Protokoll der Sitzung vom 22.05.2001

das sollte man auch noch einmal der rheinlandpfälzischen Umweltministerin sagen –, das Vertrauen von Verbrauchern und Verbraucherinnen in die erzeugten Nahrungsmittel neu aufzubauen und zurückzugewinnen, Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu sichern und ihnen neue Perspektiven zu bieten oder auch das Verhältnis zu den Nutztieren neu zu definieren. Da ist es alles andere als hilfreich, wenn sich dann nach den ersten Ergebnissen und nach der ersten Beobachtung Frau Martini am Wochenende hinstellt und sagt, in Sachen BSE können wir doch Entwarnung geben. Ich sage Ihnen, heute hat sich in der „Süddeutschen Zeitung“ der BSE-Experte Herr Kretschmer von der Universität in München auch schon dagegen gewandt. Er sagt, man kann heute sicherlich besser Rindfleisch essen als im November, aber mit dem Rinderwahnsinn müssen wir vorerst weiterleben. Er warnt auch vor solchen Entwarnungen, wie sie Frau Martini in die Welt hinausposaunt hat, und nicht nur er, sondern das Echo war weit und laut zu hören. Ich glaube, dass Frau Martini auch an dieser Stelle wieder einen falschen Weg beschreitet, der zur weiteren Verunsicherung von Verbrauchern und Verbraucherinnen führt und falsche Sicherheitssignale in die Landwirtschaft setzt. Ich sage Ihnen, pfeifen Sie Ihre Umweltministerin in diesen Punkten zurück. Das ist das Schlechteste, was wir hier brauchen können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie auf, den Kurs der Bundesregierung weiter zu torpedieren. Sie könnten die Vorlagen offensiv unterstützen und verstärken, nicht nur in den bundesweiten Gremien, sondern auch tatsächlich in der konkreten Politik. Sie sollten die Verbraucher und Verbraucherinnen eben nicht mit einem ehrenamtlichen Verbraucheranwalt abspeisen, sondern Sie sollten gemeinsam mit den besten unabhängigen Verbraucheranwälten und -anwältinnen, nämlich den Verbraucherzentralen, eine Offensive starten, was Aufklärungsarbeit angeht, was Ausweitung des Verbraucherschutzes angeht, was Kooperationsmöglichkeiten mit den Landwirten angeht, die sich daran beteiligen wollen, die einen Aufbruch in die neue Landwirtschaftspolitik wollen. Ich habe bisher bis auf eine einmalige Erhöhung der Zuschüsse zu den Verbraucherschutzzentralen keine anderen Initiativen gehört. Ich kenne allerdings ein Gutachten des Wirtschaftsministeriums über die Verbraucherzentralen, wo sie schon einmal festgehalten haben, eigentlich brauchen die, wenn man ihre Arbeit so beobachtet, nicht noch einmal zusätzliche Mittel.

Ich bin der Meinung, wir brauchen eine Stärkung der Verbraucherzentralen, und zwar dauerhaft für das breite Umfeld und das breite Aufgabenfeld. Wir brauchen klare Signale an alle Landwirte, die sich in einen Aufbruch begeben wollen. Wir brauchen eine Überprüfung aller Förderprogramme, ob es sich um die einzelbetrieblichen Förderprogramme oder um andere vom Land oder von der EU aufgelegte Förderprogramme handelt mit Blick auf die Frage, ob diese Förderprogramme eine artgerechte Tierhaltung unterstützen. Wir müssen genau diesen Punkt zu einem Schwerpunkt in der Agrarförderung machen. Wir müssen die Förderprogramme auch vor dem Hintergrund überprüfen, ob sie geeignet sind, die Betriebe zu unterstützen, die jetzt umstellen wollen; denn diese Betriebe brauchen in zwei Jahren eine Nachfrage nach ihren Erzeugnissen.

