Protokoll der Sitzung vom 16.05.2002

Ihre Aufgabe wäre gewesen, wenn nicht auf dem kleinen Dienstweg, dann heute nachzufragen. Sie hätten die Gelegenheit gehabt. Aus diesem Grund muss ich es tun. Ich muss die Landesregierung fragen, ob sie, wie in Ihrer Fragestellung vorgegeben, das schulische Angebot für ausreichend hält.

Frau Ministerin, Sie können das nachher gern beantworten.

Es gibt weitere Dinge, wo wir noch großen Nachholbedarf haben. Sie haben darauf hingewiesen. Zum Beispiel im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es gerade bei der ambulanten Versorgung leider einige Regionen mit großen weißen Flecken. Hierbei handelt es sich um die Regionen Eifel, Westpfalz, Hunsrück und Westerwald. Im Westerwald hat man das Problem zum Teil dadurch gelöst, dass man sich der Nachbarländer bedient, was natürlich nicht verkehrt ist. Eltville, das für den Rheingau zuständig ist, versorgt zum Beispiel den Lahnkreis mit. Der Bereich Westerwald wird von Herborn, von Hessen aus, mit betreut.

Aber in der Westpfalz ist es so, dass wir dort, außer der Pfalzklinik, keine Strukturen haben, die versorgen können. Gerade die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist ein sehr wichtiger Bereich, weil die Fallzahlen zunehmen und zum anderen dort gerade eine fachspezifische Therapie notwendig ist.

Meine Damen und Herren, es wird auch in der Beantwortung der Großen Anfrage darauf hingewiesen, dass zum Teil vermehrt Psychostimulanzien eingesetzt werden. Das ist natürlich auch nicht gerade heute der „state of the art“ der Behandlung, dass diese Psychostimulanzien dann quasi von Nichtfachärzten eingesetzt werden. Das ist natürlich auch die Folge, dass wir nicht genügend Kinder- und Jugendpsychiater in der niedergelassenen Praxis haben.

Sie haben zwar dann erwähnt, dass Institutsambulanzen zum Teil dieses Defizit ausgleichen, aber, meine Damen und Herren, Institutsanbulanzen sind an den Kliniken angesiedelt und nicht in der Fläche überall vorhanden.

In der Antwort auf die Große Anfrage hat mich auch überrascht, dass zum Beispiel die Psychiatrieberichte in den Kreisen oder kreisfreien Städten nur in geringer Zahl vorliegen. Das Land gibt eine Empfehlung ab, aber es wäre doch im Rahmen des Landespsychiatriebeirats oder sonstigen tagenden Gremien wichtig, einmal zu hinterfragen, weswegen die Kommunen oder die Kreise bzw. kreisfreien Städte mit der Erstellung der Psychiatrieberichte sich so lange Zeit lassen; denn auch das gehört dazu. Frau Leppla, ansonsten werden Dokumentationen für wichtig erachtet, das heißt, Qualitätssicherung bedingt saubere Dokumentation – so auch in diesem Fall. Wir müssen hinterher sein, dass die Kreise und kreisfreien Städte auch diesbezügliche Aufgaben zügig erfüllen.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist zum Beispiel der Umstand, dass das Land Rheinland-Pfalz an der Landesuniversität in Mainz keinen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie vorhält, das heißt, wir müssen auch hier konsequent sein und die notwendigen Ausbildungseinrichtungen schaffen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir bei den Ausbildungsstätten sind, dann gilt das natürlich auch gleichermaßen für die Ausbildungsstätten für die Fachpflege, die Fachkrankenschwestern. Hier hat man nun – das gibt die Antwort auch her – zum Beispiel in der Pfalzklinik den Entschluss gefasst, die vor Jahren geschlossene Ausbildungsstätte wieder zu eröffnen. Das ist ein gutes Zeichen, das ich begrüße. Andererseits muss man aber doch sehen, dass im Bereich der fachärztlichen Ausbildung die Zahl der Fachärzte in der Psychiatrie zurückgehen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich bin gleich am Schluss.

