Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

Meine Damen und Herren! Schon die Mündliche Anfrage hat nicht sehr viel darüber ergeben, was konkret gemacht werden kann, da dies eine Frage ist, die, wenn es tatsächlich Ernst wird, auf Bundesebene geklärt werden muss. Ich frage mich, ob wir durch diese Aussprache weiterkommen. Jeder erzählt das, was er im Kopf hat. Herr Creutzmann hat gerade einige etwas unwahrscheinliche Katastrophenszenarien aufgebaut. Ich werde natürlich zum Schluss auch noch einmal auf etwas zurückkommen, was uns GRÜNEN besonders am Herzen liegt. Aber ich weiß nicht, was wir gewinnen können, wenn wir eine solche Aussprache anzetteln.

Wir sollten sehr deutlich machen – dies ist auch für uns als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wichtig –, natürlich nehmen wir die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der Menschen ernst. Natürlich wissen wir, dass es wichtig ist, dass die Menschen das Gefühl bekommen, auch wenn es richtig ist, dass man nicht alles vermeiden kann, tut die Politik doch alles in ihrer Macht Stehende, um die Sicherheit an Flugplätzen und in Flugzeugen herzustellen.

Aber wir sollten in diesem Fall wirklich die Kirche im Dorf lassen. Was ist passiert? – Ein Mann, der geistig etwas

verwirrt war, hat einen Motorsegler, ein kleines Flugzeug, gekapert und ist damit um die Hochhäuser in Frankfurt gezirkelt.

Ich muss ehrlich sagen, als wir die Bilder im Fernsehen gesehen haben, kommen solche Gefühle hoch, wie wir sie auch bei den Angriffen auf die Twin-Towers in New York gehabt haben. Dies wird vielen so gegangen sein. Wir müssen aber sehen, dass es hier etwas vollkommen anderes ist. Selbst wenn dieser Motorsegler in die Hochhäuser geflogen wäre, wäre es nicht zu einer Katastrophe gekommen. Es ist bedauernswert und schlimm, wir sollten aber wirklich die Verhältnismäßigkeit sehen und nicht aufgrund der Bilder, die wir in unseren Köpfen haben, überreagieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Schweitzer, Sie hatten schon gesagt, jeder Tanklaster ist eine gefährlichere Waffe als ein solcher Motorsegler.

Meine Damen und Herren, ich denke, damit lässt sich auf keinen Fall zum Beispiel eine Aufrüstung an Sportflughäfen rechtfertigen. Ich weiß auch gar nicht, ob es leistbar ist. Nicht umsonst haben wir heute die Demonstration der Polizistinnen und Polizisten. Wir wissen auch so, dass es mit dem Haushalt nicht so bestellt ist, dass wir Sicherheitskräfte in Bereichen abstellen könnten, in denen die Verhältnismäßigkeit überhaupt nicht mehr gewahrt ist.

Meine Damen und Herren, wenn Sie nun auf größere Flugzeuge und größere Katastrophen abheben, die durch größere Flugzeuge hervorgerufen werden können, so muss ich immer wieder darauf hinweisen, die größte Gefahr besteht bei uns in Rheinland-Pfalz und vor allem in den umliegenden Ländern darin, dass ein Flugzeug auf ein Atomkraftwerk herunterstürzt.

(Creutzmann, FDP: Ach ja!)

Gerade im letzten „Spiegel“ war wieder zu lesen, dass dies eine ganz konkrete Gefahr bei vielen Atomkraftwerken ist, gerade auch bei denen, die bei uns in der Umgebung sind.

Wenn wir schon verschiedene Szenarien anbieten, dann müssen wir auch darüber nachdenken. Dies ist aber natürlich keine Frage, die wir im Flugzeug und an Flugplätzen regeln können, sondern das ist eine Frage, die wir konkret im Zusammenhang mit den Atomkraftwerken besprechen müssen.

