Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Verehrte Kollegen, ich bitte, Rücksicht auf den Redner zu nehmen und die Gespräche in die Lobby zu verlegen. Vielen Dank.

Bitte schön, Herr Hörter.

Ich denke, wir haben insofern eine gute Basis gefunden, wenn auch nun seitens der Vertreter der Regierungskoalitionen deutlich von der schwierigen Situation der Kommunen in unserem Land gesprochen wird.

(Beifall bei der CDU)

Die Einrichtung der Enquete-Kommission im Landtag und die Kommission zur Neuordnung der kommunalen Finanzen im Bund dürfen nicht dazu führen, dass die Regierenden aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Beides würde nicht als Alibi dafür taugen, warum Regierungen ihre Verantwortung nicht wahrnehmen.

Diejenigen, die die Verantwortung tragen, müssen sich auch den vorhandenen Problemen stellen. Betrachtet man die Schwierigkeiten, mit denen die Kommunen heute konfrontiert sind, liegen die Ursachen in einer Summe von Entscheidungen, die zulasten der örtlichen Ebene gegangen sind.

Nicht unerwähnt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesebene ihren Beitrag hinsichtlich einer Neuordnung der kommunalen Finanzen leisten muss. Die Städte, Kreise und Gemeinden unseres Landes finden sich verbreitet in einer derart schwierigen Situation, dass sich vielerorts kaum noch ein eigener Gestaltungsspielraum ergibt.

(Beifall bei der CDU)

Es geht nicht um Schuldzuweisung. Insofern ist der gemeinsame Einsetzungsbeschluss in der Tat ein gutes Signal für die Arbeit der kommenden Monate. Es geht aber darum, deutlich zu machen, wie die Lage der Städte, Kreise und Gemeinden in unserem Land ist. Dann dürfen auch unangenehme Wahrheiten nicht nur ausgesprochen werden, sondern sie müssen auch verstärkt erörtert werden.

So dürfte es unbestritten sein, dass die finanzielle Situation der Kommunen in weiten Teilen so dramatisch ist, dass die in unserer Verfassung garantierte kommunale Selbstverwaltung kaum noch gewährleistet ist. Wenn ein Teil der kreisfreien Städte schon allein durch die Erfüllung der Pflichtaufgaben einen defizitären Haushalt aufweist, so spricht dies für sich. Das ist das Ergebnis einer schon länger andauernden Entwicklung, die noch

an folgendem Beispiel verdeutlicht werden kann: Sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene werden allzu oft kostenträchtige Gesetze beschlossen, die die Kommunen dann unmittelbar betreffen. Dabei müssen die Kommunen die Rechnung bezahlen, während sich gleichzeitig Bundes- und Landespolitiker im Licht dieser Leistungen sonnen.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiteres Problem, das sich zulasten der Kommunen auswirkt, ist der zunehmende Druck zu Einsparungen der öffentlichen Haushalte auf allen Ebenen. Herr Kollege Pörksen, Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass sehr viele von uns auf der kommunalen Ebene tätig sind. Dann stellen wir leider gemeinsam fest, dass häufig der Bund und das Land keine eigenen Einsparungen erbringen, sondern Verschiebungen zulasten der jeweils unteren Ebene vorgenommen werden. Die Leidtragenden am Ende dieser Entwicklung sind allzu oft die Kommunen.

(Beifall bei der CDU – Schmitt, CDU: So ist das!)

Das Thema des kommunalen Vermögens haben Sie auch schon angesprochen. Es ist die eine Seite, das so genannte kommunale Vermögen. Dann kann man einmal schauen wie es mit dem kommunalen Vermögen aussieht. Dazu gehören auch alle die Infrastruktureinrichtungen, die Straßen, die Gebäude, die Schulen. Man muss feststellen, dass die Kommunen große Schwierigkeiten haben, ihr Vermögen tatsächlich zu erhalten. In dem Zusammenhang kann man nicht mehr vom Tafelsilber reden, das veräußert werden sollte; denn an der Stelle, an der es noch ein Stückchen des so genannten Tafelsilbers gibt, dient es häufig dazu, eine verlässliche Einnahmequelle darzustellen, die es ermöglicht, die kommunalen Aufgaben wahrzunehmen.

Allein aus diesen wenigen von mir aufgelisteten Punkten wird deutlich, welch große Arbeit die Kommission zu leisten hat. Für die Zukunft der Kommunen und bei der Analyse der Probleme können wir auf den aktuellen Kommunalbericht des Landesrechnungshofs zurückgreifen. Dieser hat deutlich gemacht, dass die Kommunen des Landes einerseits rückläufige Gesamteinnahmen und andererseits stagnierende Gesamtausgaben zu verzeichnen haben. Die Finanzierungslücke hat einen absoluten Höchststand in einer Größenordnung von 553 Millionen Euro erreicht. Dies sind seit 1990 bei vielen Städten und Gemeinden defizitäre Haushalte. In keinem westdeutschen Flächenland weisen die Rechnungsabschlüsse der Kommunen seit 1990 durchgängig einen so negativen Finanzierungssaldo aus, so der Rechnungshof.

