Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

Herr Kollege Wiechmann, die Arbeitsplätze in Europa sind weg, die Steuern sind weg, und dem Klima ist grundsätzlich auch nicht geholfen, da die gleichen Anlagen, vielleicht etwas neuer und damit besser, statt in Europa in Afrika stehen, meine Damen und Herren.

Schütteln Sie nur den Kopf, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

Wenn es einige Befürworter des Emissionshandels aus der Ölindustrie gibt – dazu kommt Herr Dr. Braun sicher

noch –, so ist es nur allzu verständlich. Öl und Gas produzierende Unternehmen überlegen nämlich, strategische Allianzen einzugehen, die auch die Chemie mit einbeziehen.

Hier könnte man auf der Basis günstiger Rohstoffe investieren, für die, wie im Fall des abgetrennten und nicht abgefackelten Gases, entsprechend Kyoto, auch noch Gutschriften für „Clean-Development“-Maßnahmen zu bekommen sind.

Es gibt durchaus Überlegungen der Ölindustrie, die alten Raffinerien in Westeuropa mit Prämien aus den Zertifikaten kostengünstig stillzulegen, um dann in den Ölländern neu investieren zu können.

Meine Damen und Herren, Deutschland würde in diesem Sinn seine eigene Deindustrialisierung bezahlen. Das kann es doch nicht sein. Darüber hinaus würde die Einführung des Emissionshandels das Ende für die 1995 eingeführten Branchenselbstverpflichtungen der deutschen Industrie bedeuten, denen der Gedanke der Solidargemeinschaft als Gesetzesgrundlage zugrunde liegt.

Klimagasreduzierungen einzelner Branchenunternehmen werden der gesamten Branche zugerechnet. Eine solche Zurechnung ist jedoch unmöglich, wenn ein Branchenunternehmen CO2-Reduktionen bzw. die dadurch frei werdenden Zertifikate an Dritte außerhalb der Branche veräußert. Berechtigter der CO2-Reduktion ist dann das Unternehmen außerhalb der nationalen Branchenselbstverpflichtung des verkaufenden Unternehmens.

Meine Damen und Herren, ohne Not werden als Folge des Emissionshandels die erfolgreichen Selbstverpflichtungen und damit ein administrativ sehr gut handhabbares Klimainstrument aufgegeben.

Meine Damen und Herren, wer das System des Emissionshandels durchdenkt, kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um eine massive Verlagerung von Investitionen und Arbeitsplätzen der betroffenen Industriebranchen hinaus in Drittländer handelt. Wer das will, soll es auch sagen, Herr Dr. Braun. Er muss dabei aber auch die Folgen für die Bürger in Rheinland-Pfalz, für Wohlstand und Arbeitsplätze berücksichtigen. Ist das System erst einmal installiert, wird es zum Selbstläufer ohne jede Einflussnahme der Staaten auf die sozialen Folgen. Einen Weg zurück wird es nicht mehr geben.

Ein Gewinn für den Umweltschutz wird nicht erzielt. Dem Abbau hier steht ein Aufbau der Emissionen in Drittländern gegenüber. Deshalb lautet die Forderung der FDPLandtagsfraktion: EU-Kommission und Bundesregierung sollten primär einen Emissionshandel auf der Ebene der Staaten weiterverfolgen, was ursprünglich ausschließliches Ziel des Kyoto-Prozesses war.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das wird immer wieder vergessen. Herr Dr. Braun sagt immer wieder, wir wollten mit dem Kopf durch die Wand. Das stimmt überhaupt nicht. Der Emissionshandel ist als ein ganz anderes Instrumentarium vorgesehen worden. Das ist doch die Tatsache, die immer wieder vergessen

wird. Niemand will mit dem Kopf durch die Wand. Aber wir möchten das, was im Kyoto-Protokoll angedacht wurde.

(Beifall bei der CDU)

In diesen Handel sind projektbezogene Klimagasreduzierungsmaßnahmen in Industrie- und Entwicklungsländern, das heißt, „Joint Implementation“ and „CleanDevelopment“-Mechanismen, einzubeziehen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich werde nachher noch auf weitere negative Dinge eingehen, die durch den Emissionshandel auf Unternehmensebene entstehen.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Es spricht nun Herr Kollege Dr. Gölter.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich möchte mich der Bewertung des Kollegen Creutzmann mit Blick auf Ihre Rede ausdrücklich anschließen. Ich stimme Ihrer grundsätzlichen Argumentation zu. Ich halte es auch für richtig, dass Sie als Sprecherin der Landesregierung in dieser Frage eine deutliche Linie vertreten, die – darüber müssen Sie auch untereinander einmal reden – noch etwas deutlicher war als das, was der Kollege Ramsauer gesagt hat. Natürlich kann man sich fragen, ob das aus unserer Sicht eigentliche Ziel des Kyoto-Protokolls, dass es einen Handel zwischen Staaten gibt, noch umsetzbar ist. Es hat im Übrigen niemand in Brüssel gezwungen, von diesem Ziel abzugehen, meine Damen und Herren.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Gestatten Sie mir nun eine kurze europapolitische Bemerkung. Ich bin ein leidenschaftlicher Europäer. Ich habe als 14-Jähriger zum Entsetzen meiner Eltern an der Grenze zwischen der Pfalz und der Saar bei Wind und Wetter die Zettel der Europa-Union verteilt, auf denen stand: „Sie kommen aus Europa, Sie bleiben in Europa“. Mir geht vieles in Europa viel zu langsam. Aber das darf mich doch nicht daran hindern zu sehen, dass es in der Frage der Industriepolitik in Europa einen ständigen Machtkampf gibt. Es gibt ständige Machtkämpfe, meine Damen und Herren.