Meine Damen und Herren, lassen wir in diesem Fall die Kirche im Dorf und sehen zu, dass diese Dinge die Bevölkerung nicht zu sehr ängstigen. Geben wir ihnen Klarheit darüber, was gemacht worden ist, geben wir ihnen aber auch Klarheit darüber, dass keine Katastrophe gedroht hat und dass es darum auch nicht notwendig ist, mit Katastrophenszenarien zu reagieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht nun Herr Staatsminister Zuber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einmal feststellen, dass unsere Sicherheitsarbeit in diesem Zusammenhang nicht erst nach dem Ereignis in Frankfurt am Main begonnen hat. Im Rahmen der Sicherheitspakete nach dem 11. September 2001 wurden die Vorschriften zur Zuverlässigkeitsprüfung der an den Verkehrsflughäfen tätigen Mitarbeitern deutlich verschärft. Die entsprechenden Verfahren wurden zwischen der Luftverkehrsbehörde und dem Landeskriminalamt abgestimmt. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit des rheinlandpfälzischen Verkehrsministeriums und des rheinlandpfälzischen Innenministeriums kommt auch an dieser Stelle wieder deutlich zum Ausdruck.

Die Betreiber aller kleineren Flugplätze in RheinlandPfalz, für die die besondere Zuverlässigkeitsüberprüfung nicht anzuwenden ist, wurden durch das Landeskriminalamt für die besondere Gefährdungssituation sensibilisiert. In der Vergangenheit hat es bereits in einzelnen Fällen eine individuelle Beratung gegeben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zuge der Umsetzung der EU-Verordnung zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt werden aktuell die Luftsicherheitsmaßnahmen auf kleinen Flughäfen zwischen der Luftverkehrsbehörde und dem Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz beraten. Darauf hat Herr Kollege Bauckhage schon hingewiesen. Eine weitere Besprechung unter Beteiligung der Polizeipräs idien ist für den 29. Januar 2003 vorgesehen. Im Rahmen dieser Erörterung wird die Umsetzbarkeit eines Maßnahmenkatalogs, der von der Bundesluftsicherheitsbehörde zur Verfügung gestellt worden ist, behandelt, der eine ganze Reihe sinnvoller Verbesserungsmöglichkeiten für die Sicherheit an kleinen Flugplätzen enthält. Diese Maßnahmen sind überwiegend durch die Flugplatzbetreiber unter Beachtung der örtlichen Rahmenbedingungen und den jeweiligen örtlichen Gefährdungspotenzialen umzusetzen. Wir dürfen uns allerdings nichts vormachen, dies ist nicht etwas, was überall bei den Betreibern der kleinen Flugplätze Freude auslösen wird.

Die Frage, wie Gefahren aus der Luft, sei es durch Verkehrsflugzeuge, Hubschrauber oder Kleinflugzeuge, aus rechtlicher und aus taktischer Sicht begegnet werden kann, wird derzeit durch eine Arbeitsgruppe des Landes überprüft. Die Arbeitsgruppe hat umfangreiche Materialien erhoben und Lösungsansätze entwickelt, die auch die Zuständigkeitsfragen zwischen Polizei, Flugsicherheit und Bundeswehr einschließt. Der Abschlussbericht wird in wenigen Tagen vorliegen.

Auch der Arbeitskreis 2 der Innenministerkonferenz hat sich mit dem Thema auf der Ebene einer von der Bundesregierung eingerichteten Arbeitsgruppe befasst. Dort soll insbesondere auch die verfassungsrechtliche Komponente des Einsatzes der Bundeswehr zum Abschuss

eines Flugzeugs im Fall terroristischer Bedrohung untersucht werden. Ich denke, dies muss in der Tat grundsätzlich geprüft werden. Ohne dass eine Grundgesetzänderung erfolgt, wird es möglich sein, die notwendigen Eingriffsmaßnahmen zu treffen. Wir werden uns aber abschließend zu gegebener Zeit mit dieser Frage zu beschäftigen haben, auch dann, wenn entsprechende gesetzliche Vorstöße unternommen werden.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass der Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz eine besondere Projektgruppe einsetzen wird. Nachdem wir in RheinlandPfalz im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern sehr weit in unseren Überlegungen fortgeschritten sind, werden wir den Vorsitzenden in dieser Arbeitsgruppe stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassend feststellen, Rheinland-Pfalz ist auch in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Ländern sehr weit. Wir werden uns weiterhin darum zu bemühen haben. Ich möchte allerdings noch einmal sehr deutlich unterstreichen, wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass es eine einhundertprozentige Sicherheit nicht geben kann. Im Übrigen bin ich gern bereit, im Innenausschuss über die einzelnen Punkte des Maßnahmenkatalogs, falls es gewünscht wird, zu berichten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf:

AKTUELLE STUNDE

„Auf dem Weg zu einem konsensfähigen Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und der Integration im Interesse von Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 14/1795 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt keinen Zweifel, wir brauchen in Deutschland und damit auch in Rheinland-Pfalz eine gesetzliche Regelung für die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und für die Integration der bei uns lebenden Ausländer.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie ist die Lage? Die Bundesregierung hält unverändert an ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf fest und will ihn

so im Bundesrat einbringen. Das ist für mich politisch nachvollziehbar. Das ist ein normaler Weg, der so erwartet wird.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

Bundesinnenminister Otto Schily, der übrigens die Initiative der FDP aus Baden-Württemberg begrüßt hat, machte gestern deutlich, dass die Tür für einen Kompromiss keineswegs zugeschlagen ist.

