Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

Offensichtlich sind wir mit der Maximalforderung, die auch vom BDI formuliert worden ist, in Brüssel nicht durchgekommen. Offensichtlich gibt es dafür zumindest im Europäischen Parlament keine Mehrheit. Man muss bedenken, dass es einerseits die Beschlusslinie im Parlament und andererseits die Entscheidungsmöglichkeit im Rat gibt. Meine Damen und Herren, deshalb setzen wir natürlich auch auf die Bundesregierung und auf den Bundeskanzler.

Herr Creutzmann, Sie haben aus der „FAZ“ von heute richtig zitiert. Offensichtlich ist unsere Position auch im Rat nicht mehrheitsfähig.

Meine Damen und Herren, deshalb haben wir uns als SPD-Fraktion sehr intensiv mit dieser Frage auseinander gesetzt und haben die Gewerkschaften sowie die Industrieverbände an den Tisch geholt. Es hat sich nicht nur um die BASF, nicht nur um die Großindustrie, sondern auch um die kleinen und mittleren Unternehmen sowie die von Ihnen angesprochene Kalkindustrie gehandelt. Wir waren auch in Straßburg und haben dort entsprechende Diskussionen geführt. Wir haben dort schon festgestellt, dass das Festhalten an Maximalpositionen leider nicht mehrheitsfähig ist.

Deshalb muss man einmal analysieren, was die Kompromissvorschläge beinhalten, die derzeit auf dem Tisch liegen. Dann kann man feststellen, dass eines gut ist, nämlich dass es gelungen ist, die Anrechnung der Vorleistungen mit Referenzjahr 1990 hinzubringen. Das bedeutet, dass die Anstrengungen der deutschen Industrie in den vergangenen zwölf Jahren angerechnet und anerkannt werden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Man muss dann auch feststellen, dass es gelungen ist, die anderen Segmente, nämlich den Verkehr und die Haushalte, mit in die Diskussion einzubringen, sodass nicht nur einseitig Industrieemissionen betrachtet werden.

Meine Damen und Herren, schlecht ist es aus unserer Sicht, dass es noch nicht gelungen ist, das so genannte Opt-out von 2007 bis zum Ende der Laufzeit der Richtlinie im Jahr 2012 zu verlängern. Wir sind dabei, mit unseren Mandatsträgern auf europäischer Ebene sowie mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gewerkschaften und der Industrie noch einmal einen Anlauf zu machen. Die politischen Mühen lohnen sich meiner Meinung nach. Deshalb hat mir ihr Zitat am Schluss auch etwas Leid getan. Wir sollten keinen Keil zwischen die Handelnden treiben. Wir sind sehr dankbar, dass die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hierzu mit einer klaren Linie spricht. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unsere Umweltministerin vertreten hierzu eine ganz klare Position. Das wird sich meiner Meinung nach auch rentieren.

Gemeinsam mit unseren europäischen Parlamentariern wollen wir in den nächsten Tagen zum einen versuchen, dass die Opt-out-Lösung bis 2012 unter Umständen noch über eine Splitting-Abstimmung ermöglicht werden kann. Wir wollen zum anderen versuchen, dass die Verwendung von Energieträgern als Rohstoff nicht angerechnet wird. Elementar für unsere chemische Industrie ist, dass Energieträger wie Erdöl, die sie gar nicht verbrennen, sondern die sie als chemische Rohstoffe verwenden, nicht angerechnet werden müssen.

Ferner wollen wir auch noch einmal versuchen – Herr Creutzmann, darauf sind Sie schon eingegangen –, dafür Sorge zu tragen, dass kein europäischer Verwaltungswasserkopf aufgebaut wird, sondern die nationalen Genehmigungsverfahren herangezogen werden, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen.

Aus rheinland-pfälzischer Sicht muss auch unabdingbar sein, dass dann, wenn man sich auf einzelne Industrieanlagen beschränkt und Ausnahmegenehmigungen nicht mitgerechnet werden sollen, es zu einer Poolbildung kommt. Davon sind meiner Meinung nach die kleinen und mittleren Unternehmen existentiell betroffen.

