...tes Landesgesetz zur Änderung des Schulgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/1622 – Erste Beratung
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst bedanke ich mich, dass der Gesetzentwurf noch in der heutigen Sitzung beraten wird. Ich werde morgen an der Sitzung der Kultusministerinnen und Kultusminister teilnehmen und bedanke mich für Ihr Verständnis.
Es besteht kein Zweifel, dass es die tragischen Ereignisse in Erfurt waren, die uns, aber auch die Kultusministerkonferenz und eine Reihe anderer Bundesländer veranlasst haben, grundsätzlich zu prüfen, welche weiteren Möglichkeiten, Verfahren und Modelle es gibt, wie Schule verantwortlich auf schwerwiegende Krisen volljähriger Schülerinnen und Schüler reagieren kann.
Die Landesregierung hat deshalb unter anderem eine zwölfte Novelle zur Änderung des Schulgesetzes in den Landtag eingebracht. Durch den neuen § 1 c soll für die Schulleitungen die Möglichkeit geschaffen werden, bei im Gesetz benannten problematischen und kritischen Situationen in der Schullaufbahn volljähriger Schülerinnen und Schüler zu prüfen, ob eine Information der Eltern eine sinnvolle Maßnahme zur Unterstützung der jungen Menschen ist; wenn es nicht anders geht – das ist das Neue –, auch gegen den Willen der Volljährigen.
In einer Soll-Regelung ist vorgesehen, dass bei einem festgelegten Tatbestandskatalog, insbesondere bei Nichtversetzung, Nichtbestehen einer Abschlussprüfung, bei Schulausschluss oder Beendigung des Schulverhältnisses, eine Information erfolgen soll. Ergänzend ist eine Kann-Regelung bei Tatbeständen vorgesehen, die das Schulverhältnis wesentlich beeinträchtigen.
In der von uns durchgeführten Anhörung ist der Gesetzentwurf auf Zustimmung gestoßen. Die Schülervertretung und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft haben sich allerdings kritisch bzw. ablehnend geäußert. Natürlich – das ist eine häufig gestellte Frage – ist und bleibt der unmittelbare Kontakt mit der betroffenen Schülerin bzw. mit dem betroffenen Schüler die erste und wichtigste Maßnahme. Dabei kann es Schule aus meiner Sicht aber nicht bewenden lassen, wenn grundlegende Problemsituationen die Frage nach der Kontaktaufnahme zu den Eltern aufwerfen. Rechtlich war dies bisher nur in Fragen des Leistungsstands möglich, und auch nur dann, wenn die volljährige Schülerin bzw. der volljährige Schüler dem nicht widersprochen hatte.
Die nun in der Gesetzesvorlage gefundene Antwort weist über den konkreten Anlass hinaus. Sie findet aus meiner Sicht ihre Begründung und Rechtfertigung in dem kontinuierlichen und vertrauensvollen Zusammenwirken von Elternhaus und Schule im Interesse der jungen Menschen. Sie ist aus meiner Sicht das Ergebnis einer besonderen Verantwortungspartnerschaft, die Schule eingehen muss.
Der Auftrag von Schule, Schülerinnen und Schüler in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern, sie zu beraten und zu unterstützen und ihnen zu helfen, wie es im Schulgesetz formuliert ist, erstreckt sich selbstredend auch auf die volljährigen Schülerinnen und Schüler. Unterstützung, Fürsorge und Aufsicht, zu denen Schule verpflichtet ist, bezieht natürlich die Volljährigen mit ein. Alle Schülerinnen und Schüler, volljährige wie minderjährige, stehen im Schulverhältnis, einem öffentlichrechtlichen Sonderverhältnis zwischen Schule und Schüler bzw. Schülerin. Daher ist es ganz selbstverständlich, dass auch die volljährigen jungen Menschen in der Schule nach wie vor Schülerinnen und Schüler sind, für die der Staat seine in der Verfassung übernommene Verantwortung nicht aufgeben darf.
Schule muss daher die ihr rechtlich und faktisch gebotenen Möglichkeiten einsetzen, um junge Menschen aus Krisen herauszuführen, sie auf dem Ausbildungsweg zu stützen, ihnen den Abschluss eines Bildungsgangs zu ermöglichen und ihnen Wege zu eröffnen für den Eintritt in Beruf und Gesellschaft.