Wir haben im Jahr 2001 erhebliche Steuermindereinnahmen zu verzeichnen. Diese belaufen sich in einer Größenordnung von minus 9,2 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahresergebnis. Das alles zusammengefasst macht deutlich, wie dringend die Unterstützung für die Kommunen ist, wie sehr sie darauf angewiesen sind, weil sie allein nicht mehr in der Lage sind, die aufgelaufenen Defizite aus eigener Kraft abzubauen.

Es darf nicht so weit kommen, dass sich bei den Entscheidungsträgern in den Kommunen ein Stück Fatalismus breit macht.

Ich verzichte darauf, all die Spiegelstriche des Einsetzungsbeschlusses zu wiederholen. Zu all dem kann die Enquete-Kommission einen gewaltigen Beitrag bei der Lösung der Probleme leisten. Das soll ein Beitrag sein, um die Kommunen, die Keimzellen unseres Gemeinwesens, leistungsfähig zu erhalten und den Menschen vor Ort einen guten Rahmen zu geben.

Ich wünsche der Enquete-Kommission die dazu notwendige Kraft und Freiheit, auch Lösungen anzubieten, die vielleicht nicht in das tagtägliche Geschäft der Fraktionen untereinander hineinpassen, sondern tatsächlich richtungsweisend sein können, damit wir in der Mitte dieses Jahrhunderts das haben, was wir einmal in der Vergangenheit hatten, nämlich leistungsfähige Kommunen in diesem Land.

(Beifall der CDU)

Herr Kollege Hohn hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aufgrund der bisherigen Wortbeiträge gebe ich Herrn Kollegen Hörter Recht, die Enquete-Kommission wird Kraft brauchen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und Beifall bei der SPD – Pörksen, SPD: Hoffentlich haben Sie das verstanden, Herr Kollege Hörter!)

Die finanzielle Lage vieler Kommunen ist uns seit langem bekannt. Ich erinnere nur an die kürzlich abgehaltene Aktuelle Stunde zu den Schlussfolgerungen aus der Feststellung des Kommunalberichts 2001 des Landesrechnungshofs zur Finanzlage der Kommunen. Der Anteil der Steuereinnahmen und der allgemeinen nicht zweckgebundenen Zuweisungen für Zinsen und ordentliche Tilgung bezüglich Darlehen der Gemeinden betrug im Jahr 2000 bereits 10,8 % und lag im vergangenen Jahr bei 12,7 %. Die Städte und Gemeinden mussten 2001 bundesweit bei der Gewerbesteuer Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro, das heißt, ein Minus von rund 11,4 %, hinnehmen. Gleichzeitig sind die Sozialausgaben der Städte und Gemeinden in dem letzten Jahrzehnt weiter gestiegen.

Viele Gemeinden mussten auf wichtige Investitionen verzichten. Zu erkennen ist dies zum Beispiel am Zustand vieler kommunaler Straßen oder sonstiger kommunaler Einrichtungen. Auch in Rheinland-Pfalz hat sich die Haushaltslage in den Gemeinden und Gemeindeverbänden im Jahr 2001 erneut verschlechtert. Das Finanzierungsdefizit ist im Jahr 2001 laut Bericht des Landesrechnungshofs erneut angestiegen, und zwar auf den neuen Höchststand von 535 Millionen Euro. 683 Kommunen, das heißt, 83 Kommunen mehr als im Vorjahr,

konnten ihren Haushalt nicht ausgleichen. Für 2002/2003 wird für die Kommunen eine zusätzliche Belastung von je 70 Millionen Euro erwartet.

Diese finanzielle Situation vieler Kommunen mag manchen verzweifeln lassen. Deutlich wird dies daran, dass sich erst diese Woche eine Veranstaltung in Berlin mit dem Thema der Insolvenz von Gemeinden beschäftigt hat. Hierzu existieren auch schon einschlägige Veröffentlichungen.

Meine Damen und Herren, dazu darf und kann es aufgrund der zentralen Bedeutung der Kommunen für eine bürgernahe Verwaltung nicht kommen.

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen und zusammenarbeiten, um die Kommunen auch für künftige Generationen zu erhalten. Veränderungen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite sind unumgänglich. Hier sind kreative und innovative Lösungsvorschläge gefragt.

