Herr Ministerpräsident, auch Sie wollen den Ausbau von Schulsozialarbeit fördern; das habe ich gerade als Allererstes gesagt. Hören Sie doch einmal zu.
Wir alle wollen den Ausbau von Schulsozialarbeit. Aber so viele neue Stellen in der Schulsozialarbeit, wie wir eigentlich bräuchten, können wir nicht von heute auf morgen realisieren. Auch das wird keiner bestreiten können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können uns offensichtlich gemeinsam auf das Ziel verständigen, den Anteil junger Menschen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, auf weit unter 10 % senken zu müssen und möglichst allen Jugendlichen einen Weg in eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen oder ihnen eine solche anzubieten.
Die Schulsozialarbeit ist allerdings eher ein Kriseninterventionsinstrument als ein grundsätzlicher Lösungsweg für die Probleme, die Berufsreife für möglichst alle Jugendlichen zu erreichen.
Die von der CDU geforderten Maßnahmen bleiben leider im Wesentlichen im Abschlussjahr der Hauptschule und damit auf dieser Kriseninterventionsebene verhaftet. Darüber hinaus muss unserer Meinung nach gerade auch das berufsbildende Schulsystem viel stärker mit in dieses Konzept zum Erreichen der Berufsreife einbezogen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, leider haben Sie keine grundsätzlichen Lösungen für die gravierenden Probleme erarbeitet und vorgeschlagen. Deshalb müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, es wird Sie nicht überraschen. Einen solchen Antrag, wie Sie ihn heute noch hastig nachgeschoben haben, weil die CDU einen Antrag vorgelegt hat, halte ich für, gelinde gesagt, mehr als dürftig. Wer trägt denn seit über elf Jahren in diesem Land die Verantwortung für die Bildungspolitik?
Nun tun Sie doch bitte nicht so, als ob das Problem ganz plötzlich und völlig überraschend auf die Agenda gekommen ist.
Ihr Antrag – das ist leider in der SPD- und der FDPBildungspolitik im Moment wohl Usus – ist gespickt mit schöner bildungspolitischer Prosa
und mit einzelnen Maßnahmen, die Sie schon längst und seit Jahren in konkretes Handeln hätten umsetzen sollen und umsetzen müssen.
Auch die Maßnahmen Ihres Antrags bleiben auf dieser – wie ich es vorhin schon formuliert habe – Kriseninterventionsebene, und somit findet auch Ihr Antrag nicht unsere Zustimmung.
Unser Ziel muss es sein, bereits in den Kindertagesstätten die Diagnose von Entwicklungsdefiziten insbesondere im Hinblick auf das Lernen für die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher zu ermöglichen und entsprechende individuelle Fördermaßnahmen zu beginnen.
Dies muss sich nahtlos an den Grundschulen fortsetzen. Auf die sachkundige, frühzeitige Diagnose muss ein individueller und intensiver Förderkatalog folgen, und dazu bedarf es einer intensiven Aus-, Fort- und Weiterbildung für die Grundschullehrerinnen und -lehrer.
Schulmüde Jugendliche – um diese handelt es sich in diesem speziellen Fall zu einem großen Teil – können wir eben nicht mit normalen schulischen Mitteln wieder für die Schule begeistern. Wenn ein Schüler oder eine Schülerin acht oder neun Jahre eine oftmals frustrierende Schulzeit hinter sich hat, dann brauchen wir eine andere Art, Schule zu denken und Schule zu organisieren, um seine und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Insbesondere an den berufsbildenden Schulen müssen neue Wege zur Vorbereitung auf das Berufsleben gegangen werden.
Herr Kollege Fuhr, weil Sie das vorhin betont haben, möchte ich auch noch einmal betonen, dass ich in den Beratungen im Ausschuss versucht habe, die Idee eines Modellprojekts „Arbeitsweltorientierte Produktionsschule“ – ich weiß, das ist ein komischer Begriff, aber es ist ein sehr sinnvolles Konzept – in die Beratungen des Ausschusses mit einzubringen.
Meine Damen und Herren, genau darin liegt das Problem. Sie schauen und staunen überall, aber an den rheinland-pfälzischen Hauptschulen muss endlich einmal gehandelt werden.