In der Erfüllung dieser wichtigen, aber, wenn wir ehrlich sind, mitunter auch schwierigen Aufgabe sind die Eltern wichtige Ansprechpartner für die Schule. Ich zitiere: „Das Erziehungsrecht der Eltern und der staatliche Bildungsund Erziehungsauftrag sind in der Schule einander gleichgeordnet. Die gemeinsame Erziehungsaufgabe verpflichtet zu vertrauensvollem und partnerschaftlichem Zusammenwirken.“ Das stellt das Schulgesetz in Anlehnung an eine klassisch gewordene Formulierung des Bundesverfassungsgerichts fest.
Mit dem Tag der Einschulung beginnt diese gemeinsame Verantwortung. Sie verbindet Eltern und Schule über viele Jahre in einer Erziehungs-, Bildungs- und Verantwortungspartnerschaft. Schulische Verantwortungspartnerschaft ist dabei ein lang andauernder Prozess. Selbstverständlich ändert sich die Art und Weise des Zusammenwirkens entsprechend der mit dem Lebensalter wechselnden eigenverantwortlichen Lebensgestaltung der jungen Menschen.
Mit der Volljährigkeit gewinnen die Schülerinnen und Schüler ohne Zweifel die Möglichkeit, ihren Weg zu bestimmen, sich gegen elterliche Sorge zu verschließen, sie auch zurückzuweisen. Die volle Wirksamkeit einer schulischen Verantwortungspartnerschaft hängt nun zwar grundsätzlich von der Zustimmung und der Kooperation der Volljährigen ab – das beste Beispiel ist die bisher praktizierte Widerspruchslösung –, aber – das ist unsere feste Überzeugung – es gibt Situationen, in denen Schulen unabhängig von der Einwilligung der volljährigen Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ha
ben müssen, von sich aus mit den Eltern Kontakt aufzunehmen, damit diese im Rahmen ihrer faktischen Einwirkungsmöglichkeiten raten, stützen und helfen oder ihre Hilfe wenigstens anbieten können, sofern das notwendig werden sollte.
Für diese Einbeziehung der Eltern fehlte bisher die rechtliche Grundlage, wenn der Schüler bzw. die Schülerin die Einschaltung der Eltern ablehnte. Nun soll die Schule das Recht erhalten, die Eltern über bestimmte Problemsituationen zu unterrichten, die ein Zusammengehen von Schule und Eltern erfordern, weil der junge Mensch Rat, Hilfe und Unterstützung braucht.
Das elterliche Bemühen und die Suche um Lösungen sowie das Unterrichtungsrecht der Schule ergänzen sich somit aus meiner Sicht sinnvoll zu einem Miteinander auch im Interesse der volljährigen Schülerinnen und Schüler.
Der Landeschülerinnenvertretung, die die geplante Neuregelung ablehnt und dies entsprechend deutlich macht, sage ich an dieser Stelle: Das Volljährigkeitsrecht wird nicht angetastet; es bleibt unberührt. Die volljährigen Schülerinnen und Schüler bestimmen nach wie vor ihre Schullaufbahn und entscheiden eigenverantwortlich im Schulverhältnis. Mit der Novelle sagen wir aber, die Schule will in schwierigen kritischen schulischen Situationen im Interesse der volljährigen Schülerinnen und Schüler auch mit deren Eltern sprechen dürfen. Das allein ist der Kern der Gesetzesvorlage.
Die Redezeit verlängert sich für jede Fraktion um drei Minuten. Jede Fraktion kann also bis zu acht Minuten in Anspruch nehmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Manchmal ist Politik ein bitterer Lernprozess. Wir hoffen, dass es für uns in Rheinland-Pfalz mit diesem Gesetzentwurf noch nicht zu spät ist. In der Partnerstadt von Mainz, in Erfurt, hat ein Amokschütze in seiner Schule ein Blutbad angerichtet. So etwas mussten wir in Rheinland-Pfalz noch nicht erleben, aber auch in unserem Bundesland gibt es Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten, Schüler mit aggressivem Verhalten gegen Eltern, Lehrer und Mitschüler. Viele dieser Schüler sind über 18.
Deshalb müssen wir als Politiker jeden Strohhalm ergreifen, der den Schülerinnen und Schülern Hilfe bieten kann. Das Gespräch, das man suchen kann, indem man Eltern informiert, ist ein erster Schritt. Die Lehrer gehen
auf die Eltern zu. Meines Erachtens haben das gute Lehrer in unserem Land bisher ohne rechtliche Grundlage schon immer getan. Heute wollen wir in einer ersten Lesung des Gesetzentwurfs die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass sie das künftig auch weiter tun können.
