Protokoll der Sitzung vom 15.01.2003

Wo haben wir das sonst? Das heißt, es gibt auch hier eine gewisse Sicherheit für die betroffenen Kommunen und die Länder. Nur für den Bund gibt es keine Sicherheit; denn der Bund verpflichtet sich nachzujustieren, wenn die Zahlen nicht stimmen sollten.

Ich weiß nicht, wie Sie auf eine Milliarde kommen. Vielleicht wird es irgendwann eine Milliarde sein. Dann wird nachjustiert werden müssen. Die Tatsache, dass Sie nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern bundesweit eine beispiellose Kampagne betreiben, zeigt sich auch ansonsten in Ihrer Argumentation. Sie sind in sich selbst widersprüchlich.

Auf der einen Seite bezweifeln Sie, dass es diese Sozialhilfeberechtigen überhaupt in relevanter Zahl gibt, und auf der anderen Seite werfen Sie plötzlich Zahlen ins Publikum wie 20.000 Berechtigte. Woher wissen Sie das schon wieder? Entweder gibt es Zweifel an der Tatsache, dass es diese Berechtigten überhaupt gibt – dann gibt es aber zusätzlich keine 20.000 Grundsicherungsbezieher –, oder diese Zweifel sind falsch. Dann wäre es völlig unangebracht, und wir könnten darüber reden, wieviel es in der Zukunft werden.

(Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns diesem Grundsicherungsgesetz eine Chance geben und es gerade wegen der Gruppe der Betroffenen in diesem Fall nicht in irgendwelchen Wahlkämpfen oder Schlammschlachten zerreden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Schiffmann, SPD: Sehr gut!)

Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Dröscher das Wort.

Lieber Kollege Schnabel, Ihre Spekulationen, wie Sie es selbst genannt haben, werden auch durch gebetsmühlenartige Wiederholungen nicht wahrer. Sie haben allerdings mit dieser Kampagne eines erreicht, nämlich dass auch Sozialdemokraten, die in kommunalen Spitzenpositionen sind, eine Zeit lang in dieses Horn gestoßen haben.

(Dr. Weiland, CDU: Vielleicht sind wir auch schuld!)

Das muss ich Ihnen anerkennen. Ich bin selbst Mitglied eines Kreistags und eines Stadtrats. Ich habe erhebliche Mühe gehabt, mit den vernünftigen Argumenten durchzukommen. Wir müssen uns nicht über 10.000 oder 20.000 Fälle streiten. Die Realität ist anders. Ich kann Ihnen nur raten: Gehen Sie zu den Leuten vor Ort, die das machen. Sie werden es erfahren.

Ich bin die letzten beiden Tage mit allen Sozialämtern in meinem Wahlkreis einschließlich dem Kreissozialamt in Kontakt gewesen. Die Realität ist anders. Dort wird das sehr sachlich gesehen und lange nicht so aufgeregt behandelt. Sie schaffen das, was auf sie zukommt, ohne dass mehr Personal eingestellt werden muss.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Für die Zukunft ist man sehr zuversichtlich.

(Beifall bei der SPD)

Zu einer Erwiderung erteile ich Herrn Abgeordneten Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist alles eine Frage des Konnexitätsprinzips. Es ging darum, dass Kommunen Leistungen übertragen und die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden. Wir wissen alle ganz genau, dass oftmals – darüber sind sich alle im Raum im Klaren – Leistungen übertragen wurden, bei denen die Mittel zunächst gestimmt haben. Nach drei, vier oder fünf Jahren – das ist ähnlich wie bei der Schülerbeförderung; das können Sie heute in Ihren Landkreisen und kreisfreien Städten nachvollziehen – reichen die Mittel nicht mehr aus. Das ist die eine Seite.

Herr Dröscher, ich komme zu der anderen Seite. Ich weiß nicht, wo Sie waren. Sie waren vielleicht in Kirn. Es mag sein, dass es bei einer Verbandsgemeinde, wenn 40 oder 50 Fälle kommen, ohne Personalvermehrung geht. Der Landkreis Mainz Bingen hat erklärt, er brauche

zwei Kräfte, Trier vier Kräfte und Mainz-Stadt vier oder sechs Kräfte mehr. Sie können doch nicht davon ausgehen, dass die Kommunen vor Ort ohne Personalvermehrung auskommen würden. Das stimmt doch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Dreyer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich habe mich bei der Einbringung des Gesetzes sehr kurz gefasst. Einiges, das von der Opposition vorgetragen worden ist, erscheint mit jedoch noch klärungsbedürftig.