„Aktionsprogramm Hauptschule“ ist ein schöner Name, aber Sie müssen dieses Aktionsprogramm auch endlich einmal mit Inhalten füllen. Sie haben schon genug ver
sprochen, nun sind Sie endlich einmal an der Reihe zu handeln. Wir müssen die Schule der Zukunft von Anfang an neu denken und müssen viel früher mit einer umfassenden Förderung beginnen und nicht erst dann, wenn absehbar ist, dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist es von der Zielrichtung und vom Thema her auch nach Meinung der Regierungsfraktionen wichtig und richtig, sich mit der Situation abschlussgefährdeter Hauptschülerinnen und Hauptschüler und mit der Situation von Hauptschülerinnen und Hauptschülern insgesamt intensiv zu beschäftigen. Es ist nicht so, dass wir glauben, nur weil ein Antrag von der CDU kommt, ist er schlecht, sondern wir sehen, dass uns Ihr Antrag nicht ausgereicht hat, und wir müssen sicherlich – – –
Nein, nicht einfach Änderungsanträge stellen, sondern wir wollten die Perspektive komplett erweitern.
Dazu musste man den Antrag komplett umschreiben, und das hat man sicherlich auch an der Qualität der Anträge gesehen.
Ich halte es auch für eine Unterstellung, in jeder Debatte immer wieder zu sagen, wir würden Ihre Anträge nur ablehnen, weil sie von der Opposition sind, und würden in Schnellschüssen Alternativanträge stellen.
(Lelle, CDU: Das ist doch auch so! – Hartloff, SPD: Nie im Leben! Wie kommen Sie denn auf die Idee?)
Wenn wir uns seriös mit Ihren Anträgen auseinander setzen wollen, müssen wir in einer Debatte auch Alternativvorschläge machen. Das halte ich für unsere Pflicht und für seriös.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man tatsächlich die individuelle Förderung von Schülerinnen
und Schülern an Hauptschulen ermöglichen und noch weiter verbessern will, wenn man die Übergänge ins Berufsleben noch weiter erleichtern möchte, muss man die gesamte Hauptschulstruktur betrachten und auch die besonderen Bedürfnisse der Hauptschülerinnen und Hauptschüler in diese Überlegungen mit einbeziehen. Das haben wir in unserem Antrag getan. Herr Kollege Fuhr hat bereits darauf hingewiesen, dass, wie in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, ein „Aktionsprogramm Hautpschule“ erarbeitet wird, das noch einmal ein besonderes Augenmerk auf die Qualität des Unterrichts, die Berufsfähigkeit der Abgängerinnen und Abgänger sowie auf Themen wie Schulsozialarbeit richten muss und wird. Dies wird ein sehr umfassendes Papier werden, das wir auch parlamentarisch weiter begleiten werden.
Dem Papier folgen immer Taten. Sie können sicherlich weder den Fraktionen noch dieser Landesregierung vorwerfen, dass wir Papiere füllen, ohne dass etwas passiert. Sie werden schon im kommenden Schuljahr bei der Einführung der Ganztagsschulen feststellen, dass wir schon jetzt die Schulsozialarbeit aufgestockt haben und sich im Rahmen der Ganztagsschule noch weitere neue Fördermöglichkeiten sowie Möglichkeiten der Betreuung durch Schulsozialarbeit und andere Maßnahmen bieten werden. Dann werden Sie schon einen Qualitätssprung feststellen. Aber wenn man so wie Sie durch die Welt läuft, ist das natürlich schwierig.
Es gibt vor Ort schon zahlreiche Bündnisse von Kammern, Arbeitsverwaltung, Vereinen, Verbänden, Betrieben und außerschulischen Bildungsträgern, um den Schülerinnen und Schülern durch Jobbörsen und ähnliche berufsvorbereitende Maßnahmen den Übergang von der Hauptschule in das Berufsleben zu erleichtern. Ich finde schon, dass man den Akteuren auf die Füße tritt, wenn man dies so formuliert, wie Sie es tun.
Wenn man dies negiert, ist es typisch, wenn man darauf reagiert, indem man es in den Antrag hineinschreiben muss, weil Sie nie sehen wollen, was schon gemacht wird. Dann sagen Sie, in den Anträgen stehe nur, was schon gemacht worden sei. Diese Argumentationsstrategien ist man irgendwann auch einmal leid, wenn man sie öfter erlebt.