Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

(Jullien, CDU: Wir wollen überhaupt keinen Steuersatz!)

Wenn Sie sich aber an dieses Pult stellen und – wie zuvor geschehen – Staatsminister Mittler beschimpfen, weil er nicht auf die Ausgabenbremse tritt,

(Pörksen, SPD: Ja richtig!)

während Sie permanent Vergünstigungen fordern, die zu Einnahmeausfällen bei den Steuern führen würde, frage ich mich, ob das eine konsequente Politik ist. Ich frage mich, ob das eine glaubhafte Politik ist.

(Ernst, CDU: Das wird von der SPD so gesehen! Ich kann das nicht ändern, Herr Kollege!)

Herr Ernst, Sie haben etwas gesagt, was für mich schon ein bisschen nachdenkenswert war. Sie haben

gesagt – das kann man im Protokoll nachlesen –, wir sollten die Pauschalen erhöhen, um Steuerumgehungen zu vermeiden.

(Jullien, CDU: Welche Pauschalen erhöhen?)

Die Freibeträge bei der Körperschaftsteuer, die Grenzen nach der Abgabenordnung usw.

(Jullien, CDU: Es war von Freibeträgen die Rede! Es war nicht von Pauschalen die Rede!)

Eine indirekte Aufforderung zur Steuerumgehung – ich will nicht sagen Steuerhinterziehung – kann es doch auch nicht sein.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Herr Schnabel, es ist richtig, dass es in den Vereinen immer komplizierter wird und es immer schwerer wird, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen, weil das alles so kompliziert ist.

(Jullien, CDU: Da sind wir uns einmal einig!)

Deshalb hat Staatsminister Mittler die Regierungsfraktionen immer unterstützt, wenn es darum geht, wie beim 325-Euro-Gesetz, die Komplexität der Sozialversicherung, die neu eingeführt wurde, für die Vereine zu vermindern oder zu beseitigen, weil wir natürlich wissen, dass dies ein Erschwernis war – da gibt es gar keinen Dissens –, um ein Ehrenamt auszuüben.

Das Ehrenamt ist aber natürlich nicht nur in Vergünstigungen zu suchen. Wir müssen auch andere Formen der Anerkennung für das Ehrenamt finden.

Frau Kollegin Thomas, Selbsthilfegruppen sind sehr oft eingetragene Vereine.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Viele nicht! Sie wissen das!)

Nicht alle, aber sehr viele. Ich gebe Ihnen Recht, dass es auch ehrenamtliches Engagement außerhalb von Vereinen und Institutionen gibt, die keine steuerlichen Anreize bieten. Ich war selbst zehn Jahre im Schulelternbeirat. Da gibt es gar nichts, noch nicht einmal eine Fahrtkostenerstattung. Das ist sicherlich richtig.

Deshalb muss ich auf unseren Antrag Bezug nehmen, der da sehr viel konkreter ist. Das, was die SPD und die FDP in ihrem gemeinsamen Antrag unter Punkt 18 der Tagesordnung fordern, ist konkret und bringt auch den Betroffenen etwas. Ihr Antrag – damit will ich es bewenden lassen –, ist zu allgemein gehalten und bringt nichts. Eine Bundesratsinitiative ist dieser Antrag nicht wert.

Herr Ernst, es tut mir leid, wir werden diesen Antrag ablehnen.

Danke. (Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Herrn Staatsminister Mittler das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Leidenschaft, die freigesetzt wird, ist vor dem Hintergrund verständlich, dass wir in RheinlandPfalz rund 30.000 Vereine haben.

Die durchschnittliche Stärke der Vereine liegt bei ca. 130 bis 140 Mitgliedern. Wenn man dies miteinander multipliziert, heißt das, dass jeder Rheinland-Pfälzer und jede Rheinland-Pfälzerin Mitglied irgendeines Vereins ist.

Da diese vier Millionen heute Nachmittag an den Hörfunkgeräten und am Fernsehschirm sitzen, unsere Debatte verfolgen und ihr künftiges Wahlverhalten von dem abhängig machen, was hier diskutiert, beraten und letztlich entschieden wird, ist es wichtig, dass wir alle Leidenschaft in das Thema hineinlegen.

(Ernst, CDU: Das merkt man Ihnen an!)

Damit sind wir ganz konkret bei dem Antrag der Union. Ich darf daraus einen Satz zitieren: „Aufwandsentschädigungen für Übungsleiter dürfen nicht einer Steuerpflicht unterworfen sein.“

Meine Damen und Herren, das können Sie doch nicht ernsthaft fordern. Eine solche pauschale Freistellung unabhängig von der Höhe ist doch nicht akzeptabel.

(Zurufe von der CDU – Itzek, SPD: Es gibt Chorleiter, die bekommen 50.000 DM im Jahr!)

Ich habe wörtlich aus Ihrem Antrag vorgelesen. Es geht um die Abgrenzung zwischen dem Aufwendungsersatz im Sinn von Nachteilsausgleich und einer ordentlichen Erwerbsquelle.