Herr Abgeordneter Schnabel, die Argumente sind hinlänglich bekannt. Wir befassen uns aufgrund von Äußerungen, die Sie tätigen, fast täglich mit der Presse. Dennoch muss ich noch einmal darauf eingehen. Ich komme zu Ihrer Aussage, dass bei den Kommunen angeblich über Monate niemand wusste, was zu tun sei. Das stimmt definitiv nicht. Im April ist die Verabschiedung des Gesetzes mit der Delegationsmöglichkeit vorgenommen worden. Seit Mai gab es umfassende Inform ationsveranstaltungen im Ministerium mit den Rentenversicherungsträgern. Es gab schriftliche Informationen und Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und sogar ein Besuch von mir bei den Landräten, um diese Fragen klarzustellen. Auch der Gesetzentwurf, wie er heute eingebracht worden ist, ist gemeinsam mit den kommunalen Spitzen erarbeitet worden. Sie können mir nicht erzählen, dass es irgendeine kommunale Gebietskörperschaft gibt, die nicht wusste, was zu tun ist.

(Beifall der SPD)

Wenn Sie sich vor Ort umschauen, dann werden Sie feststellen, dass die Kommunen vorbereitet sind. Ich habe die Komplimente vorhin schon verteilt. Sie haben unterschiedliche Wege gewählt, wie sie die Problematik aufgreifen. Wir haben viele Beispiele, wo es wirklich sehr gut läuft.

Verschämte Armut ist keine Spekulation. Frau Abgeordnete Thelen, natürlich geht die Altersarmut zurück – Gott sei Dank. Wir sprechen teilweise inzwischen über andere Armutsphänomene als die der Altersarmut; dennoch, jeder, der irgendwo in der Kommune mit Menschen zu tun hat, jeder Rentenversicherungsträger, jeder Bürger

meister kennt die Leute, deren Rente so klein ist, dass sie im Grund gar nicht mehr davon leben können, aber sich einfach schämen, zum Sozialamt zu gehen. Von diesen Leuten reden wir. Das sind keine zig Zehntausende, das ist aber die Zielgruppe, die wir meinen.

Wie das Land mit den Kommunen umgeht: 409 Millionen reichen angeblich nicht aus. Das ist Ihre Hypothese. Meine ist, sie könnten gut ausreichen, aber ich weiß es auch nicht ganz genau.

Die kommunalen Spitzenverbände waren gemeinsam Partner, die diese Summe errechnet haben. Die ursprüngliche Summe war erheblich niedriger. Nachdem die Zahlen vorgelegt worden sind, ist diese Summe auf 409 Millionen festgelegt worden.

Herr Abgeordneter Marz hat zu Recht dargelegt, die Summe wird alle zwei Jahre überprüft. Deshalb richten sich die Kommunen darauf ein, den Nachweis zu führen, was das Ganze kostet.

Deshalb ist es ein faires Verfahren. Über die Verfassungsmäßigkeit kann sich der Landkreistag vor Gericht streiten. Das nimmt niemand dem Landkreis weg. Ich denke, der Umgang ist absolut korrekt. Wir sollten jetzt einfach dazu übergehen, diese formale Diskussion vielleicht im Land zu lassen und denjenigen, die von der Grundsicherung profitieren, diese auch vorbehaltlos zu gewährleisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir sind damit am Ende der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Sozialpolitischen Ausschuss – federführend –, an den Innenausschuss und an den Rechtsausschuss zu überweisen. Sie sind damit einverstanden? – Dann können wir so verfahren.

Die Fraktionen haben sich verständigt, dass die für heute noch vorgesehenen Punkte auf morgen vertagt werden.

Damit sind wir am Ende der Debatte des heutigen Tages. Ich weise noch darauf hin, dass um 19:00 Uhr der parlamentarische Abend des VdK im Landtag stattfindet.

Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.

E n d e d e r S i t z u n g: 18:53 Uhr.