Man muss natürlich als Landesregierung hinterfragen – auch wenn das letztendlich Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung ist –, was dazu führt, dass die Zahl der Facharztaspiranten in diesem Bereich zurückgeht? Sind das die Einkommensgegebenheiten in der freien Praxis, die Berufschancen allgemein, oder ist es auch quasi das Imagebild des Psychiaters in der Öffentlichkeit? Das sind Fragen, die man stellen müsste.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme leider zum Schluss, da meine Redezeit abgelaufen ist. Ich will auch als Abgeordneter der Oppositionspartei positiv bewerten, dass das Land Rheinland-Pfalz bezüglich der gemeindenahen Psychiatrie auf gutem Weg ist, dass wir einen guten Teil des Weges zurückgelegt haben. Aber es gibt noch viele Aufgaben, die vor uns liegen, die der Umsetzung dringend bedürfen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen als Gäste Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 und 10 der Karl-Fries-Hauptschule Bendorf sowie Mitglieder der Aar-SPD Hahnstätten. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu den inhaltlichen Dingen ist schon einiges gesagt. Ich möchte das nicht noch einmal alles vortragen. Wir sind uns auch einig in der grundsätzlichen

Unterstützung wohnortnaher psychiatrischer Versorgungen. Es gibt allerdings auch einige Punkte – Herr Kollege Altherr hat das angesprochen –, bei denen wir uns nicht ganz einig sind. Herr Kollege Altherr, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass es für die Betroffenen keinen großen Unterschied macht, ob ihre Versorgung, so sie denn wohnortnah stattfindet, innerhalb von Rheinland-Pfalz oder in den benachbarten Bundesländern stattfindet. Das möchte ich auch unterstreichen; das ist auch sehr vernünftig.

Was Sie zur Situation in der Westpfalz gesagt haben, das reizt mich ein ganz klein wenig zu einer Anmerkung, um die Dinge aus einem anderen Blickwinkel darzustellen. Sie wissen selbstverständlich genausogut wie ich, dass die Versorgung in der Westpfalz nicht in erster Linie an der Haltung der Landesregierung scheitert, sondern in erster Linie mit den politischen Zuständen in der Westpfalz zusammenhängt, bei denen der Bezirksverband Pfalz für den Aufbau dieses wohnortnahen psychiatrischen Angebots verantwortlich zeichnet.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Richtig. Das ist Aufgabe des Bezirksverbands Pfalz. Die Stadt Kaiserslautern ist bisher nicht in der Lage, ein adäquates Angebot vorzuweisen. Das ist ein zentrales Problem in dieser Region.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Herr Altherr, ein weiterer Punkt – auch das darf man sagen, ohne Wahlkampfschärfe in die Auseinandersetzung zu bringen –: Als die sozialliberale Koalition 1991 in die Fußstapfen der Vorgängerregierung trat, sah es um die wohnortnahe Versorgung in Rheinland-Pfalz mehr als dürftig aus.

(Kramer, CDU: Sie waren doch dabei!)

Wenn Sie den Bogen zu John F. Kennedy bis 1963 schlagen, dann sollten Sie selbst nachrechnen können, wie viel Zeit Sie in dieser Phase verschlafen haben. Wie hieß der Sozialminister?

(Jullien, CDU: Wie hieß der Koalitionspartner? – Kramer, CDU: Hat mit geschlafen!)

Meine Damen und Herren, der Koalitionspartner war immer gleich gut. Das liegt wohl auf der Hand.

Meine Damen und Herren, ich halte fest, dass wir zum Wohl aller psychisch Kranken den bisher beschrittenen Weg fortsetzen sollten und uns gemeinsam bemühen, die Defizite, die unbestritten hier und da noch bestehen, abzustellen, orientiert am wohnortnahen Bedarf, aber natürlich auch an den finanziellen Möglichkeiten des Landes Rheinland-Pfalz und an den regionalen Besonderheiten, auf die ich schon eingegangen bin.

Einen Punkt möchte ich allerdings noch anmerken, der am Rand der Großen Anfrage mit beantwortet wurde. Die Große Anfrage befasst sich unter anderem mit dem Einsatz von Psychopharmaka bei Kindern, mit einem

hypergenetischen Syndrom, ohne die Kernproblematik detaillierter anzusprechen.