Herr Bauckhage, auch hierzu ist ein Beitrag dieser Landesregierung notwendig und erforderlich. Da können Sie diese Betriebe nicht allein lassen, weder in der Umbauphase noch in der Anschlussphase.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, es ist in einer Landwirtschaftspolitik und in einem so ländlich geprägten Land wie Rheinland-Pfalz für uns eine Selbstverständlichkeit und auch erforderlich, dass die Art und Weise der Verarbeitung und der Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten Bestandteil jeder lokalen Agenda sein muss. Genau das müssen wir befördern. Die Landesregierung muss initiativ werden. Wir brauchen neue Partnerschaften zwischen Erzeugern und Verbrauchern.

Herr Bauckhage, Sie sagen selbst, im Bereich der Tierhaltung hätte Rheinland-Pfalz Standortvorteile, weil wir nicht diese riesigen Anlagen mit riesigen Rinder- oder Schweinebeständen haben. Gerade vor dem Hintergrund dieser Ausgangssituation sollte sich RheinlandPfalz an die Spitze der Bewegung setzen, statt sie zu boykottieren oder zu verschlafen. Wir werden – dies kann ich Ihnen jetzt schon ankündigen – mit dem glei

chen Eifer, den der Herr Ministerpräsident gestern für seine Politik angekündigt hat, die Landesregierung auf diesem Weg in die Agrarwende und zu mehr Verbrauchersicherheit treiben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bauckhage, das werden wir völlig artgerecht, aber nachhaltig machen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will zur Wirtschaftspolitik, so, wie Sie sie als Perspektive für das Land entwickelt haben, nur wenig sagen. Hier erschöpft sich nämlich die Schaffenskraft der Landesregierung darin, bei der Mittelstandspolitik die bisherige eigene Politik zu loben, und Konkretes, nach vorne Weisendes sucht man vergeblich.

Ich habe den Eindruck, in diesem Bereich fällt der FDP die Modernisierung schwerer, als sie vielleicht selbst denkt. Impulse für Mittelstand und Handwerk und neue Dienstleistungen sucht man in diesem Bereich vergeblich. Oder wo sind die Impulse oder die Instrumente für eine Technologiepolitik im Land, die vor allen Dingen eines braucht, nämlich den Technologietransfer zu optimieren? – Darüber haben wir in den vergangenen fünf Jahren viel diskutiert. Ich finde keinen Niederschlag in dem, was Sie angekündigt haben. Ich finde keinen Niederschlag darin, dass Sie Vorschläge machen, wie Sie versuchen wollen, Akteure der Wirtschaft – Unternehmer, Unternehmensgründer, Betriebsnachfolger, Unternehmen, Kooperationspartner – besser zu vernetzen, oder wie Sie Ihre Vielfalt an Förderprogrammen vereinfachen, beschränken oder auch besser koordinieren wollen. Für all das finde ich keine Zielvorgaben, keine Perspektive. Sie haben sich in diesem Bereich aus dem Gestalten abgemeldet. Sie wollen verwalten. Ich finde, das haben Mittelstand und Handwerk in diesem Bereich nicht verdient.

(Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Soll ich Ihnen sagen, wie wir gehandelt haben? – Wir haben an Ihrer statt ein Mittelstandsförderungsgesetz vorgelegt, das diesen Maßstäben entspricht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Ich habe es an keiner Stelle wie in dem wirtschaftspolitischen Teil Ihrer Koalitionsvereinbarung, aber auch der Regierungserklärung, so deutlich gemerkt, wie Sie peinlich genau versuchen, jeden Hinweis auf gelungene Reformprojekte der rotgrünen Bundesregierung zu vermeiden.

Herr Kuhn, ich finde, das zeugt schon von einer Krämerseele der FDP.

Herr Mertes, es zeugt auch von einer Selbstverleugnung der SPD, wenn Sie es noch nicht einmal schaffen, bun

despolitische Erfolge offensiv aufzugreifen oder zu verstärken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Mertes hat noch den Eindruck erweckt, er hätte die Steuerreform in Kooperation mit Herrn Kuhn gemacht. Ich vergaß es.