Existentiell sind wir in der rheinland-pfälzischen Industrie überhaupt von dieser Frage betroffen;

(Glocke der Präsidentin)

denn wenn das nicht in unserem Sinn organisiert wird, sind erneut Arbeitsplätze in Gefahr. Wenn wir daran denken, wie viele Arbeitsplätze allein in der chemischen Großindustrie in den letzten zehn Jahren abgebaut worden sind, ist es ganz klar, dass das für unser Land eine existentielle Frage ist. Deshalb bin ich froh, dass in diesem Haus offenbar alle an einem Strang ziehen und wir insoweit eine vernünftige Linie fahren, indem wir sagen: Wenn eine Maximallösung im Parlament nicht durchsetzbar ist, müssen wir wenigsten versuchen, die Kompromissanträge zu verbessern.

(Glocke der Präsidentin)

Dies ist unbeschadet von der Frage zu sehen, ob die Sache im Rat nicht ganz anders entschieden werden kann. Das muss man sehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir begrüßen Gäste im Landtag von Rheinland-Pfalz, und zwar Mitglieder der Gewerkschaft der Kommunalbeamten Kreis Bitburg-Prüm. Herzlich willkommen bei uns im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben gehört, dass es verschiedene Modelle gibt, und zwar das Modell der FDP und das der CDU, nämlich nach wie vor die erarbeiteten Kompromisse in Brüssel abzulehnen und zu sagen: Wir wollen keinen Emissionshandel auf der Grundlage des Handels zwischen den Unternehmen. Wir wollen diesen auf der nationalen Ebene.

Vernünftig hörte sich die Position der SPD deswegen an – aus diesem Grund regieren wir auch zusammen weiter –,

(Ramsauer, SPD: Aber hier so schnell nicht!)

weil auf die europäische Ebene eingegangen und von Herrn Ramsauer, der SPD-Fraktion im Europäischen Parlament und der SPD-Landtagsfraktion klar erkannt worden ist, dass man nicht mit dem Kopf durch die Wand kann. Wenn man durchwill, nimmt eher der Kopf als die Wand Schaden.

Meine Damen und Herren, das hat Herr Creutzmann noch nicht erkannt. Um einen solchen Kollateralschaden zu vermeiden, müssen wir die Diskussion auf die Füße stellen und sagen: Was können wir noch erreichen, nachdem auf der nationalen und der regionalen Ebene zwei Jahre oder mehr diskutiert worden ist? Was ist machbar?

Herr Creutzmann, Sie haben den Artikel in der „FAZ“ schon zitiert. Ich möchte aber noch einmal darauf aufmerksam machen, dass man nicht nur die Überschrift „Schröder kann EU-Emissionshandel nicht aufhalten“, sondern auch den Schluss des Artikels lesen muss. Hier heisst es – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „In Brüssel stößt die kompromisslose Haltung des BDI auf wachsendes Unverständnis. Selbst manche deutsche Abgeordnete, die durchaus nicht im Verdacht der Industriefeindlichkeit stehen, befürchten, dass sich der BDI und mit ihm die Bundesregierung selbst ins Abseits stellen.“

„Wir sollten uns in den Verhandlungen nicht auf Forderungen konzentrieren, die keinen Erfolg versprechen, sonst werden die Kompromisse um uns herum und ohne unsere Beteiligung gemacht“ – Herr Licht, hören Sie zu –, „sagte ein CDU-Abgeordneter, der wegen der Meinungsunterschiede in der eigenen Fraktion allerdings nicht namentlich genannt werden wollte.“ Es gibt ver

nünftige Leute auf allen Seiten. Man muss sie nur suchen. Anscheinend gibt es diese auch in der CDU.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat von vornherein gesagt, dass der Klimaschutz und der Handel mit den Emissionen effektiv sein müssen. Deswegen müssen diejenigen auch belohnt werden, die in den letzten zehn oder zwölf Jahren schon CO2-Emissionen reduziert haben. Das heißt, die deutschen Anstrengungen seit 1990 müssen angerechnet werden. Diese Forderung von den GRÜNEN und von Umweltminister Trittin ist zumindest nach dem jetzigen Verhandlungsstand im Umweltausschuss der EU voll anerkannt worden. Das heißt, alle Vorleistungen ab 1990 sollen angerechnet werden. Dann muss man auch einmal klar sagen: Das ist ein Erfolg der rotgrünen Bundesregierung. Das ist ein Erfolg für Deutschland und den Klimaschutz, wenn solche Vorleistungen angerechnet werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Creutzmann, nun gibt es auf Initiative der Bundesregierung und nicht der FDP noch einmal die Lösung für das Opt-out. Das heißt, wir wollen bis zum Jahr 2008 bestimmte Unternehmen aus dem Zwang des Emissionshandels herausnehmen. Das ist eine Chance für diese Unternehmen, sich noch einmal neu zu positionieren und weiter zu verhandeln. Es ist klar, dass die Verhandlungen auch in den nächsten Jahren weitergehen werden.