Auf Bundesebene wurde seit Mai eine Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen gebildet, und zwar aufgrund einer Initiative des Finanz- und Arbeitsministeriums. Im Mittelpunkt dieser Kommission stehen Überarbeitungen in Form einer grundlegenden Reform der Gewerbesteuer bzw. die Eröffnung anderer Einnahm equellen. Auf der Ausgabenseite ist die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe ein Thema. Allerdings handelt es sich hierbei um Themenkomplexe, die primär die Bundesgesetzgebung berühren.

Meine Damen und Herren, genau hier setzt der Auftrag unserer Enquete-Kommission ein. Nicht nur die Zukunft der Gewerbesteuer oder die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, sondern auch andere Aufgaben und Aufgabenbelastungen der Kommunen sollen in engem Zusammenhang mit den finanziellen Konsequenzen überprüft und kritisch beleuchtet werden.

Wenn Sie sich den Einsetzungsbeschluss näher ans ehen, werden Sie feststellen, dass zum Beispiel insbesondere finanzielle Aspekte berücksichtigt werden. Dies ergibt sich aufgrund der Fragestellung nach der Finanzaufstellung der Gemeinden, dem Einsatz innovativer Finanzinstrumente wie auch den vorzubereitenden Vorschlägen über eine künftige Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Land und Kommunen oder den Kommunen untereinander.

Andererseits wurde sehr wohl bedacht, dass diese finanziellen Fragen eng mit der Aufgabenerfüllung zusammenhängen. Dieser Aspekt findet sich in Aufträgen an die Mitglieder der künftigen Enquete-Kommission wie der Effizienzsteigerung der kommunalen Verwaltung oder der Verteilung von Aufgaben zwischen einzelnen Verwaltungs ebenen.

Meine Damen und Herren, ferner soll sichergestellt werden, dass die Städte und Gemeinden künftig nicht

weitere Aufgaben ohne einen finanziellen Ausgleich übernehmen sollen.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Es ist an der Zeit, sich auch außerhalb des politischen Alltags mit grundlegenden strukturellen Fragen der Kommunen zu beschäftigen, mit Fragen, die alle Bürger in Rheinland-Pfalz unmittelbar interessieren und auch tangieren. Wer von uns würde sich nicht über ein reichhaltiges Angebot auf kommunaler Ebene, eine schlanke Verwaltung und kurze Wartezeiten in Bürgerbüros und den zuständigen Behörden freuen? Wer wünscht sich nicht, dass Kommunen auch in der Lage sind, über ihren engen, vorgegebenen Pflichtenkatalog hinaus freiwillige Aufgaben, etwa in der Förderung von Kindern und Jugendlichen, zu übernehmen? Wer, wenn nicht die Kommunen, soll ein flächendeckendes Betreuungsangebot anbieten?

Meine Damen und Herren, all dies kann nur erreicht werden, wenn die Finanzausstattung nachhaltig und dauerhaft gesichert und die Handlungsfähigkeit der Kommunen gesichert ist. Die Vorarbeiten hierzu sollen für das Land Rheinland-Pfalz, das schon in zahlreichen Fällen bundesweit Vorreiter für innovative Entscheidungen war, durch die zu bildende Enquete-Kommission übernommen werden. Darin sind sich alle Fraktionen des Landtags Rheinland-Pfalz einig.

Auf dieser Grundlage können politische Vorgaben und mutige Entscheidungen zur Sicherung der Zukunft unserer Kommunen gefasst werden.

Meine Damen und Herren, als Ergebnis der EnqueteKommission muss eins unantastbar bleiben: die Selbs tverwaltung unserer rheinland-pfälzischen Kommunen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Marz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Herr Kollege Pörksen hat vorhin davon gesprochen, wir bräuchten Mut für diese Enquete-Kommission. Ich wünsche uns diesen Mut, aber ich wünsche ihn insbesondere Ihnen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie und Ihre Fraktion im Rahmen dieser Enquete-Kommission mehr Mut aufbringen, als Sie das in den vergangenen Jahren hier am Thema mitgebracht haben.

(Itzek, SPD: Da bin ich einmal auf Sie gespannt!)

Wenn ich Spannung erzeuge, bin ich sehr froh, Herr Kollege. Da hätte ich anderen einiges voraus.

Die Frage, weshalb wir diesen Einsetzungsbeschluss mittragen und vorher daran mitgearbeitet haben, muss natürlich beantwortet werden. Sie kann nicht so allgemein beantwortet werden, wie das hier bereits bei den anderen geschehen ist. Das wäre mir zu wenig.

(Mertes, SPD: Wir werden Sie auch daran messen! An dem messen wir Sie jetzt!)