(Zuruf der Abg. Frau Leppla, SPD)

Dieses Thema ist für mich zu wichtig, um es nur kurz und oberflächlich anzureißen. Wir werden uns als FDPFraktion mit diesem Thema umfassend beschäftigen. Wir haben ergänzend zu der Aussprache im Sozialpolitischen Ausschuss im November eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, die sich insbesondere mit der Verordnung von Retalin beschäftigt. Hier gilt es, Veränderungen insbesondere bei der derzeit gängigen Verschreibungspraxis herbeizuführen. Die vorliegende Beantwortung seitens der Landesregierung wird die FDPFraktion gerade im Hinblick auf diese Verschreibungspraxis von Retalin genauestens analysieren, um auf notwendige Veränderungen hinwirken zu können. Auch dabei bitte ich um breite Unterstützung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es nicht am Ende machen, sondern zu Beginn: Seit Inkrafttreten des Landesgesetzes für psychisch kranke Pers onen hat sich im Land einiges Positive getan. Das will ich auf keinen Fall verschweigen. Wir sind gute Schritte weitergekommen, was die wohnortnahen, gemeindenahen Versorgungsstrukturen für psychisch Kranke angeht.

Die Hilfeleistungen orientieren sich heute wesentlich mehr am Bedarf der Betroffenen, als das früher der Fall war. Es gibt zudem gute Initiativen von Selbsthilfegruppen, von ehrenamtlich Arbeitenden, die jedenfalls zu begrüßen sind.

Es gibt natürlich auch Defizite, und Sie werden es mir bestimmt nicht verübeln, dass ich auch darauf eingehe. Es liegt mir natürlich nichts ferner, als Ihnen vorzuschreiben, wie Sie Ihre Großen Anfragen zu gestalten haben. Nur gestatten Sie mir eine Bemerkung: Dass Sie zum Bereich Gerontopsychiatrie keine einzige Frage gestellt haben, mag möglicherweise darin begründet sein, dass dann die Bilanz nicht so wunderschön ausgesehen hätte, wie es so möglich war.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber lassen Sie mich nach diesen Eingangsbemerkungen zu einigen Defiziten kommen.

Herr Dr. Altherr, es ist nicht richtig, dass die Defizite nicht benannt sind. Man muss vielleicht etwas näher

hineinschauen, aber wenn man es zweimal liest, sieht man durchaus einige Defizite hervorblinken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bei der Versorgung im Krankenhausbereich natürlich noch weiße Flecken. Wenn Sie sich beispielsweise die NaheRegion zwischen Mainz und Idar-Oberstein oder zwischen Bingen und Kirn anschauen, sind noch weiße Flecken vorhanden. In Akutfällen bedeutet das, dass die Leute bis nach Alzey müssen. Dies ist natürlich ein Zustand, der gerade in diesem Bereich nicht auf Dauer hinzunehmen ist.

Das kann auch nicht unbedingt von Tageskliniken oder Tageseinrichtungen aufgefangen werden. Tageseinrichtungen haben auch Wartezeiten von bis zu vier Wochen, was natürlich in diesem Bereich auch nicht möglich ist. Sie wissen, das sind Erkrankungen und Probleme, bei denen die Menschen nicht unbedingt warten können.

Sie sagen in Ihrer Großen Anfrage – dies ist etwas befremdlich an dieser Stelle –, Tageskliniken seien nur dann wirtschaftlich zu betreiben, wenn sie an eine Krankenhausabteilung angeschlossen seien. Weiter begründen Sie das aber nicht. Das bedeutet, dass Sie das Konzept nur ökonomisch begründen, aber keine fachliche Begründung nachschieben. Es wäre zumindest notwendig und hilfreich, ein solches Konzept nicht nur ökonomisch, sondern auch fachlich zu begründen. Wenn man sieht, dass die beiden Dinge auseinander fallen, muss man etwas tun.

Es ist auch die Frage zu stellen, ob Tageskliniken in jedem Fall, dem ökonomischen Imperativ folgend, ihre Autonomie aufgeben sollen und Zweigstelle einer Klinik werden sollen, wenn die Autonomie zu ihrem Konzept gehört. Diese Frage muss aus fachlichen Erwägungen heraus gestellt werden.

Es gibt auch nach wie vor Defizite beim betreuten Wohnen und bei den psychiatrischen Institutsambulanzen. Es gibt Beantragungen für weitere Institutsambulanzen, die möglichst schnell umgesetzt werden müssen; denn auch dies ist ein wichtiger Bestandteil in der Gesamtversorgung. Momentan bestehen in diesem Bereich noch erhebliche Lücken. Diese Lücken sind im Übrigen geographisch etwa dort zu finden, wo auch die Krankenhauslücken zu finden sind.