Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Ende der Debatte über das Landesplanungsgesetz. Es ist Überweisung vorgeschlagen, und zwar an den Innenausschuss – federführend – und den Rechtsausschuss. Ich sehe keine Gegenstimmen, also ist das so beschlossen.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung des Polizeiund Ordnungsbehördengesetzes Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1796 – Erste Beratung

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch eine Bes uchergruppe im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar die Mitglieder des Verkehrsvereins Einrich. Herzlich willkommen bei uns im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes wollen wir eine rechtliche Voraussetzung dafür schaffen, dass wir den Gewaltschutz für Frauen und Kinder in unserem Land verbessern können.

Meine Damen und Herren, dieser Schutz von mißhandelten Frauen – ob es Ehefrauen oder Lebenspartnerinnen sind –, der Schutz von Kindern vor Gewalt in engen sozialen Beziehungen – oft als häusliche Gewalt bezeichnet; ich verwende diesen Begriff nicht so gern, weil nicht die Häuser, sondern meist die Täter, die dort wohnen, gewalttätig sind – ist seit einiger Zeit auch in der offiziellen politischen Debatte mehr ins Zentrum gerückt.

Es wird deutlich – das ist ein Verdienst der Frauenbewegung, aber auch der vielen Institutionen, die sich immer um Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt in engen sozialen Beziehungen wurden, gekümmert haben –, dass immer wieder ein Vorstoß gemacht wurde, dass das keine Privatsache ist, wenn Frauen und Kinder zu Hause geschlagen werden, wenn ihnen Gewalt angetan wird. Diese Gewalttätigkeit ist ein Problem der Inneren Sicherheit, das uns alle beschäftigen muss. Dieses Thema muss uns alle beschäftigen. Nicht der dunkle U-Bahnhof oder ein unbeleuchteter Park, sondern die eigenen vier Wände sind oft der gefährlichste Ort für Frauen und Kinder.

Ich glaube, das sollte noch mehr in das öffentliche Bewusstsein und in das Bewusstsein vieler Menschen eindringen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Behandlung dieses Themas ist die Bundesregierung schon in den letzten Jahren sehr aktiv geworden. Sie ist mit einem Aktionsplan zu besseren Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen gestartet und hat in diesem Aktionsplan sehr viele Ziele formuliert und schon viele Schritte eingeleitet: Maßnahmen, die der Prävention dienen, und zwar der gesamtgesellschaftlichen Prävention – dazu gehört Bewusstwerdung der gesamten Problematik, aber auch das Aufmerksammachen, dass man dort eingreifen, hinschauen und mitwirken muss, wenn es um Gewaltschutz geht –, Verbesserungen, die den besseren rechtlichen Schutz vorsehen – dies werde ich gleich noch erörtern –, aber auch Verbesserung der Kooperation zwischen Institutionen, also staatlichen Institutionen und Einrichtungen wie Notrufe, Frauenhäuser, Beratungsstellen, eine bessere Vernetzung von Hilfsangeboten, Täterarbeit bis hin zu internationaler Zusammenarbeit, Stichwort „Frauenhandel“ und Ähnliches. All das wurde in diesem Aktionsplan beschrieben, und viele Schritte sind gemacht worden, unter anderem das vom Bundestag verabschiedete Gewaltschutzgesetz, das zivilrechtlich besseren Schutz für die Opfer schaffen soll.

Nach dem Motto „Wer schlägt, der geht“ hatte der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Zuweisung zum Beispiel der gemeinsamen Wohnung oder der Ehewohnung an das Opfer, wenn es zu einer Trennung kommt, erleichtert, das ausdrücklich auch gesetzliche Regelungen beinhaltet, wenn es um Kontakt-, Näherungs- oder Belästigungsverbote geht.

Wir wissen, dass Gewalt nicht erst dann beginnt, wenn der Schlag einsetzt, sondern dass es viele Formen der psychischen Gewalt und viele Formen der Belästigung gibt, die Gewalt ausüben können. Gerade nach Trennungssituationen, aber auch in Trennungssituationen kommt dies in Beziehungen oft zutage. Aber wir wissen auch, dass zivilrechtlicher Schutz, selbst bei der bes tmöglichen Organisation der Gerichte, nicht sofort zu erhalten ist, wenn es darum geht, eine konkrete Gefahrensituation zu beenden oder auch eine Wiederholung zu vermeiden. Genau hier ist das Land oder die Bundesländer gefragt; denn der Bundestag und die Bundesregierung haben ihre Hausaufgaben mit diesem Gewaltschutzgesetz gemacht. Aber wenn es um die Erweiterung der Kompetenzen der Polizei geht, die zum Beispiel in konkreten Gefährdungssituationen gerufen wird, dann liegt es in der Kompetenz des Landes, der Länder. Hier greift das Polizeirecht.