Die Änderung des Schulgesetzes ist ein notwendiger Schritt. Jede Idee, die uns helfen kann, Ereignisse wie in Erfurt zu verhindern, ist gut. Jede Idee, die Jugendlichen, Eltern, Lehrern und Mitschülern hilft, ist eine gute Idee.
Wir haben allerdings auch zu diesem Gesetzentwurf einige Fragen. Wir haben als CDU-Landtagsfraktion ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben. Es ist schon eine Überlegung wert, ob in dem Schulgesetz stehen soll, dass die Eltern informiert werden sollen – eine Sollvorschrift im Schulgesetz ist eine Mussvorschrift – oder ob die Formulierung vielmehr nicht dahin gehend umgewandelt werden soll, dass die Eltern informiert werden können. Dann liegt es im Ermessen des Lehrerkollegiums, das darüber befindet, ob es zu einer solchen Information kommt oder nicht. Es kommt auf den Einzelfall an. Es kommt immer in solchen Fragen auf den Einzelfall an.
Der zweite Punkt ist – da halten wir uns an die Vorlage des bayerischen Gesetzes, wo als erstes Bundesland auf Erfurt reagiert wurde –, ob wir in das Gesetz eine Altersgrenze nach oben wieder aufnehmen. 21 Jahre bietet sich da an. Es gibt im Jugendgerichtsgesetz zum Beispiel auch Sonderregelungen für die Altersstufe von 18 bis 21 Jahren. Es ist schon noch eine Überlegung wert, ob wir nach oben diese Altersgrenze aufnehmen, um auch gerade gegenüber der Landesschülervertretung ein Zeichen zu setzen.
Als dritter Punkt stellt sich die Frage, weshalb in § 1 c Abs. 6 steht, dass diese Sache nur gelten soll, wenn der Schüler nicht volljährig war, als er den Ausbildungsgang an seiner Schule begonnen hatte. Das ist eine Frage, die sich an Ihr Ministerium richtet. Dieser Passus könnte vielleicht auch entfallen. Man könnte vielleicht sagen, auch ein Schüler, der nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs in eine Schule kommt, sollte genauso behandelt werden wie diejenigen, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs an die Schule gekommen sind.
Jetzt kommt das Entscheidende: Wir ändern heute das Schulgesetz. Das ist aber auf jeden Fall nur der erste Schritt. Es ist mit der Information an die Eltern nicht getan. Wir dürfen uns jetzt nicht auf die faule Bärenhaut legen und sagen: Das war es jetzt. Gut so. – Dann, wenn die Eltern informiert sind, geht es nämlich erst los. Dann muss man mit den Schülern und mit den Elternhäusern arbeiten. Dann kann man sie nicht mit der Information allein lassen. Da gibt es vielleicht in diesem Land – in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit muss ich jetzt nicht die Debatten der vorletzten Plenarsitzung aufwärmen –, in dem auf 15.000 Schüler ein Mitarbeiter des Schulpsychologischen Dienstes kommt, vielleicht noch etwas zu tun. Wenn ich mir die Situation an den Schulen betrachte und mir vorstelle, dass für 15.000 Schüler ein Mitarbeiter des Schulpsychologischen Dienstes zuständig ist, ist das ein Problem. Da müssen
Ich nenne als weiteres Beispiel die Schulsozialarbeit. Sie verkaufen es als Erfolg, dass die Zahl der Mitarbeiter für die Schulsozialarbeit unglaublich erhöht worden ist. Wie viele sind es jetzt? 30 oder 32 für das gesamte Land? – Ich weiß es nicht.
Es ist wichtig, den Schülerinnen und Schülern sowie den Elternhäusern Hilfe an die Hand zu geben, nachdem man sie informiert hat. Das ist der entscheidende Schritt. Heute gehen wir nur einen ersten Schritt. Wir werden uns vor allem über das, was danach folgt, noch ausgiebig in diesem Haus zu unterhalten haben.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der heute von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf ist eine Reaktion auf die tragischen Ereignisse des SchülerAmoklaufs in Erfurt. Er ist aber auch gleichzeitig das Ergebnis vieler Gespräche mit Eltern, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern. Er ist das Ergebnis im Licht der Kenntnis, dass Schülerinnen und Schüler in dieser Diskussion eine deutlich abweichende Position von der im Gesetzentwurf vorgelegten Position einnehmen.