(Mertes, SPD: Ich allein!)

Es war kein Wort davon, dass im ersten Jahr, als das Jump-Programm von der Bundesregierung aufgelegt wurde, im Land 1.200 Jugendliche in Ausbildungsplätze oder Qualifizierungsmaßnahmen kamen. Nein, das sind alles Verdienste dieser Landesregierung.

(Mertes, SPD: Berlin lebt, weil wir es stützen!)

Herr Kuhn, Sie wissen, dass es lang anstehende Reformprojekte gab, die unter anderem unter Ihrer Verantwortung im Bund überhaupt nicht in Angriff genommen wurden, die in den letzten drei Jahren angepackt wurden, auch zugunsten dieses Landes.

(Beifall des Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen, im Bereich der Wirtschaftspolitik sehe ich mutige Impulse aus Berlin, aber ich sehe Stagnation in Ihrem eigenen Haus. Genauso ist es im Bereich der Energiepolitik. Was haben Sie in den vergangenen zwei Jahren Fördermittel an diesem Land vorbeifließen lassen, weil Sie sich nicht auf den Zug einer neuen Energiepolitik in Rheinland-Pfalz setzen wollen, und zwar einer neuen Energiepolitik, die von den GRÜNEN initiiert auf Bundesebene eingeläutet wurde. Sie haben diese Fördermittel nach Bayern und Baden-Württemberg vorbeifließen lassen. Heute wollen Sie sich damit profilieren, dass Sie sagen, wir wollen auf jeder Schule und auf jedem Kindergarten eine Photovoltaikanlage.

Ich sage Ihnen, dass das nachgeklappert und nicht vorne ist. Sie haben Chancen in diesem Bereich vertan und verpasst.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kuhn, vielleicht erklären Sie einmal, wie Sie einen Aufbruch in Richtung erneuerbare Energien wagen wollen, wenn die FDP auf Bundesebene im gleichen Atemzug versucht, genau dieses Gesetz, das weltweit anerkannt und weltweit das beste Gesetz über erneuerbare Energien ist, wieder aufheben will. Erklären Sie doch einmal, wie Sie solche Impulse im Land umsetzen wollen! Sie lassen nicht nur Fördermittel, sondern auch Chancen an diesem Land vorbeigehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bezogen auf das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich, das Herr Mertes stillgelegt hat – – – Darüber hinaus hat er dem RWE eine Schadenersatzforderung abgetrotzt. All das ist aus diesem Land gekommen.

Sie schaffen es, in einer Koalitionsvereinbarung noch einmal nachträglich festzuhalten, dass Sie bezüglich der Frage der Nutzung der Atomenergie unterschiedlicher Auffassung sind. Das RWE wird sich über solche festgeschriebenen Konflikte innerhalb der Landesregierung freuen. Die letzte Schlacht mit dem RWE ist noch nicht geschlagen. Es geht darum, dieses Atomkraftwerk schnellstmöglich zurückzubauen, und zwar ohne eine weitere Belastung der öffentlichen Kassen, sondern durch eine Belastung der Kasse des RWE.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann möchte ich einmal sehen, wie Sie geeint an einer solchen Stelle in Verhandlungen treten wollen und wie Sie dazu beitragen wollen, dass wir diesen Schrottreaktor endlich entsorgen können.

Meine Damen und Herren, die nachhaltige Finanzpolitik ist für mich immer noch ein Buch mit sieben Siegeln, jedenfalls bezüglich dessen, welche Perspektiven für die Landesregierung entwickelt werden: Zurückführung der Neuverschuldung bis zum Jahr 2006, Offensive im Bildungsbereich und im Straßenbaubereich.