Im Aktionsplan der Bundesregierung war vorgesehen und auch mit den Länder so weit besprochen, dass in den Ländern ergänzend gesetzliche Regelungen ergriffen werden müssen. Andere Bundesländer haben dies bereits getan und ihr Polizeirecht geändert, damit die Voraussetzung dafür geschaffen wird, dass dann, wenn Polizeibeamte/Polizeibeamtinnen zu Situationen gerufen werden, wo eine Gewalttätigkeit in einer Wohnung stattfindet, also wenn Nachbarn oder Familien mit Kindern

selbst auf eine Schlägerei, Missbrauchs- oder Gewaltsituation zu Hause hinweisen, die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten Handlungsmöglichkeiten haben, die über eine Beurteilung der Situation oder eine kurzfristige Herausnahme des Gewalttäters aus dieser Situation hinausgehen.

(Mertes, SPD: Oder Täterin!)

Zumeist sind es Täter. Deswegen sage ich es.

(Mertes, SPD: Sonst sind Sie auch dafür, dass es ordentlich gesagt wird!)

Zumeist sind es Täter. Deswegen bleibe ich der Klarheit wegen in dieser Diskussion genau bei dieser Begrifflichkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schlagen mit unserem Gesetzentwurf vor, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, wenn sie zu der Einschätzung kommen, dass diese Situation für die Opfer weiterhin bedrohlich ist, die Möglichkeit haben, eine Entscheidung zu treffen und zu veranlassen, dass der Gewalttäter für bis zu zehn Tage aus der Wohnung verwiesen werden kann und ein Rückkehrverbot in die Wohnung, auch in die Nähe der Wohnung oder in Räume, wo Täter und Opfer zusammentreffen können, ausgesprochen werden kann.

Warum braucht man das? Viele sagen, es gibt die Möglichkeit eines Platzverweises, mit dem man kurzfristig den Täter herausnehmen kann. Viele sagen, es gibt die Möglichkeit der Ingewahrsamnahme. Aber das sind immer relativ kurze Fristen. Wir wissen, dass es bis zum Zeitpunkt, wo eine rechtliche bzw. eine gerichtliche Lösung herbeigeführt werden kann, Zeit bedarf. Häufig brauchen die Opfer auch Entscheidungszeit.

Sie wissen, dass solche Gewaltsituationen und Gewaltausübungen in engen sozialen Beziehungen oft keine Einzelfälle, sondern oft Wiederholungstaten sind und das Opfer, die Frau oder die Kinder, ich sage „die Opfer“, das häufig über sich ergehen lassen müssen, ohne den Mut, die Notwendigkeit, die Entschiedenheit zu einer Trennung oder zu einer Anzeige wegen der Gewalttätigkeit zu haben. Deswegen brauchen die Opfer diese Zeit zur Klärung der Situation, zur Entscheidungsfindung, um Unterstützung herbeirufen, sich an Institutionen wenden oder eine gerichtliche Klärung herbeiführen zu können.

Meine Damen und Herren, deswegen schlagen wir diese Änderung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes mit einer Frist von bis zu zehn Tagen vor. Wir wissen, wir erwarten damit von den Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen einiges. Sie müssen nämlich die Situation einschätzen können. Sie müssen auch einiges an Verantwortung mit dieser Entscheidung auf sich nehmen können. Es soll – so sieht es unser Entwurf vor – auch die Möglichkeit gegeben sein, wenn im Lauf dieser zehn Tage eine Gerichtsentscheidung herbeigeführt werden soll und diese noch nicht getroffen ist, dass diese Frist noch einmal verlängert werden kann.

Wir sind auch der Meinung, diese Änderung sollte durch ein Gesetz erfolgen, weil wir uns durchaus im Klaren sind, dass mit einer Wohnungsverweisung, mit einem ausgesprochenen Rückkehrverbot in die Grundrechte der Täter eingegriffen wird. Also sollte das eine klare gerichtliche Regelung haben.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass wir in der Einschätzung, dass eine solche rechtliche und gesetzliche Regelung notwendig ist, nicht weit auseinander sind. Wir wollen jetzt diese Diskussion führen, weil wir – dies wissen alle, die die Diskussionen im Ausschuss für Gleichstellung und Frauenförderung verfolgt haben – aus vielen Ecken des Landes die Rückmeldung bekommen haben, dass es nicht nur im Vollzug des Gewaltschutzgesetzes, das vom Bundestag verabschiedet wurde, sondern auch in der Handhabung solcher konkreten Situationen, wo Gewalt auftritt, durchaus Unsicherheiten für alle Beteiligten gibt. Deswegen wollen wir mit einem solchen Gesetz rechtliche Klärung herbeiführen und mit einer solchen öffentlichen Diskussion ein Stück Sensibilisierung, aber auch ein Stück Aufklärung voranbringen. Wir wollen vor allen Dingen mit der Diskussion und der Verabschiedung eines solchen Gesetzes ein klares Signal an die Ofper geben, dass die Polizei zu ihrem Schutz eingreift und eingreifen wird, und – –