Im Folgenden will ich einige wenige Sätze dazu sagen, aber zunächst darauf hinweisen, dass es uns aufgrund der Ergebnisse von Gesprächen mit Eltern und Lehrkräften ganz wichtig ist, dass wir in diesem Gesetzentwurf einen Weg finden, wie die ganz enge Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule gesetzlich verankert und deutlich gemacht werden kann. Wir sind davon überzeugt, dass es eine wichtige Voraussetzung für Schülerinnen und Schüler ist, und zwar unabhängig von der Frage, ob sie volljährig geworden sind oder nicht, dass es eine verlässliche enge Begleitung geben kann, wenn die Voraussetzungen für die Schullaufbahn eines Schülers oder einer Schülerin im Elternhaus gegeben sind.
Ich denke, die Voraussetzungen im Elternhaus sind wichtig; denn keiner von uns hat die Illusion, dass das Zusammenwirken zwischen Schule und Elternhaus zugunsten des Schülers und der Schülerin sowohl vor als auch nach der Volljährigkeit druckfrei, stressfrei und ohne negative Wirkungen gegeben ist. Wir sind uns dieser Gefahr bewusst.
Ich komme gleich auf den Punkt zurück, den Sie genannt haben. Wir finden trotzdem die Gewährung der Chance auf die Zusammenarbeit – das ist im Gesetz
entwurf geregelt – zwischen Elternhaus und Schule zugunsten des Schülers und der Schülerin so wesentlich, dass wir diese Gesetzesnovelle des Ministeriums voll und ganz unterstützen und wichtig und richtig finden. Wir fanden und finden Elternrechte wichtig. Wir haben 1996 schon einmal das Schulgesetz zugunsten der Eltern und ihrer Rechte geändert, dort aber gleichzeitig betont, dass diese Elternrechte immer auch Elternpflichten nach sich ziehen. Auch das möchten wir heute im Zusammenhang mit dieser Diskussion ganz deutlich betonen.
Eltern müssen wissen, dass wir durch diesen Gesetzentwurf den Schulen die Möglichkeit eröffnet haben, sie auch dann, wenn der Schüler oder die Schülerin der Schule gegenüber geäußert haben, die Eltern nicht über die schulischen Erfolge zu informieren, im wirklichen Krisen- und Katastrophenfall zu unterrichten. Das heißt aber auch, dass wir von den Eltern erwarten, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst werden und die, wie es die Ministerin nannte, vertrauensvolle Zusammenarbeit auch stattfindet. Darunter stellen wir uns vor, dass Rat, Hilfe und Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler deutlich werden und die Eltern versuchen, zusammen mit der Schule Krisenmanagement zu betreiben und dieses Zusammenwirken zwischen Eltern und Schule in einem gemeinsamen Beraten der richtigen Schritte im Krisen- und Katastrophenfall auch wirklich stattfindet; denn nur dafür ist diese Erweiterung des Gesetzes vorges ehen.
Wir geben – es ist wichtig, das immer wieder den Schülerinnen und Schülern zu sagen – damit den Eltern eigentlich kein zusätzliches Recht; denn die freie und eigenverantwortliche Entscheidung des volljährigen Schülers und der volljährigen Schülerin, Fehler zu machen, die Schullaufbahn tatsächlich unvollendet zu beenden, oder aber zu entscheiden, einen neuen schulischen Weg einzuschlagen, ist davon überhaupt nicht betroffen. Sie wird weiterhin stattfinden können.
Es ist aber durch die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den Eltern die Chance gegeben, diesen Schülerinnen und Schülern, die zweifelsfrei in einer Krise sind, mit Rat und Tat zu helfen. Es ist für uns völlig selbstverständlich, dass wir Schülerinnen und Schüler, die eine erfolgreiche Schullaufbahn hinter sich gebracht haben, eine intensive Beratung anbieten, zum Beispiel vor der Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums. Um wie viel mehr muss es selbstverständlich sein, diesen Rat, diese Hilfe und Unterstützung von allen Ebenen den Schülerinnen und Schülern zu bieten, wenn der Schulabschluss gefährdet ist und die Schullaufbahn zu knicken droht?
Wichtig und wesentlich ist, klar zu sagen, dass wir mit diesem Gesetz die Pädagoginnen und Pädagogen mitnichten davon befreien, die ihnen gegebenen Möglichkeiten von Beratung, Hilfe, Unterstützung und Förderung auch weiterhin vorzunehmen und im schulischen Alltag den Kindern und jungen Menschen zu helfen. Wir wollen dieses um die Möglichkeit der Hilfe aus dem Elternhaus ergänzt sehen.
In dem Gesetz steht aber ein „Sollen“. Wir unterstützen dieses „Sollen“ für die Schulen, weil wir sehr wohl der