Gerade vor diesem Hintergrund ist – das muss ich sagen – ein verstärkteres europäisches, europapolitisches Vorgehen der Bundesregierung notwendig. Wir brauchen einen Europaminister, meine Damen und Herren!

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Ich hätte nichts gegen einen Europaminister im Kanzleramt oder wenigstens im Auswärtigen Amt, weil ich aus vielen Gesprächen mit Freunden in Brüssel weiß, dass sich Deutschland in den letzten Jahren zu oft um bestimmte Dinge gar nicht oder zu spät gekümmert hat. Dann kam – das muss ich auch sagen – gelegentlich die große Keule des diplomatischen Herrn Bundeskanzlers, die uns in Europa in zusätzliche Schwierigkeiten bringt.

(Beifall der CDU)

Wir müssen doch sehen, dass auch solche Fragen vom Klima mit entschieden werden. Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch auch alle. Insofern steht die deutsche Politik vor neuen Herausforderungen in den nächsten Jahren.

Es bleibt nun einmal die Feststellung: Niemand hat die EU gezwungen, auf dieses Systems des Unternehmenshandels einzugehen. Es benachteiligt in der Summe die Unternehmen in Deutschland. Das ist doch auch einer der Hintergründe, weshalb die Franzosen dies so stark betreiben. Sagen wir es doch einmal ganz offen. Es geht auch um Pos itionen.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Herr Dr. Braun, wir gehen ganz neuen Glückszuständen entgegen, wenn ich Sie höre. Diese rotgrüne Gemeinsamkeit stimmt nicht ganz, weil in dieser Frage Schröder und Trittin nicht so zusammenarbeiten, wie es sein soll,

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

da Trittin in dieser Frage in Brüssel die Ansätze unterläuft und untergräbt, meine Damen und Herren. Entschuldigung, aber es ist so.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mein Gott, Skandal!)

Herr Dr. Schiffmann, wenn ich etwas sage, was in Brüssel jeder weiß und es rotgrün betrifft, wiegen Sie Ihr philosophisch-historisches Haupt und bestreiten die Richtigkeit dieser Aussage.

(Beifall der CDU)

Entschuldigung, aber es klappt wirklich nicht so. Das ist eine wichtige Frage. Daher brauchen wir zumindest weitere Verbesserungen.

1. Diese ganze Geschichte benachteiligt Deutschland innerhalb der EU.

2. Es gibt eine tiefe Veränderung der Ausgangssituation zwischen EU und Nicht-EU. Das müssen wir doch zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, wenn wir der Aufsichtsrat oder das Beschlussgremium eines großen deutschen Unternehmens wären – ich erinnere an den neuen Turbo-Kapitalismus der GRÜNEN bei der Windkraft –, dann würden wir sagen: Entschuldigung, wir gehen mit bestimmten Produktionen dorthin, wo man das Öl aus der Erde holt, und die Wärme, die dabei durch das Ab

fackeln auftritt, nutzen wir für ganz bestimmte Produktionen, die in diesen Teilen der Welt möglich sind, und die Veredelung nehmen wir in Teilen zu Hause vor.

Aber das bedeutet doch alles, dass wir unsere wirtschaftliche Situation erschweren. Wir leben doch nicht nur von der Verwaltung, und die Rentenversicherung ist doch nicht nur durch eine weitere Steigerung der Ökosteuer zu finanzieren, wie manche Leute meinen.

(Beifall der CDU)

Entschuldigen Sie bitte, wir brauchen doch Arbeitsplätze. Wir brauchen doch Leute, die in die Hände spucken und das Bruttosozialprodukt schaffen, um diesen berühmten Schlager zu zitieren. Das ist auch ein Teil dieser Debatte. Deshalb muss die Bundesregierung weiter kämpfen. Der Graben zwischen EU und Nicht-EU wird sich vertiefen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, auch der Graben zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung wird die Position der Länder, die viel erreicht haben, erschweren und die Länder, die bisher nur wenig erreicht haben, in ihren Potenzialen in der Summe natürlich begünstigen. Insofern ist es schon ein wichtiges Thema.

Die Landesregierung soll bitte im Interesse der rheinland-pfälzischen Wirtschaft bei ihrer Linie bleiben. Ich bin einmal gespannt, wie deckungsgleich in einem weiteren Jahr Herr Schröder und Herr Trittin zusammenarbeiten werden.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Ramsauer, SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Schwarz.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Problembeschreibung über das Thema „Emissionshandel“ wird sicherlich von allen Fraktionen in diesem Haus getragen. Frau Conrad hat auch deutlich gemacht, wie wichtig es ist, einen konsequenten Weg gegenüber dem Europäischen Parlament, aber auch – dies wird der zweite Schritt sein – gegenüber dem Rat zu verfolgen.