Ich fasse zusammen: Die großen Unternehmen in Deutschland, die von der BASF im BDI – – – Das schreibt jeder, der sich das genauer anschaut. Die BASF hat versucht, ihre eigenen Interessen auf den BDI umzusetzen und im BDI die Mehrheit erhalten.

(Zuruf des Abg. Itzek, SPD)

Sie hat den BDI kompromisslos in diese Situation geritten, sodass man in Brüssel die Anliegen überhaupt nicht mehr ernst nimmt. Das ist doch das Problem. Wir wollen doch nachtarieren. Wir wollen die Verhandlungen um den Klimaschutz verbessern sowie die CO2-Emissionen verringern.

Herr Creutzmann, mit der Haltung, „ich mache nur so mit, wie ich will, ich bin nicht kompromissbereit, wie Sie sich das vorstellen, und wenn ich nicht kann, wie ich will, dann werde ich auch nicht weiter mitmachen“, kommen wir in Brüssel nicht weiter.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Alle Staaten außer der Bundesrepublik Deutschland stimmen diesem Kompromissvorschlag zu.

(Glocke der Präsidentin)

Man sollte sich nicht isolieren, sondern mitmachen, weil man nur dann gestalten kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Umweltministerin Frau Conrad das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal – das macht diese Debatte an einigen Punkten deutlich – müssen wir festhalten, dass es wenige Richtlinien oder Verordnungen der Europäischen Union gibt, die solch weitreichende industrie- und umweltpolitische Bedeutung wie der vorliegende und diskutierte Richtlinienentwurf zum Emissionshandel zwischen Unternehmen haben.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Deswegen begrüße ich ausdrücklich, dass wir heute diese Debatte führen, weil ich glaube, dass die Dimensionen noch nicht überall bekannt sind.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Wir diskutieren dieses Thema sehr stark und sicherlich auch zu Recht unter dem Thema des Klimaschutzes als eines von verschiedenen Instrumenten. Was viele noch gar nicht gemerkt haben – das habe ich vor allen Dingen in den Diskussionen mit den GRÜNEN festgestellt; das muss ich offen zugestehen –, ist die Tatsache, dass ich das Gefühl habe, dass man nicht gemerkt hat, dass man heute ein umweltpolitisches Instrumentarium bedient und diskutiert, welches nach Implementierung ein ganz wesentliches Wettbewerbsinstrumentarium sein wird. Deswegen müssen wir dies in wirtschaftspolitischen Gesprächen auch diskutieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich will das auch begründen. Zunächst will ich auch noch einmal für die Landesregierung betonen, dass wir natürlich die nationalen und internationalen Vereinbarungen zum Klimaschutz unterstützen, wie das auch durch die Koalitionsfraktionen schon zum Ausdruck gebracht worden ist. Es ist auch richtig, dass die Bundesregierung einen überdurchschnittlichen Beitrag an CO2-Minderungen in Europa bereits erbracht hat.

Von den eingegangenen Verpflichtungen von minus 21 % sind fast 19 % erreicht. Die Industrie hat bezogen auf das Basisjahr von 1990 ein Minus von 31 %, die Kraftwerke von 18 % und die privaten Haushalte von lediglich 16 %erreicht. Der Verkehr hat einen Zuwachs an CO2-Emissionen von 12 %. Damit sieht man, dass auf nationaler Ebene eine Klimaschutzpolitik dort ansetzen müsste, wo tatsächlich noch viele Optionen sind, wie zum Beispiel in den Haushalten und vor allen Dingen auf dem Verkehrssektor.

(Beifall der SPD)

Wir diskutieren heute ein Instrumentarium, das sich auf den unternehmerischen und wirtschaftlichen Sektor bezieht. Deswegen ist das nicht ohne Risiko. Deswegen ist das auch unter dem nationalen Gesichtspunkt als nicht ungefährlich zu betrachten, weil wir bezogen auf