Zitat: „Er sei hoffnungsvoll, dass wir aufeinander zugehen und uns einigen können“. – Das sagt er wörtlich.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich empfehle, auf das zu hören, was Ministerpräsident Müller gesagt hat, Zitat im Focus: „Wir brauchen dringend eine Reform der Zuwanderung; Eine Strategie, die Kompromisse ausschließt, ist verantwortungslos“. – Es gibt aus Ihrer Partei inzwischen durchaus hoffnungsvolle Signale. Ich verweise auf die Göttinger Erklärung, in der Sie zum Beispiel auf einen totalen Anwerbestopp verzichten. Zitat: „Zuwanderung kann es nur für Fachkräfte geben, die am deutschen Arbeitsmarkt nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen“. – Das ist neu.

Ich habe die Hoffnung, dass es in diesen Punkten zwischen der FDP, der CDU und der SPD keinen Dissens mehr gibt. Wir brauchen die gesteuerte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften. Der Verzicht auf eine aktive Steuerung der Zuwanderung und die Abschottung des deutschen Arbeitsmarkts gegenüber der Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern haben bedingt, dass über Jahrzehnte Zuwanderer nach Deutschland gelangten, die schlechter qualifiziert waren als die durchschnittliche Bevölkerung ihres Heimatlands und erheblich schlechter als der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. In anderen Ländern, zum Beispiel in den USA, verfolgt man eine andere Politik.

Bei der CDU scheint der Konsens inzwischen vorhanden zu sein. Der zu verzeichnende Fachkräftemangel verhindert die Produktion im Dienstleistungssektor, bremst damit das Wirtschaftswachstum und verhindert folglich den Abbau von Arbeitslosigkeit.

Meine Damen und Herren von der Union, ich bitte Sie, hören Sie auf, unbegründete Ängste zu verbreiten, und folgen Sie Ihrer neu festgelegten Linie der Göttinger Erklärung.

Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, auch bei Ihnen gibt es leider nicht wenige, die ein Zuwanderungsgesetz lieber scheitern lassen würden, als Kompromisse einzugehen.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, dass sich bei den GRÜNEN die Vernünftigen durchsetzen und eine Überbetonung des Dissenses bei Politikern der Union und der GRÜNEN nach dem 2. Februar ein Ende hat – ich meine auch Sie, Herr Böhr –, (Zuruf des Abg. Böhr, CDU)

damit wir uns auf den Weg zu einem sinnvollen Kompromiss begeben können.

Meine Damen und Herren, wir haben in Rheinland-Pfalz eine ausgesprochen gute Tradition. Sie wissen, dass die Grundlagen für ein Zuwanderungsgesetz von Herrn Kollegen Zuber und dem leider verstorbenen Kollegen Cäsar auf den Weg gebracht worden sind. Das ist immer noch der Grundkonsens in der sozialliberalen Koalition. Wir haben als ehrliche Makler in Rheinland-Pfalz bundesweit einen guten Ruf. Das gilt nicht nur für das Zuwanderungsgesetz. Ich denke, wir sollten als RheinlandPfälzer in der Lage sein, diesen Kompromiss, der hoffentlich von allen angestrebt wird, mit auf den Weg zu bringen. Daraus erwächst eine Verantwortung.

Ich hoffe, dass wir auch in diesem Hause in der Lage sind, einen solchen Kompromiss gemeinsam mit anzudenken und mitzutragen. Auch im Interesse von Rheinland-Pfalz brauchen wir ein Zuwanderungsgesetz, das noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird, um es verkürzt zu sagen. Lassen Sie uns die hoffnungsvollen Zeichen sehen, und versuchen wir gemeinsam, im Interesse von Deutschland und Rheinland-Pfalz diesen Weg zu gehen und im Interesse unserer Bürger dieses Gesetz auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Meine Damen und Herren, ich begrüße Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Neuerburg sowie der Anne-Frank-Realschule Mainz. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)