Wenn Sie sagen, ich nehme diese Abgrenzung nicht vor, dies darf weder mit Sozialversicherungsbeiträgen noch steuerlich belastet werden, öffnen Sie nicht nur der Steuerhinterziehung, der Beitragshinterziehung, Tür und Tor, sondern schaffen Sie eine ungleichgewichtige und ungleichmäßige Belastung. Was machen Sie beispielsweise mit dem Amateurtrainer, der monatlich 5.000 DM nebenbei verdient und ansonsten irgendwo einen Halbtagsjob hat?

(Jullien, CDU: Der fällt doch nicht in die Übungsleiterpauschale!)

Das steht doch in Ihrem Antrag. Aufwandsentschädigungen für Übungsleiter dürfen nicht einer Steuerpflicht unterliegen. Was ist, wenn er fünf oder zehn Übungsleiterfunktionen hat und von jedem Verein 700 Euro oder 800 Euro kassiert? Wieso kann das alles frei sein? Sie sollten das noch einmal überlegen. Das ist nicht zustimmungsfähig.

Meine Damen und Herren, wir müssen Acht geben, dass das Ehrenamt nicht zum Deckmantel für Erwerbstätigkeit mit allen Vergünstigungen wird.

(Jullien, CDU: Das ist doch Unsinn!)

Die Enquete-Kommission „Zukunft des Ehrenamts“, die auf Bundesebene eingesetzt war, hat nicht verlangt, die Übungsleiterpauschale von derzeit 1.848 Euro – allenfalls zur Glättung – anzuheben. Sie hat auch nicht verlangt, den Kreis der Begünstigten auszuweiten. Ich denke, damit war die Kommission gut beraten.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Sie haben die Anhebung auf 4.800 DM gefordert. Natürlich kann man das alles fordern. Ich sage Ihnen, es geht um eine Aufwandsentschädigung im Sinn von Nachteilsausgleich. Aus der Erfahrung der Finanzämter kann ich Ihnen berichten, dass die gewährte Pauschale von 1.848 Euro so hoch ist, dass kaum jemand einen höheren tatsächlichen Aufwand geltend macht. Das könnte man tun, wenn der tatsächliche Aufwand entsprechend höher wäre. Mit diesem Beispiel wird deutlich, dass jede darüber hinausgehende Anhebung zu Mitnahmeeffekten führt.

Meine Damen und Herren, das ist so, wie es hier steht, nicht akzeptabel.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich räume ein, dass zu dem anderen Aspekt, der Bestandteil Ihres Antrags ist, nämlich was die Vereinsbesteuerung angeht, eine Diskussion in Fluss kommen wird, und zwar, was die Anhebung der Pauschale für die Vereine hinsichtlich ihrer gewerblichen Tätigkeit angeht, die zur Zeit bei gut 30.000 Euro liegt und angehoben werden soll.

Dieser Betrag ist seit 1990 nicht mehr verändert worden. Allerdings muss man, wenn man diesen Betrag anheben will, auch darauf hinweisen, dass der Besteuerungsabstand zu den im gleichen Metier – beispielsweise der Gastronomie – tätigen steuerpflichtigen Betrieben die Schieflage erhöht. Das muss man sich vergegenwärtigen.

Wir wissen aus einer Vielzahl von Dörfern, in denen die Kneipen zunehmend schließen, dass sie nicht zuletzt unter diesem Ereignis der Vereinsgastronomie leiden. Das muss sehr sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie der Anhebung das Wort reden, mögen Sie bedenken, dass von den rund 30.000 Vereinen knapp tausend heute über dieser Grenze liegen und steuerpflichtig sind. Wenn die Anhebung beispielsweise auf 40.000 Euro käme, würde das bedeuten, dass fünfhundert der knapp tausend Vereine ebenfalls unterhalb der Grenze bleiben würden. Wir reden, was die Vereine angeht, nicht über einen flächendeckendes Problem, das uns auf den Nägeln brennt.

Ich weiß, dass die Kommission „Zukunft des Ehrenamts“ weitere Vorschläge gemacht hat, beispielsweise eine steuerfreie Aufwandspauschale von 300 Euro für jeden, der ehrenamtlich tätig ist. Ich will das nicht weiter bewerten, obwohl es dem Finanzminister unter den Nägeln brennt, es zu bewerten. Deswegen sage ich: Wenn auf diesem Weg der Schaffung neuer Pauschalen, der Anhebung bestehender Freibeträge und der Ausweitung von Steuervergünstigungen das Wort geredet wird, wird immer auch zu bedenken sein, dass dies in eine gesamtstaatlich fiskalische Verträglichkeit eingepasst werden muss.

Wenn es zu einer weiteren signifikanten Belastung der öffentlichen Haushalte käme, würde aus der Wohltat weniger Segen werden. Ich will das ganz vorsichtig formulieren. Es ist nicht zu bestreiten, dass auf der Zeitschiene auf diesem Weg weitergegangen werden muss und wird. Dies muss nur mit den finanzpolitischen Möglichkeiten sorgfältig und vorsichtig angepasst werden.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Herrn Abgeordneten Jullien das Wort.