Ich kenne mittlerweile die Methoden des Ministeriums der Finanzen und vor allen Dingen die Kniffligkeiten von Herrn Staatssekretär Dr. Deubel, zum Beispiel, wenn er Erfolge von Personalkostenbudgets vorstellen will

(Staatsminister Zuber: Ein guter Mann!)

und gleichzeitig ein paar andere Faktoren wie Altersteilzeit oder nicht erfolgte Tariferhöhungen mit hineinrechnet. Damit rechnet man sich glücklich und modern, Herr Mertes. Das wissen Sie, weil Sie die Beratungen des Haushalts- und Finanzausschusses kennen.

Nicht nur in Kenntnis dieser verschiedenen Tricks bezweifle ich mit Fug und Recht Ihre Ankündigung, im Jahr 2006 keine Neuverschuldung mehr zu machen, jedenfalls dann, wenn ich alle Haushalte, die Sie ringsherum anlegen, mit hinzurechne. Vielleicht werden wir heute noch etwas dazu hören, wie Sie es schaffen wollen, 1.000 zusätzliche Stellen für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen, Tariferhöhungen von 2,4 % im nächsten Jahr zu bewältigen, steigende Versorgungsleistungen zu bezahlen und mehr Polizistinnen und Polizisten einzustellen. Das ist ein Personalbereich, der im Wesentlichen durch Polizistinnen und Polizisten sowie durch Lehrerinnen und Lehrer geprägt ist und der 40 % des Gesamthaushalts ausmacht. Ich weiß nicht, wie Sie das unter die Margen des Planungsrats drücken wollen. Das alles bleibt Ihr Geheimnis.

Es wird aber sicherlich nicht Ihr Geheimnis bleiben; denn wir werden mit Argusaugen darüber wachen, wo und wie Sie die Einnahmen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verbuchen und verausgaben.

Bezüglich eines Punktes, das will ich am Ende einmal darstellen, kann man aus der Opposition auch richtige Erfolge zeitigen. Immerhin steht in Ihrer Koalitionsvereinbarung, dass Sie Finanzhilfen und Subventionen

systematisch überprüfen wollen. Das haben wir fünf Jahre lang bei jeder Haushaltsberatung gefordert und Vorschläge unterbreitet, wie es zu machen ist.

(Dr. Schiffmann, SPD: Aber außer Straßen ist Ihnen nichts eingefallen!)

- Doch, im Bereich Subventionen und Finanzhilfen ist uns viel eingefallen. Fragen Sie einmal Herrn Bauckhage, Herr Dr. Schiffmann.

Ich bin der Auffassung, dass wir Ihnen mit unseren Vorschlägen zur Subventionsüberprüfung, mit einer neuen Praxis im Finanzhilfebereich, tatsächlich auf die Sprünge geholfen haben.

Wir sind sehr gespannt darauf, ob der Herr Wirtschaftsminister, der den größten Subventionshaushalt bedient, seine Bücher aufmachen muss und zur Überprüfung bereitsteht. Bisher war aus seinem Haus immer zu hören, dass die Wirksamkeit seiner Finanzhilfen nicht zu messen sei. Das glaube ich auch, aber ich glaube das aus einer anderen Perspektive. Meiner Meinung nach ist es aber umso notwendiger, weil die rotgrüne Steuerreform der Bundesregierung auch dazu führen wird, dass die Unternehmen beträchtliche Profite davontragen können. Das heißt, Sie werden mehr Eigenkapital und somit mehr Möglichkeiten zur Investition haben.

Herr Bauckhage, ich weiß, dass Sie das immer gefordert haben. In diesem Zusammenhang muss man sagen, dass der Staat mit seinen Förderprogrammen, die Sie auf erfinderische Art und Weise immer wieder aufgelegt haben, seine Pflicht getan hat. Wir können dann in diesem Bereich deutlich zurückrudern.

Meine Damen und Herren, wir stehen heute am Beginn von fünf Jahren Parlamentsarbeit. Diese Parlamentsarbeit bedeutet keine Regierungsarbeit für uns. Das bedauern wir, aber wir nehmen die Rolle der Opposition wahr.