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme gleich zu Schluss.

ein klares Signal an die Täter geben, dass sie für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden, und zwar auch genau in der konkreten Situation. Wir wollen einen klaren Handlungsauftrag für die Polizei, aber auch Handlungssicherheit für die Polizisten und Polizistinnen. Dafür ist unser Vorschlag eine gute Grundlage.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Pörksen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über die dem Gesetzesantrag zugrunde liegende Zielsetzung, einen möglichst weit gehenden Schutz vor Übergriffen gewalttätiger Personen auch im häuslichen Nahbereich oder, wie Frau Kollegin Thomas dies als besseren Begriff gerade angesprochen hat, bei Gewalt in engen sozialen Beziehungen, dürfte es in diesem Haus keine großen Differenzen geben. Diese Auffassung teile ich, die auch die Frau Kollegin gerade angesprochen hat.

Das ergibt sich schon aus einem gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen aus dem Jahr 1999 auf Antrag der Fraktion der CDU, in dem dies schon damals zum Ausdruck gebracht worden ist und in dem ferner einige

Dinge angesprochen worden sind, die jetzt wiederholt werden.

Ohne auf die in der Begründung des Gesetzentwurfs und in der schriftlichen Presseerklärung der Antragstellerin enthaltenen Zahlen und Prozentsätze einzugehen, deren statistischer Wert aufgrund der hohen Dunkelziffer sehr zweifelhaft ist und zum Teil nur auf Schätzungen beruht, ist der Ansatz richtig. Es gibt einen Hinweis, dass nach Schätzungen jede dritte Beziehung von Gewalt heimgesucht wird. Ich weiß nicht, ob man das tatsächlich so sehen kann.

Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass mit dem Gewaltschutzgesetz des Bundes eine wichtige Schutzvorschrift für diesen Bereich gesetzlich normiert worden ist, der bisher als Tabu galt. Die Bundesregierung hat meines Erachtens ein gutes Gesetz auf den Weg gebracht. Sie hat sich als Erste an diesen Bereich herangewagt. Das war nicht ganz unumstritten. In diesem Zusammenhang habe ich die Diskussion im Deutschen Bundestag im Kopf, bei der einige Beiträge auch nicht ganz ohne waren.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es ist durchaus zu Recht gesagt worden, dass keine echte Regelungslücke, sondern eine Schutzlücke vorliege. Das ist ein Unterschied. Rechtlich wäre man wahrscheinlich mit dem jetzigen § 13 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz hingekommen, auch wenn diese Frist, die die Frau Kollegin angesprochen hat, durchaus eine Rolle spielen kann. Ob man aber bis zur richterlichen Entscheidung diese Verweisung aufrechterhalten kann, darüber wird man im Ausschuss noch beraten müssen.

Dennoch ist es richtig, das Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zu ändern oder zu ergänzen. Beide Wege gibt es. Man kann § 13 ändern. Das wird der Weg sein, den die Regierung beschreiten wird und dabei von den sie tragenden Fraktionen unterstützt wird. Der andere Weg ist, die Vorschrift durch einen neuen § 13 a zu ergänzen. Beide Wege sind sicherlich möglich.

Nordrhein-Westfalen ist den Weg gegangen, einen neuen Paragraphen einzufügen. Ich meine, es ist der § 34 a. Beim Studium des § 34 a, den man aus dem Internet herunterladen kann, ist mir aufgefallen, dass das Gesetz aus Nordrhein-Westfalen und dieser Gesetzentwurf wörtlich übereinstimmen. Das ist doch völlig in Ordnung.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rotgrün macht doch gute Politik, Herr Pörksen!)

Das kann man ruhig so machen. Der intellektuellen Redlichkeit wegen hätte man aber wenigstens ganz dezent darauf hinweisen können, dass man den Vorschlag aus Nordrhein-Westfalen zugrunde legt. Ich hätte das gemacht, aber Sie müssen es nicht machen, zumal Sie auch bei der Begründung genau den Wortlaut des Gesetzes aus Nordrhein-Westfalen abgeschrieben haben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich halte das, wie gesagt, nicht für falsch, aber doch zumindest eines Hinweises wert, Frau Kollegin.

Jetzt komme ich zu der Frage, weshalb Sie diesen Gesetzentwurf zu diesem Zeitpunkt einbringen. In der Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung und Frauenförderung im Oktober vergangenen Jahres hat die CDUFraktion nachgefragt, wie weit die Landesregierung mit den Folgebestimmungen des Schutzgesetzes sei. Daher wussten Sie, dass demnächst eine Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes auf der Tagesordnung stehen wird. Da Sie natürlich ein bestimmtes Klientel bedienen wollen, haben Sie noch schnell diesen Gesetzentwurf herausgezogen.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Dann war Eile geboten. Natürlich ist es so gewesen.