alles auf einmal regelt. Dann wissen Sie genau, dass wir als Erstes sagen würden: Flexibilisierung, raus aus Systemen, bei denen Arbeitnehmer eher zur Arbeitslosigkeit verdammt sind, als niedrigere, nicht tarifgerechte Gehälter anzunehmen. – Aber das steht nicht zur Diskussion. Es geht um die Frage: Spezifische Angebote.

Frau Thelen, ich muss sagen, das ist schon eine andere Welt. Es ist schon selbstverständlich, dass wir für diese Dinge werben müssen. Es versteht sich auch von selbst, dass das nicht simpel gestrickte Konstruktionen sein können. Das trifft auf komplizierte Fragen. Die müssen mit relativ komplizierten Antworten versehen werden. Anders geht es nicht. Dass man Dinge heute bewirbt, wenn man sie erfolgreich machen will, ist nicht nur in der Marktwirtschaftspartei FDP inzwischen selbstverständlich geworden. Das geht weit darüber hinaus. Auch die CDU wird im Bundestagswahlkampf auf Plakatierungen nicht verzichten wollen. Davon gehe ich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus.

Was die Situation des Landes Rheinland-Pfalz angeht, meine Damen und Herren: Auch da wieder heraufreden, herunterreden. – Es gibt andere Zahlen, die uns zu

denken geben sollten. Die Schwarzarbeit ist im letzten Jahr mit einer Zuwachsrate von 3,5 % gestiegen.

(Kramer, CDU: Sie sind doch in der Regierung!)

Herr Kramer, wir sind bundesweit noch nicht an der Regierung. Drücken Sie uns die Daumen. Wir können von Rheinland-Pfalz diese zentralen Dinge nicht steuern. Das ist doch selbstverständlich. Das muss man doch nicht dreimal sagen. Die Problematik der Schwarzarbeit – auch um diesen Bereich kümmern sich KombilohnModelle – kann natürlich zentral nicht durch ein einzelnes Instrument ausgehebelt werden. Das wissen wir doch alle. Deshalb sollten wir auch nicht so tun und die Dinge miteinander verquicken.

Meine Damen und Herren, das, was nicht nur im Sozialministerium läuft, das, was im Wirtschaftsministerium läuft, Mittelstandsförderungen, Existenzgründungsförderungen, sind Instrumente, die wichtig sind und die von Rheinland-Pfalz aus angestoßen werden können. Das ist genau der richtige Weg. Deshalb ist Rheinland-Pfalz erfolgreich.

Immer wieder auf diese Pendler hinzuweisen, in Gottes Namen, wollen Sie den Leuten das verbieten. Stört Sie das, dass sie in den benachbarten Bundesländern oder in Luxemburg Arbeit finden? Wenn das so ist, dann sagen Sie das deutlich. Ich sehe darin nichts Ruchbares.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile Herrn Arbeitsminister Gerster das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Erfolg der Arbeitsmarktpolitik und der Beschäftigungspolitik des Landes im Ganzen kann wohl nur durch ein – Neudeutsch – Benchmarking beurteilt werden. Da sind wir mit 6,8 % Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2001 außerordentlich erfolgreich. Frau Thelen, ich wage sogar das Wort „Vollbeschäftigung“ in den Mund zu nehmen, wenn es zum Beispiel um den Arbeitsamtsbezirk Montabaur im Sommer geht. Montabaur im Sommer ist sehr nah an der Vollbeschäftigung. Es macht gar keinen Sinn, dass wir sagen, da gibt es aber dieses und jenes und Ausnahmen von der Regel. Insgesamt muss sich Rheinland-Pfalz nicht verstecken.

Herr Kollege Schmitz hat vorhin noch etwas über die Pendler gesagt. Es ist sogar noch ein Stück anders, als Sie es gesagt haben. Die Pendler ziehen zu uns und behalten ihren Arbeitsplatz. Sie ziehen zu uns, weil man bei uns noch zu familienfreundlichen Preisen bauen kann. Sie behalten aber im Rhein-Main-Gebiet, im Rhein-Neckar-Raum ihren Arbeitsplatz. Sollen wir denen sagen: Warum fahrt ihr täglich 40 Kilometer nach Lud

wigshafen oder nach Rüsselsheim? Sollen wir denen Vorwürfe machen? Ich finde es prima, dass wir die höchste Zuwanderung haben. Das zeigt, dass man bei uns noch gut leben kann. Mitten in Rheinhessen gibt es eine enorme dynamische Entwicklung. Dann kommen auch danach zusätzliche Arbeitsplätze ins eigene Land. Aber das dauert ein bisschen. Aber mitten in Rheinhessen können Sie das genau beobachten.

Meine Damen und Herren, zur Arbeitsmarktpolitik und zu anderen innovativen Instrumenten möchte ich gern nur stichwortartig noch sagen:

Die Dienstleistungsbeschäftigung ist mehr als nur eine ganz geschickte oder interessante Nische, sozusagen die Boutique der Arbeitsmarktpolitik. Die Dienstleistungsbeschäftigung ist im Grund genommen der Versuch, den Teilarbeitsmarkt Nummer 1 für Schattenwirtschaft oder Schwarzarbeit in Deutschland ins reguläre System zu holen – nichts weniger; denn in den Privathaushalten findet Arbeit auf Hunderttausenden Teilzeitarbeitsplätzen derzeit zu Bedingungen von 15 bis 20 DM bar auf die Hand statt.

Wenn es gelingt, einen Teil davon zum ersten Mal ins reguläre System zu holen, so bringt dies für alle Vorteile. Deshalb bin ich sicher, dass die Bundesratsinitiative unseres Landes zum Thema Dienstleistungsbeschäftigungen sich zu einem wesentlichen Teil refinanziert, wenn man volkswirtschaftlich und nicht in Einzelhaushalten, beispielsweise in einzelnen Budgets der Bundesministerien, rechnet.

Ich darf in Erinnerung rufen, wenn ein Privathaushalt eine geringfügige Beschäftigung anmeldet, schlagen wir eine 30 %ige Unterstützung durch den Staat von bis zu 300 Euro monatlich vor. Wenn er eine echte sozialversicherungspflichtige Teilzeitstelle schafft, schlagen wir 50 % Zuschlag bis zu 300 Euro monatlich vor. Das Ganze soll durch vermittelnde Agenturen erleichtert werden, damit der Normalhaushalt, der in der Regel mit solchen Dingen nichts zu tun hat, von dem Papierkram verschont bleibt und nicht mit dem Finanzamt oder der Sozialversicherung verhandeln muss. Ich bin sicher, dies ist zu Bedingungen möglich, die auf Dauer marktfähig sind.

In Frankenthal haben wir einen Modellversuch durchgeführt, der damals exorbitant hohe Kosten von über 1 Million DM jährlich verursacht hat. Aber wenn wir es richtig machen, kann daraus ein Teilarbeitsmarkt entstehen, der in einigen Jahren im Ergebnis sechsstellige Zahlen an Arbeitsplätzen bringen kann.